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Herbstgutachten
"Keine Konjunktur auf Pump"

Die Schwäche der weltweiten Märkte sei Schuld am geringeren deutschen Wirtschaftswachstum, sagte Markus Söder, Finanzminister in Bayern, im Deutschlandfunk. Von einer Konjunkturbelebung auf Pump hält der CSU-Politiker nichts. Vielmehr müssten private Investitionen gefördert werden.

Markus Söder im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 10.10.2014
    Der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU), aufgenommen am 05.12.2013 auf einer Pressekonferenz in München.
    Markus Söder will keine Konjunkturbelebung auf Pump (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Wachstum erreiche man nicht durch höhere Schulden, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) im Deutschlandfunk. Die gesamte Weltwirtschaft sei unter Druck. Das wirke sich negativ auf die deutschen Exporte aus. Eine Konjunkturbelebung auf Pump - und damit auf Kosten des Steuerzahlers - hält der CSU-Politiker jedoch für falsch.
    Vielmehr müsse die Politik Anreize für private Investitionen geben. Und außerdem benötige Deutschland Signale für Wettbewerbsfähigkeit. Die Kalte Progression müsse abgebaut und die Steuergesetze reformiert werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Jahrelang hat uns ja die Schuldenkrise in Europa beschäftigt, die auch die wirtschaftliche Entwicklung vieler Euro-Staaten bis heute belastet. Einzig Deutschland stand in der Vergangenheit immer gut da. Die Deutschen, sie stellten so etwas wie den Wachstumsmotor in Europa dar. Jetzt heißt es aber auch hierzulande wärmer anziehen. Die führenden Wirtschaftsforscher haben in ihrem Herbstgutachten die Wachstumserwartung erheblich gedämpft, und zwar auf gerade einmal 1,3 Prozent in diesem Jahr. Im kommenden Jahr, da sieht es auch nicht besser aus. Die Wirtschaftsentwicklung natürlich auch ein Thema auf der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, die heute in Washington offiziell eröffnet wird.
    Ebenfalls bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington mit dabei ist Markus Söder von der CSU, bayerischer Staatsminister der Finanzen, jetzt bei uns live am Telefon. Guten Morgen, Herr Söder!
    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott.
    Heckmann: Ich habe es gerade schon angesprochen: Die führenden Wirtschaftsforscher haben in ihrem Herbstgutachten ihre Wachstumsprognose fast halbiert. Auch der IWF, der hat ja bereits seine Prognose gesenkt. Der Export, der bricht ein. Kriegen wir jetzt die Quittung dafür, dass Sie immer auf Austeritätspolitik gepocht haben in Europa?
    Söder: Nein, eher ganz im Gegenteil. Die Probleme, die es im Export gibt, haben ja nun nichts mit Deutschland zu tun, sondern zunächst auch etwas mit den Märkten um Deutschland herum.
    Wenn man allein die Ukraine-Russland-Krise sieht, die Krise im Nahen Osten, das wird sich natürlich auf Dauer spürbar auswirken auf die Weltwirtschaft und auch auf die größten Exportnationen wie Deutschland. Ich glaube, die große Herausforderung ist jetzt, insgesamt die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, und die richtigen Schlüsse sind nicht, Konjunktur auf Pump versuchen zu finanzieren, sondern im Gegenteil Stabilitätspolitik zu halten und tatsächlich privates Kapital besser zu stimulieren, damit dort mehr investiert wird.
    Eurozone darf nicht "in den Schlendrian verfallen"
    Heckmann: Aber IWF-Chefin Christine Lagarde - wir haben es gerade noch mal gehört -, die fordert schon, Deutschland muss mehr investieren, kann auch mehr investieren, ohne gegen die Schuldenbremse oder den Euro-Stabilitätspakt zu verstoßen, und sollte es auch tun und durchaus auch auf Pump, wenn wir das richtig verstanden haben. Und auch die Wirtschaftsforscher hier in Deutschland, die sagen ja, die Große Koalition, die nutze ihren Spielraum nicht, mehr zu investieren.
    Söder: Investiert wird in Deutschland viel und in den nächsten Jahren ist das ja einer der Schwerpunkte, zu investieren. Aber ich glaube, auf Verschuldung, auf Pump zu machen, wie Frau Lagarde fordert, wie es überhaupt gerne aus Frankreich gefordert wird, das funktioniert ja nicht. Das sieht man übrigens in Frankreich, das sieht man in Italien. Immer dann, wenn diese Philosophie vertreten wurde, jetzt erst mal wieder sich zu verschulden, in der Hoffnung, dann am Ende Erfolg zu haben, das hat nie funktioniert.
    So kam die Euro-Zone überhaupt erst unter Druck. Diesen Kurs jetzt aufzugeben, nämlich einer Stabilität, und erneut in den Schlendrian zu verfallen, würde die Euro-Zone erst recht und damit auch die Weltwirtschaft erneut unter Druck setzen.
    Eher ist die Frage, ob man einen anderen Weg gehen muss. Die Europäische Zentralbank hat ja billigstes Geld angeboten. Die Europäische Zentralbank kauft auch Risikopapiere, was zu einer Instabilität übrigens dieser EZB führen wird, die ja eine Bankenaufsicht ist.
    Man muss jetzt eher gucken, wie man privates Kapital stimuliert, und deswegen wäre es doch sinnvoller, beispielsweise durch steuerliche Möglichkeiten für Venture Capital, für Risikokapital, dann da eher kreative Investitionen zu fördern, anstatt ständig auf Pump, auf Kosten der Steuerzahler das zu machen.
    Wachstum erreicht man doch nicht durch höhere Schulden
    Heckmann: Dennoch ist es ja so, dass das Bestreben in Europa wächst, den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibler auszulegen. Er heißt ja schließlich auch nicht nur Stabilitätspakt, sondern auch Wachstumspakt. Das Beispiel Frankreich haben Sie gerade schon angesprochen. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, Wertpapiere von zweifelhaftem Wert aufzukaufen. Sie haben es gerade auch schon mal erwähnt. Müssen wir nicht tatsächlich mehr fürs Wachstum tun auf dieser Seite?
    Söder: Ja, Sie haben recht: Man muss mehr für Wachstum tun. Aber wie erreicht man Wachstum? Wachstum erreicht man doch nicht durch höhere Schulden, ganz im Gegenteil. Das holt einen ja nach ...
    Heckmann: Da haben wir offenbar ein Problem in der Leitung. Herr Söder, ich würde Sie bitten, ein bisschen näher vielleicht an ein Fenster heranzugehen. Wir versuchen es dann noch mal weiter. Herr Söder, hören Sie uns noch?
    Söder: Ja, ich verstehe Sie hervorragend.
    Heckmann: Wir machen noch mal die Frage. Müssen wir nicht mehr fürs Wachstum tun auch auf diesem Gebiet?
    Söder: Wachstum ja, aber nicht Wachstum durch Verschuldung. Wachstum durch Reformen! Es hat sich immer gezeigt: Nur wenn Arbeitsmarktreformen, Steuerreformen, wenn Flexibilität in den sozialen Sicherungssystemen existiert, dann wird eine Volkswirtschaft als solches leistungsfähig und Investitionen im privaten Sektor gefördert und Arbeitsplätze geschaffen. Dagegen solche groß angelegten Verschuldungsprogramme, die verpuffen innerhalb kürzester Zeit, führen übrigens meistens sogar zu Blasenbildungen, Immobilienblasen und Ähnliches mehr. Ich warne dringend davor, jetzt wieder in eine uralte Politik zu verfallen, die Europa schon einmal geschadet hat und die auch ein zweites Mal nicht funktionieren wird.
    Ein völlig falsches Signal für die Stabilität in Europa
    Heckmann: Die EZB hat angekündigt - ich habe es gerade schon mal kurz angesprochen -, Wertpapiere aufzukaufen, auch vom Markt zu nehmen, die möglicherweise zweifelhaft sind, damit mehr Geld im Markt platziert wird. Was haben Sie eigentlich da so strikt gegen?
    Söder: Zunächst einmal stimmt die Argumentation ja nicht, dass mehr Geld auf den Markt muss. Es herrscht ja genügend Geld auf dem Markt. Das Problem ist, dass sogar durch die Niedrigzinspolitik der EZB Blasenbildungen entstehen, weil die Leute irgendeine Anlageform suchen und das normale Sparen sich gar nicht mehr lohnt.
    Das Zweite aber: Die EZB, die Europäische Zentralbank ist ja auch Bankenaufsicht. Sie soll ja genau verhindern, dass solche Schrottpapiere da sind. Wenn die Bankenaufsicht jetzt quasi Hauptkäufer solcher Papiere ist, animiert sie geradezu zu einem weiteren auf den Markt schmeißen solcher Papiere. Damit entwickelt sich ja eigentlich die Stabilitätsbank hin zu einer Bad Bank, und ich glaube, das ist ein völlig falsches Signal für Stabilität in Europa.
    Heckmann: Sie sprechen in dem Zusammenhang von Schrottpapieren. Mario Draghi sagt aber, nicht alle diese Papiere sind wirklich von so zweifelhaftem Wert und es steht kein Wert dahinter.
    Wettbewerbsfähigkeit muss verbessert werden
    Söder: Es hat sich gezeigt, dass diese Papiere nichts wert sind. Sonst würden sie ja am Markt funktionieren. Warum sollte sonst die Europäische Zentralbank diese Papiere kaufen?
    Der Sinn und Zweck ist ja einzig und allein, quasi den Bilanzkeller verschiedener Banken leer zu machen, auszuräumen, in der Hoffnung, damit würden die Banken mehr Kredite ausgeben. Dabei liegt das nicht an den Krediten, die nicht ausgegeben werden, sondern an der mangelnden Nachfrage. Warum? ... , weil es sich nicht lohnt zu investieren. Also muss ich die Wettbewerbsbedingungen verbessern und dafür sorgen, dass das Geld auch entsprechend abgerufen wird.
    Heckmann: Die Leitung wird wieder etwas schlechter, Herr Söder. Das ist natürlich ein bisschen schade. Dennoch sollten wir einen Punkt nicht vergessen zu erwähnen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist immer einfacher, als Selbstkritik zu üben.
    Die Wirtschaftsforscher haben gestern ganz eindeutig gesagt, das Rentenpaket der Großen Koalition, auch die Einführung des Mindestlohns, das sind Faktoren, die das Wachstum hemmen. Ist es nicht höchste Zeit, hier auch in Deutschland Korrekturen vorzunehmen?
    Söder: Ich glaube, das wir in Deutschland auch ein weiteres Signal für mehr Wettbewerbsfähigkeit brauchen und nicht nur für soziale Gerechtigkeit, und deswegen braucht es in der Tat neben Investitionen auch Steuerreformen, Reformen beispielsweise zum Abbau der Kalten Progression, Reformen zur besseren Bereitstellung von Wagniskapital, Venture Capital beispielsweise.
    Es braucht aber auch natürlich ein klares Signal, dass jetzt Infrastruktur vorrangig dasteht und dass Investivausgaben besser sind als konsumtive.
    Es reicht nicht nur zu jammern
    Heckmann: Aber die Wirtschaftsforscher haben ganz konkret das Rentenpaket und den Mindestlohn angesprochen. Was ist damit?
    Söder: Ja, das ist jetzt beschlossen. Da wird man auch sehen, wie das sich entsprechend auswirkt. Ich hoffe, dass da alle Hoffnungen sich erfüllen und die Befürchtungen nicht eintreten. Ich glaube aber trotzdem, dass man das schultern kann, wenn man aber gleichzeitig jetzt auch entsprechende Maßnahmen tätigen muss und kann, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Es reicht nicht, nur zu jammern über das, was vielleicht vor einem Vierteljahr beschlossen wurde, sondern jetzt muss umgekehrt auch ein anderes Signal gesetzt werden, beispielsweise den Abbau der Kalten Progression.
    Heckmann: In dem Punkt Augen zu und durch?
    Söder: Nicht Augen zu und durch, sondern Augen auf und versuchen, die Lage gut zu gestalten. Es sind ja verschiedene Etappen, die man gemacht hat, und ein Teil war jetzt im ersten Halbjahr, und jetzt im zweiten Halbjahr, glaube ich, steht der Teil Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eindeutig auf der Tagesordnung.
    Heckmann: Der bayerische Staatsminister der Finanzen, Markus Söder von der CSU, war das hier live im Deutschlandfunk, live zugeschaltet aus Washington von der Jahrestagung von IWF und Weltbank. Herr Söder, danke Ihnen für das Gespräch, und die schlechte Leitung bitten wir auch in dem Fall zu entschuldigen.
    Söder: Danke! Ich hoffe, es hat halbwegs geklappt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.