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Heribert Prantl über Hintergrundgespräche
Von Haien und Putzerfischen

Wenn Politiker mit Journalisten "unter drei" sprechen, heißt das eigentlich, dass keine Zitate veröffentlicht werden. Für die Berichterstattung können solche Hintergründe dennoch nützlich sein, weil es ein "durchaus symbiotisches Verhältnis gibt", sagte der Journalist Heribert Prantl im Dlf.

Heribert Prantl im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 28.05.2018
    Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung".
    Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung". (Imago / Sven Simon)
    Stefan Koldehoff: "Unter eins" bedeutet für einen Journalisten, dass eine Information gegeben und die Quelle namentlich genannt werden darf. "Unter zwei", dass zwar die Information verwendet werden kann, die Quelle aber anonym bleiben möchte. Das sind dann meist die gern zitierten Berliner Regierungskreise. Und "unter drei" heißt: nur für Ihren Hinterkopf, ich würde aufrichtig bestreiten, dass wir jemals miteinander gesprochen haben. Hintergrundgespräche nennt man sowas.
    Ein solches Hintergrundgespräch hat am Wochenende im Weißen Haus stattgefunden mit rund 100 Medienvertretern; und weil nun Informationen daraus doch durchsickern, behauptet der Präsident einfach mal, es habe gar nicht stattgefunden.
    In den USA gibt es nun eine Debatte darüber, ob man Hintergrundgespräche mit Politikern nicht lieber ganz lassen sollte. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, habe ich gefragt, was er denn davon hält.
    Heribert Prantl: Ich denke, es kommt wirklich darauf an: Wenn solche Hintergrundgespräche der Ergänzung öffentlicher Pressekonferenzen dienen, dann sind sie okay und können ganz wertvoll sein. Aber wenn Hintergrundgespräche die Vordergrundgespräche ersetzen sollen wie bei Trump, dann sind sie von Übel, dann geht es um Lenkung und Leitung, um die Massage von auserwählten Journalisten, ums Dirigieren von Meinungen. Und dann wird – und das halte ich dann für gefährlich – Pressefreiheit vom Grundrecht zum Gnadenrecht und das versucht Trump mit seinen Truppen, das erleben wir in Polen unter der nationalkonservativen PiS-Regierung, das erleben wir auch in Österreich, wo die Rechtspopulisten Druck auf kritische Journalisten und auf den ORF machen.
    Koldehoff: Jetzt haben Sie Deutschland gerade in ihrer Aufzählung nicht genannt. Welchen Sinn macht es denn aus Sicht des Journalisten, Informationen "unter drei" zu bekommen, die er dann nicht verwenden kann? Was ist das Positive?
    "Bescheid wissen"
    Prantl: Nun ja, es geht ganz oft einfach ums Bescheid wissen. Für einen Meinungsjournalisten wie mich ist ein Hintergrundgespräch bisweilen sehr, sehr wichtig, weil es mir hilft, auch wenn ich sie nicht zitieren kann, Dinge einzuordnen. Ich muss ja die Informationen im Hintergrundgespräch nicht eins zu eins übernehmen, aber sie helfen mir, meine Meinung zu finden und meine Meinung darzulegen.
    Koldehoff: Korrumpiert möglicherweise eine zu große Nähe auch?
    Prantl: Ach, das ist wirklich ein Problem, weil: wer Nähe schafft, der zensiert sich selber und wer Distanz hält, der erfährt nichts. Also diese Hintergrundgespräche können schon auch dazu dienen, die Schere im Kopf selber zu schleifen.
    Und das vertrackte ist, dass Sie als jemand der Bescheid wissen will, die Nähe zur Politik suchen und zugleich Distanz von ihr halten müssen. Je näher Sie den entscheidenden Leuten sind, desto besser wissen Sie Bescheid. Man ist den Leuten aber nur dann nah und weiß nur dann gut Bescheid, wenn die Gesprächspartner sich darauf verlassen können, dass sie nicht ungebührlich ausgenutzt werden. Das heißt, dass solche guten Quellen nicht zugeschüttet werden, fragen Sie sich immer wieder, wie weit Sie gehen dürfen bei der Berichterstattung, wie offen man schreiben kann. Aber dadurch zensiert man sich möglicherweise auch ununterbrochen selber und dann wird es gefährlich.
    Adenauers Tee-Gespräche
    Koldehoff: Dann ist es doch wahrscheinlich sinnvoll, wenn man so eine Einladung bekommt, als erstes mal zu fragen, wer darf denn noch kommen, oder?
    Prantl: Es ist sicherlich sinnvoll zu fragen und wenn hier ein Dutzend oder zwei Dutzend Leute eingeladen werden, dann fragt man sich ohnehin, was der Hintergrund soll. Schon die alten Kollegen haben mir in meinen frühen Jahren von Herbert Wehners Morgenandachten mit Journalisten erzählt oder von den berühmten Tee-Gesprächen bei Adenauer, bei denen der Kanzler dann gesagt hat, dass er das aber morgen nicht in der Zeitung lesen wolle. Ich denke, einen derartigen Wunsch zu äußern, ist das gute Recht des Politikers und genauso ist es aber das Recht der Teilnehmenden, zu diesen Einladungen – Morgenandachten, Tee-Gesprächen, Hintergrundgesprächen – hinzugehen oder nicht.
    Koldehoff: Sind Sie schon mal nicht hingegangen? Haben Sie schon mal aus inhaltlichen Gründen abgelehnt?
    Prantl: Gelegentlich ja, wenn ich das Gefühl habe, dass sich da nur jemand aufpumt unter dem Vorwand der Exklusivität. Es gibt Hintergrundgespräche, die sind besseres Larifari und die lässt man dann besser bleiben.
    Koldehoff: Die Beispiele, die Sie gerade genannt haben: Wehner, Adenauer, das liegt Jahrzehnte zurück. Die Gesellschaft hat sich emanzipiert von ihren Obrigkeiten. Gehen heute Politiker souveräner mit dem Instrument des Hintergrundgesprächs um?
    Prantl: Nein. Man muss auch tatsächlich sehen – und da ändert sich in den jüngeren Tagen verglichen mit den alten Zeiten nichts –, dass es ein durchaus symbiotisches Verhältnis gibt zwischen Journalist und Politiker. Das kann ein Verhältnis sein wie Hai und Putzerfisch oder Nashorn und Madenpicker. Aber manchmal weiß man halt nicht so genau, wer der Hai ist und wer der Putzerfisch. Pressefreiheit ist jedenfalls nicht die Freiheit der Haie und nicht die Freiheit der Putzerfische und jeder in diesem symbiotischen Verhältnis muss sich darüber im Klaren sein, was die Symbiose nutzt und was sie anrichten kann.