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Herr der Weltmeere

Über 30 Jahre leitete Jacques-Yves Cousteau als Direktor das Ozeanografische Museum in Monaco. Der leidenschaftlich dem Meer verbundene Forscher prangerte nicht nur die Ausbeutung der Ozeane an, sondern vermittelte auch einer breiten Öffentlichkeit in zahlreichen Dokumentarfilmen die einzigartige Schönheit der Unterwasserwelt.

Von Björn Stüben | 11.06.2010
    Unaufhaltsam brechen sich die Wogen am hohen Felsen der Grimaldis, der im Fürstentum Monaco weit hinaus ins Meer ragt. Darauf thront ein gewaltiger Kalksteinbau, der eine der weltweit bedeutendsten Institutionen seiner Art beherbergt, das Ozeanografische Museum. Über 30 Jahre lang zwischen 1957 und 1988 wurde es von einem schmalen Mann geleitet, der stets mit einer feuerroten Wollmütze in Erscheinung trat. Es war der renommierte Meeresforscher und Naturschützer Jacques-Yves Cousteau. Bereits 1936 hatte ihn die Faszination für das Tauchen gepackt.

    "Als ich damals die Taucherbrille aufgesetzt hatte und mit dem Kopf unter Wasser kam, das war wie ein Schock. Das spürt man entweder bei der ersten großen Liebe oder wenn man sich plötzlich zu etwas berufen fühlt. Bei mir war es die Berufung. Seitdem wusste ich mit Bestimmtheit, dass ich mich den Rest meines Lebens mit der Erforschung des Meeres beschäftigen würde, daran gab es keinen Zweifel."

    Jacques-Yves Cousteau wurde am 11. Juni 1910 in Saint-André-de-Cubzac bei Bordeaux geboren. Nachdem er die Seefahrtsschule abgeschlossen hatte, fuhr er seit 1933 als Offizier der französischen Marine zur See. 1943 entwickelte er zusammen mit dem Ingenieur Emile Gagnan das erste Presslufttauchgerät, das ihm erlaubte, stundenlang unter Wasser zu bleiben. Cousteau hatte sich mit der patentierten Erfindung die idealen Voraussetzungen für seine Erkundung der Unterwasserwelt geschaffen und sich dadurch gleichzeitig finanziell für die Zukunft abgesichert.

    Ein ausgedientes Mienensuchboot der britischen Marine, das er Calypso taufte, diente ihm und seiner aus Meeresbiologen, Archäologen und Geologen bestehenden Forschermannschaft seit 1950 als Expeditionsschiff, mit dem er Reisen über alle Weltmeere unternahm. Er verfolgte den Zug der Wale im Atlantik, entdeckte antike Schiffswracks vor Marseille, fuhr den Mississippi hinauf und wagte sich in die entlegensten Gewässer der Antarktis. Mitte der 70er-Jahre blickte er auf seine zahlreichen Expeditionen zurück:

    "Ich hatte das große Glück, der letzte Entdecker zu sein. Es wird wohl keinen mehr nach mir geben, denn alles wurde bereits erforscht, die Berge, das Meer, die Vulkane und die Pole. Worum es heute geht, das ist eine Wiederentdeckung unserer Welt, denn sie ist dermaßen von den Eingriffen des Menschen entstellt, dass wir lernen müssen, sie jetzt permanent neu zu entdecken und sie zu schätzen."

    Cousteau perfektionierte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die Unterwasserfotografie. Seine Tiefseetauchgänge dokumentierte er dann in Filmen wie "Welt der Stille", 1956 in Cannes mit der Goldenen Palme, und "Welt ohne Sonne", 1965 mit einem Oscar ausgezeichnet. Cousteau trat sehr früh für den Schutz der Umwelt ein, stemmte sich 1960 gegen die geplante Versenkung französischen Nuklearabfalls ins Meer. Staatspräsident Georges Pompidou persönlich bekam Cousteaus Unmut zu spüren und stoppte das Vorhaben.

    "Ich gehöre keinesfalls zu den Umweltschützern, die das Ende der Welt heraufbeschwören. Den Menschen Angst zu machen, ist völlig dumm und kurzsichtig. Mir geht es vielmehr darum, dass die Menschen die Natur richtig kennenlernen und sie lieben, damit sie sich dann auch um deren Schutz kümmern."

    Cousteaus Einfluss auf die Politik wuchs weiter. 1981 wurde ihm die Kandidatur zum Amt des Staatspräsidenten nahegelegt - er lehnte ab. 1988 folgte die Aufnahme in die Academie française. Doch blieb er immer der passionierte Meeresforscher, der seine Faszination und seine Entdeckungen einer breiten Öffentlichkeit vermitteln wollte.

    "Ich bin von einer einzigen Idee getrieben, nämlich den Menschen mit Nachdruck zu erklären und zu beweisen, dass der Ozean Leben bedeutet. Diese Botschaft gilt es immer wieder zu verbreiten. Unser aller Leben ist eng mit dem Meer verbunden. Das ist für mich die einzige Einsicht, die zählt. Wir sollten an das Leben unserer Kinder und Enkelkinder denken."

    Jacques-Yves Cousteau starb mit 87 Jahren 1997 in Paris. Sein Appell, die Weltmeere auch für künftige Generationen sauber zu halten, um deren Überleben zu sichern, ist heute aktueller denn je – seine praktische Umsetzung immer noch in weiter Ferne.