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Herrschen kommt von Mann

Nur knapp zehn Prozent aller Führungspositionen in deutschen Unternehmen sind von Frauen besetzt. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Damit das nicht so bleibt, hilft es nicht, auf Gesetze oder die Einsicht von Unternehmen zu hoffen, dass Entscheidungsvermögen keine Frage des Geschlechts ist. Frauen müssen die Sache selbst in die Hand nehmen.

Von Mandy Schielke | 07.08.2005
    Anke Domscheit trägt ein Sommerkleid mit Spaghettiträgern. Sie hat schmale Schultern und einen festen Blick. Wenn sie lacht, bilden sich auf ihren Wangen kleine Grübchen. Die 37-Jährige ist eine Karrierefrau – selbstbewusst, gut ausgebildet, ehrgeizig. Anfang der neunziger Jahre hat sie als Sachbearbeiterin in Frankfurt am Main angefangen. Als junges Mädchen aus dem Osten sei sie anfangs die am schlechtesten bezahlte Kraft gewesen, sagt sie.

    Dann Wirtschaftsstudium in England: Bachelor, Master. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland fing sie als Analyst bei der Unternehmensberatung Accenture an. Jetzt ist sie Managerin für Unternehmensentwicklung. Noch. Im September nimmt Anke Domscheit die nächste Karrierestufe.

    Headhunter würden die quirlige, junge Frau "high potential" - eine Führungskraft nennen, eine weibliche Führungskraft. Diese Kombination ist in Deutschland selten. Das bestätigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft und kommt zu dem Fazit:

    "Frauen sind nach wie vor in den höchsten Entscheidungspositionen - insbesondere in der Wirtschaft - stark unterrepräsentiert. Vor allem Unternehmen und Arbeitgeberverbände haben einen erheblichen Nachholbedarf bei der Integration von Frauen."


    Konkret heißt das: Nur knapp zehn Prozent aller Führungspositionen in deutschen Unternehmen sind von Frauen besetzt. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Ganz oben an der Spitze – also in den Dax-30-Vorständen – sitzen sogar nur zwei Frauen: die Niederländerin Karin Dorrepaal beim Pharmakonzern Schering und Christine Licci, Vorstandsfrau bei der Hypovereinsbank. Nach der Übernahme durch die italienische Großbank UniCredit ist die Zukunft der gut aussehenden Südtirolerin allerdings ungewiss. Dann gibt es nur noch eine Frau in den Vorständen der dreißig größten deutschen am Aktienmarkt notierten Unternehmen.

    Damit das nicht so bleibt, hilft es nicht, auf Gesetze oder die Einsicht von Unternehmen zu hoffen, dass Entscheidungsvermögen keine Frage des Geschlechts ist. Frauen müssen die Sache selbst in die Hand nehmen, meint Anke Domscheit - sich selbst in die Chefetagen hieven - mit Netzwerken zum Beispiel. Die 37-Jährige macht deshalb als Abgesandte von ihrem Unternehmen Accenture beim EWMD mit – dem European Woman"s Management Developement International Network.

    Der EWMD ist ein internationales Netzwerk speziell für Managerinnen. Mehrmals im Jahr trifft sich Anke Domscheit mit den anderen Business-Frauen aus dem Netzwerk, tauscht sich aus und akquiriert Aufträge: alles was zum Networken eben gehört und eigentlich als Männerdomäne gilt. Männer reden übers Geschäft, Frauen über die Familie und das Leichte. Kalter Kaffee von gestern, längst überholt – so die Accenture-Managerin.

    Anke Domscheit: "Ich habe schon in sehr vielen Fällen am eigenen Leibe erfahren, was ich für außerordentliche Vorteile dadurch habe, dass ich diese Kontakte nutzen kann, ob das jetzt potentielle Neukunden sind, die ich im Bereich Business Developement akquirieren soll, an die sehr schwer ranzukommen ist, von denen ich aber weiß, da ist eine im EWMD. Die ist dort Abteilungsleiterin. Dann kann ich die einfach anrufen und sagen: "Hallo, ich bräuchte einmal dringend einen Termin bei deinem Chef. Kannst Du nicht mal?" Und das klappt tatsächlich."


    Allein in Deutschland hat der EWMD 400 Mitglieder. Unternehmen wie Daimler- Chrysler, die Deutsche Telekom, Microsoft machen mit, auch Audi und Cisco machen mit. Es ist gut fürs Firmenimage, wenn man bei einem Frauennetzwerk dabei ist, sagt Susanne Maria Schmidt, 33 Jahre alt und Geschäftsführerin des DIW in Berlin. Aber ob die Managerkreise, Verbände und Netzwerke speziell für Frauen wirklich dabei helfen, die Aufstiegschancen zu verbessern? Die promovierte Volkswirtin ist skeptisch.

    Susanne Maria Schmidt: "Solche Frauen-Network-Geschichten, die halte ich für wichtig. Aber es wird nicht der Erfolgsbringer sein, weil man braucht so ein Netzwerk in Unternehmen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Seilschaften anders funktionieren im Unternehmen. Also, wenn beispielsweise ein Herr Zumwinkel wechselt, dann nimmt er immer ein bestimmtes Team von Leuten mit und entweder Sie sind in so einem Team drin, dann wandern Sie mit und dann wandern Sie auch mit nach oben. Wenn Sie nicht in solchen Networks drin sind, dann wird es natürlich schwierig."

    Netzwerke sind nichtsdestotrotz eine Strategie, um sich durchzuboxen. Aber es gibt auch Unternehmen, die selbst an der Karriere ihrer Mitarbeiter schrauben mit so genannten Mentoring-Programmen: die Deutsche Post, BMW und die Deutsche Bank und auch bei der Deutschen Bahn wird gerade darüber nachgedacht. Mentoring, das ist organisierter Erfahrungsaustausch zwischen Führungskräften und solchen, die es werden wollen. Die BMW-Managerin Elisabeth Altmann-Rackel hat an einem Mentoring-Programm in München teilgenommen. Ein Jahr lang traf sie sich regelmäßig mit ihrem Mentor:

    Elisabeth Altmann-Rackel: "Ich habe viel gelernt, dass ich doch anders rangehe als ein Mann, dass ich manches zu sehr aus dem Leistungsspektrum heraus sehe. Im Sinne: ich muss funktionieren, es muss alles inhaltlich perfekt sein. Ich muss alles wasserdicht abgecheckt haben, wobei Männer doch risikofreudiger sind. Mut zur Lücke kann ich da nur sagen."

    Die Münchnerin war risikofreudig. Das hat sich ausgezahlt. Kurze Zeit nach dem Coaching ist sie zur Produktmanagerin aufgestiegen. Das Jahr mit ihrem Mentor, Hubert Ostermeier, hat ihr gut getan, sagt sie im Nachhinein. Ostermeier findet, dass Frauen oft zu wenig für sich selbst werben, eben zurückhaltender sind. Und auch Anke Domscheit sagt offen: Die Frauen sind nicht unschuldig daran, dass sie nur selten in den strategischen Positionen, in den Führungsetagen sitzen.

    Anke Domscheit: "Es gibt viele Hemmschwellen, die Frauen in sich selbst tragen oder zumindest viele Frauen in sich selbst tragen, indem sie weniger offensiv kämpfen um eine Karriere, weniger deutlich sagen, dass sie überhaupt eine wollen, dass sie viel eher verzichten und sich auf irgendwelche Abstellgleise stellen lassen, als ein Mann bereit wäre das zu tun. Sie machen auch viel weniger Selbst-PR, sie netzwerken sehr viel weniger. Und sie sind weniger bereit, diesen Tunnelblick auszufahren, sich nur auf die Karriere zu fokussieren."

    In der Politik sind Frauen, anders als in der Wirtschaft, ganz gut vertreten. Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag liegt bei 33 Prozent. Und immerhin sechs Frauen sitzen mit am Kabinettstisch des jetzigen Bundeskanzlers. Dabei gilt doch die Politik als besonders machtorientiert und damit so gar nicht als weiblich. Dass Frauen dort ganz passabel vertreten sind, verdanken sie einer Erfindung der Frauenbewegung: der Quote. Dadurch stieg der Anteil weiblicher Parlaments- und Fraktionsmitglieder stetig an. Die Grünen bereiteten den Weg, die SPD zog nach und 1996 führte auch für die CDU kein Weg mehr an der Quote vorbei. Ein hoher Frauenanteil in Parlament und Regierung allein bedeutet nicht viel, findet Susanne Maria Schmidt vom Deutschen Institut der Wirtschaft:

    Susanne Maria Schmidt: " Ich sehe gar nicht, dass das besser klappt. Welche Ministerposten belegen die denn? Wir haben keine weibliche Arbeitsministerin, wir haben keine Verteidigungsministerin, wir haben keine Innenministerin. Das sind doch wirklich die interessanten Jobs, wo es richtig zur Sache geht. Die Frauen belegen klassische Themen, Randthemen, wo man sagen kann, die haben eine Menge Frauen im Kabinett. Aber die Frage ist doch, welchen Impact haben die tatsächlich, welchen Einfluss. Also, ich sehe das überhaupt nicht so rosig."

    Wie auch immer: in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung und im Hochschulwesen gibt es auf den Chefposten mehr Frauen, als in der Privatwirtschaft. In der Frauenstatistik der Bundesregierung heißt es, dass in den obersten Bundesbehörden rund 17 Prozent Frauen das Sagen haben. In der Wissenschaft pendeln sich die unterschiedlichen Statistiken bei 15 Prozent ein. Und auch in den Medien sieht es ganz gut aus.

    Nachdem vor ein paar Jahren Sabine Christiansen, Maybrit Illner und beim Privatfernsehen Sandra Maischberger den Männern die Polit-Talk-Shows abgeknöpft haben, sind Frauen jetzt auch in den Chefetagen der Sender angekommen. Mit Dagmar Reim vom RBB sitzt immerhin eine Frau am Tisch der ARD-Intendanten. Und beim Privatfernsehen: Catherine Mühleberg hat das deutsche Musikfernsehen, MTV und Viva, unter sich und ab September steht an der Spitze des größten europäischen Privatsenders, RTL, auch eine Frau.

    Warum es im öffentlichen Sektor generell besser aussieht mit der Chancengleichheit, liegt nicht zuletzt an entsprechenden Gesetzen. Das so genannte Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz von 2001 sorgt dafür, dass Frauen bei der Beförderung dieselben Chancen haben wie Männer. Es legt zudem fest, dass bei gleicher Qualifikation unter den Bewerbern eine Frau zum Zug kommt.

    Ein Gesetz für die Privatwirtschaft, das nur ansatzweise in die gleiche Stoßrichtung geht, kam nicht zustande. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft konnten sich durchsetzen. Sie besänftigten die Bundesregierung, indem sie sich ihr gegenüber offiziell verpflichteten, die so genannten gläsernen Decken für Frauen in der Unternehmenswelt durchlässiger zu machen.

    "Die Spitzenverbände sagen zu, ihren Mitgliedern betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu empfehlen. Eine geeignete betriebliche Maßnahme kann die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen sein, beispielsweise durch die verstärkte Einbeziehung in Weiterbildungsprogramme für Führungskräfte oder durch Angebote zu Mentoring-Programmen. "

    Die Vereinbarung ist erst einmal eine Absichtserklärung, ein so genanntes Soft Law. Es sieht keine institutionalisierten Gleichstellungspläne und keine Fraueninteressens-Vertretungen vor. Das sorge für die nötige Flexibilität, die Unternehmen bräuchten, meinte damals der Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt. Die Selbstverpflichtung eröffnet den Unternehmen Spielraum und setzt auf deren Einsicht. Das hört sich modern an.

    Andererseits zeigt der Blick nach Schweden, dass gesellschaftliches Umdenken eben auch durch Gesetze in Gang gebracht werden kann. Dort gibt es schon seit über 20 Jahren ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft. Es zwingt die Betriebe dazu, Frauenförderpläne vorzulegen. Und Tatsache ist, dass Schweden nach einem Bericht der Vereinten Nationen als am besten entwickelt abschneidet, was die Chancengleichheit von Mann und Frau im Beruf angeht.

    Hierzulande will die Bundesregierung Ende dieses Jahres resümieren, was der kollektive Schwur der Wirtschaft gebracht hat. Hildegard Nickel ist Soziologie-Professorin an der Humboldt-Universität in Berlin und beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung von Frauen in der Wirtschaft. In Zusammenarbeit mit Stiftungen und Wirtschaftsinstituten hat sie bei der Deutschen Telekom, aber auch bei der Deutschen Bahn Recherchen angestellt. Die Selbstverpflichtung der Deutschen Wirtschaft nimmt die Expertin ernst:

    Hildegard Maria Nickel: "In den Großunternehmen Bahn, Telekom etc, da denke ich, wird die aus gutem eigenem Interesse relativ ernst genommen, aber bei den mittelständischen Unternehmen, denke ich, führt die zu nichts. Die Selbstverpflichtung wird nicht dazu führen, dass Betriebe stärker Frauen befördern und schon gar nicht dazu führen, dass sie in Führungspositionen kommen. Also ich glaube, es bedarf einer Gesetzlichkeit."

    Einer Gesetzlichkeit, wie es auch das Antidiskriminierungsgesetz hätte sein können, findet die Arbeitssoziologin. Das ist im Bundesrat aber kürzlich erst einmal auf Eis gelegt worden. Frauen als Entscheider, das hat keine Tradition in Deutschland und der Frauenförderung hängt immer noch der Ruf an, reiner Idealismus zu sein. Susanne Maria Schmidt glaubt nicht, dass allein durch Gesetze die tradierten Rollenmuster aufgebrochen werden können, denn:

    Susanne Maria Schmidt: "Sie finden immer einen Grund, Menschen nicht irgendwo zu positionieren. Sie finden immer einen Grund zu sagen, nein, wollen wir nicht. Deswegen glaube ich, dass solche Gesetze zwar ein Zeichen des guten Willens sind und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch nützlich sind. Aber wenn es um die echten "Big Jobs" geht, wenn es um Führungspositionen geht, wenn es um die Stelle von Herrn Ackermann geht, dann wird das meiner Meinung nach nicht ausschlaggebend sein."

    Dabei sind die Voraussetzungen der Frauen selbst in der Realität bestens. 53 Prozent aller Abiturienten in Deutschland sind Mädchen und auch die Hälfte aller Hochschulabsolventen ist weiblich. Trotzdem scheinen viele Frauen gar nicht bis ganz nach oben zu wollen. Ein großer Teil, der auf der mittleren Managementebene angekommen ist, bleibt dort und ist damit durchaus zufrieden, sagt Hildegard Nickel. Hinzu komme, dass Frauen zunehmend – auch wenn sie keine Kinder haben – ganz aus den klassischen Karrierewegen aussteigen. Und deshalb:

    Hildegard Maria Nickel: " Um Frauen tatsächlich in diese Führungspositionen hinein zu bekommen und ich denke, die Unternehmen müssen daran zunehmend ein Interesse haben, wäre es tatsächlich notwendig, auch über die Strukturen von Führungspositionen nachzudenken. Die Frauen, die da auch entsprechende Erfahrungen haben, können mit einer ziemlichen Überzeugung klar machen, dass Führungsverantwortung durchaus auch in einem begrenzbaren Arbeitszeitvolumen "handelbar" ist."
    Solange Führungsqualität und Effizienz also daran gemessen werden, wie lange man am Schreibtisch sitzt, bleibt die Führungsetage für viele Frauen unattraktiv. Und das liege nicht am Kinderwunsch, sagt Hildegard Nickel. 40 Prozent aller deutschen Akademikerinnen unter 40 Jahre seien heute sowieso kinderlos.

    Anke Domscheit ist Karrierefrau und Mutter. Als ihr Sohn Jakob vor fünf Jahren auf die Welt kam, war für sie klar, dass sie berufstätig bleiben wollte. Nach ein paar Monaten arbeitete die Berlinerin von zu Hause aus weiter. Während ihr Baby im Nebenzimmer schlief, saß Anke Domscheit an ihrem Computer, ihr Team war in Frankfurt am Main. Accenture ermöglichte Anke Domscheit durch vorübergehende Teilzeitarbeit. Mutter und Managerin zu sein:

    Anke Domscheit: "Frauen, wenn sie Kinder haben, haben es sehr viel schwieriger, diesen eigentlich übertriebenen Ansprüchen von Mobilität und Flexibilität zu entsprechen. Und deshalb entscheiden sich Frauen im Zweifelsfall eher gegen ein Kind. Ich habe selbst ein Kind und es war extrem schwer. Man brauchte schon ziemlich harte Nerven. Und man muss vor allem mit dem eigenen schlechten Gewissen klarkommen, das man, obwohl man sich nicht als Rabenmutter empfindet, dennoch hat."

    Christine Licci von der HypoVereinsbank hat einmal gesagt: Meinen Job könnte ich mit drei Kindern nicht machen. Es sei denn, ich würde sie vernachlässigen. Kinder oder Karriere. Ist an dem tradierten Rollenverständnis wirklich nicht zu rütteln? Anke Domscheit ist in der DDR sozialisiert worden. Dort gehörte die Chancengleichheit bekannterweise zum gesellschaftspolitischen Status Quo. Und deshalb stand es auch für die 37-jährige Anke Domscheit, die in Brandenburg aufwuchs, nie außer Frage, sich entweder für Kinder oder die Karriere zu entscheiden.

    Auch im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, wo Anke Domscheit jetzt mit ihrem Sohn wohnt, sei es nicht außergewöhnlich, dass Mütter arbeiten, sagt die Accenture-Managerin. Die Gespräche der Mütter auf dem Spielplatz drehen sich nicht nur um den Nachwuchs.

    Die Studie des Deutschen Instituts der Wirtschaft zeigt deutlich, osteuropäische Länder schneiden, was Frauen in Führungspositionen angeht, eindeutig besser ab. Spitzenreiter sind Slowenien und Lettland. Dort liegt die Frauenquote bei 22 Prozent. Die Soziologin Hildegard Nickel von der Humboldt-Universität in Berlin hat dafür eine Erklärung:

    Hildegard Nickel: Ich glaube, dass hängt wirklich sehr stark damit zusammen, dass sich in den 40 Jahren Realsozialismus die Geschlechterbilder ganz deutlich verändert haben bis hin zu der Tatsache, dass es viel selbstverständlicher ist im gesellschaftlichen Umfeld, dass Frauen auf Führungspositionen sind auch im Sinne von akzeptiert sind in den Führungspositionen."

    Aber auch in Schweden ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Dort hat bekanntlich nicht der Sozialismus die Chancengleichheit verordnet. Experten machen dafür unter anderem die kurze Industrialisierungsphase verantwortlich. Denn erst durch die Industrialisierung sei die Unterteilung in Produktions- und Reproduktionsarbeit geschaffen worden. Die schwedische Gesellschaft hatte also wenig Zeit, dieses Muster, was den Deutschen so tief eingeschrieben ist, zu lernen. Einen weiteren Grund dafür, dass Schweden besser abschneidet als Deutschland, sieht Hildegard Nickel in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte:

    Hildegard Maria Nickel: ""In Deutschland hat man, obwohl es viele erwerbsfähige Frauen gab, eher darauf gesetzt, Gastarbeiter zu rekrutieren. Die skandinavischen Länder hatten an dieser Stelle von vornherein ein anderes Konzept und in dem Punkt dann sehr ähnlich, wie in der ehemaligen DDR. Die haben gesagt, wir haben ja eine Arbeitskraftreserve. Das sind die Frauen."

    Der indische Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen sagt, nur wenn Männer und Frauen auch gleichberechtigt an der Unternehmenswelt beteiligt sind, kann eine Gesellschaft ihr volles Potenzial ausschöpfen. Um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern, also die gläsernen Decken durchlässiger zu machen, braucht es den passenden Mix aus Gesetzen, der Einsicht der Unternehmen und natürlich dem Willen der Frauen selbst.

    Anke Domscheit: "Was nützt es mir, wenn ich Kindergärten habe und Rahmenbedingungen und wenn Unternehmen sagen, ja wir wollen Frauen und machen Zielvereinbarungen, wenn sich die Frauen dafür nicht selbst ausreichend einsetzen. Dann habe ich es auch nichts gekonnt. Und wenn die Frauen unbedingt wollen, aber in den Unternehmen ihnen eine Mauer nach der anderen vor die Nase gesetzt wird, dann schaffen sie es auch nicht und holen sich Beulen an der gläsernen Decke."

    Und Susanne Maria Schmidt sagt:

    "Was auch mir persönlich immer gefehlt hat, als Studentin und später Doktorandin, ist eine Frau, wo ich sagen kann: Ha, das könnte mal ein Vorbild sein in Deutschland."