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Herrscher unter Druck

Ägypten, Tunesien, Libyen...: Auf den ersten Blick scheinen sich die Aufstände in der arabischen Welt in ihren Verlaufsmustern zu gleichen. Ein großer Unterschied ist allerdings darin auszumachen, ob nur das jeweilige Land oder auch andere Staaten die Folgen zu spüren bekommen.

Von Peter Philipp | 29.03.2011
    Aufstand, Rebellion und Revolution, die seit Wochen die arabische Welt erschüttern lassen, weisen von Land zu Land gewisse Gemeinsamkeiten, dann aber auch wieder große Unterschiede auf. Angesichts der fast täglich neuen Entwicklungen ist es zu früh für einen endgültigen Befund, soviel aber zeichnet sich inzwischen immer deutlicher ab: Die betroffenen Staaten teilen sich auf in solche, die von den Umwälzungen nur selbst betroffen sind und solche, bei denen die Veränderungen mittel- und langfristig weitreichende regionale Folgen haben könnten oder jetzt schon das Ergebnis regionaler Probleme und Spannungen sind.

    Zur ersten Gruppe gehören vor allem die nordafrikanischen Staaten: Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten und selbst in Libyen ging und geht es in erster Linie um gesellschaftspolitische wie wirtschaftliche Fragen, wohingegen die Religion kaum eine oder nur eine zweit- oder drittrangige Rolle spielt. Und außer ihrer Signal- oder Vorbild-Wirkung auf andere arabische Staaten haben die Umwälzungen in diesen Ländern keine oder kaum Auswirkungen auf andere Staaten oder Regionen.

    Anders in der zweiten Gruppe – im Nahen und Mittleren Osten: Im Jemen geht es nicht allein um die Beendigung der fast 33-jährigen Herrschaft von Ali Abdullah Saleh, sondern auch um die Fortsetzung uralter Stammesfehden, die wachsende Unzufriedenheit im Süden des Landes über die im Jahre 1990 vollzogene Vereinigung mit dem Norden. Hinzu kommt, dass das Land in den letzten Jahren zu einem wichtigen Stützpunkt islamistischer Extremisten geworden ist: Vor zwei Jahren haben sich die saudischen und die jemenitischen Gruppen zur "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" zusammengeschlossen und operieren weitgehend unbehelligt aus dem Jemen. Schließlich ist es um den Aufstand der schiitischen Houthi-Rebellen im Nordjemen zwar ruhig geworden, er kann aber jederzeit wieder Spannungen mit Saudi-Arabien erzeugen und auch den Iran ins Spiel bringen, der die Houthi in der Vergangenheit angeblich bewaffnet hatte. Der Iran mischt im Hintergrund auch in Bahrain mit, wo sich die schiitische Mehrheit gegen das sunnitische Königshaus auflehnt und dieses sich nun – von Saudi-Arabien unterstützt - mit großer Härte dagegen wehrt.

    Und der Iran ist zumindest indirekt auch verwickelt in die Vorgänge in Syrien: Dort gerät die Minderheit der schiitischen Alawiten um Präsident Assad unter wachsenden Druck und reagiert mit brutaler Härte. Und dies könnte sich weiter auswirken auf den Libanon, wo Syrien als großer Patron der schiitischen "Hisbollah" auftritt.

    Oberflächlich betrachtet weist das Bild in Syrien eine gewisse Ähnlichkeit mit dem auf, was man während der zurückliegenden Wochen in Tunesien, Ägypten, dem Jemen, Bahrain und selbst in Libyen beobachtet hat: Demonstrationen gegen Unterdrückung, mangelnde Freiheit und Rechte, gegen Korruption und Machtmissbrauch schlagen um in offene Revolte und Revolution. Und die syrische Staatsführung in Damaskus reagiert darauf mit einer Mischung von dem, was man in den anderen Ländern bisher erlebt hat:

    Einerseits werden Demonstranten mit großer Rücksichtslosigkeit zusammengeschossen – die Anzahl der Todesopfer soll bisher bereits auf weit über 100 gestiegen sein - und jeder neue Zwischenfall ist Auslöser des nächsten blutigen Zusammenstoßes. Andererseits versucht die syrische Führung, sich – und vor allem den 45-jährigen Präsidenten Bashar al-Assad – plötzlich als reformfreudig und konziliant darzustellen: So soll der seit 1963 herrschende Ausnahmezustand aufgehoben werden, so sollen Gehälter erhöht, Korruption bekämpft und Bürgerfreiheiten vergrößert werden. Und als "Geste des guten Willens" hat man nun sogar über 200 politische Gefangene freigelassen – einen Bruchteil der auf mindestens 4000 geschätzten politischen Häftlinge.

    Presse- und Meinungsfreiheit gehörten bis jetzt nicht zum Entgegenkommen des Regimes. Vielleicht, weil man dort selbst meint, besser als bisher könne es gar nicht sein. So kritisierte Präsidenten-Beraterin Bouthaina Shaaban dieser Tage die ausländischen Medien, die falsch und einseitig über Syrien berichteten. Die Gelegenheit einer Pressekonferenz wolle sie nutzen und

    "die internationalen Medien bitten, ehrlich mit Nachrichten und Ereignissen umzugehen. Übrigens: Die Dinge ereignen sich in Syrien. Deswegen ist es das syrische Fernsehen, das die Wahrheit sagt. Und niemand sonst."

    Ausländische Medien werden deswegen auch daran gehindert, frei aus Syrien zu berichten und - wie nicht anders zu erwarten - wie man es in den letzten Wochen besonders aus Libyen kennt, strahlt das staatliche Fernsehen ausschließlich die offizielle Darstellung von Zwischenfällen aus. Wie zum Beispiel vergangene Woche, als die Zusammenstöße in Deraa – unweit der Grenze mit Jordanien – mit der Stürmung der größten Moschee durch die Sicherheitskräfte einen blutigen Höhepunkt erlebten:

    "Die Sicherheitskräfte haben in der Al-Omari-Moschee in Deraa Waffen und Munition gefunden, die für längere Auseinandersetzungen geplant waren und zur Destabilisierung der Lage in Syrien."

    Das offizielle Argument lautet, dass es sich hier um ausländische Kräfte handele, die in Syrien für Unruhe sorgen wollten. Beweise hierfür ist Damaskus bisher schuldig geblieben. Konkrete Beschuldigungen werden bislang nicht erhoben, dazu ist die syrische Führung – im Gegensatz zum libyschen Führer Gaddafi – viel zu klug und erfahren. Sie dürfte wissen, dass die Probleme des Landes in erster Linie hausgemacht sind und dass es vielleicht schon zu spät ist, das politische Überleben mit kleineren Korrekturen zu erreichen. Erst recht aber, dass der bisherige "syrische Weg" – Gewalt und Unterdrückung statt Dialog und Konzession - das Ende nur beschleunigen wird.

    Weil die einheimischen Medien gegängelt werden, erst recht die Vertreter ausländischer Zeitungen und Sender, ist auch in Syrien das Internet zur wichtigsten Informationsquelle geworden. Mit allen damit verbundenen Einschränkungen und Vorbehalten. Etwa gegenüber der Verlautbarung eines Scheich Obeidi, den bisher niemand kannte, der im Internet aber bereits vor 14 Tagen verkündete:

    "Wir vertreten mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung und erklären die Revolution gegen das korrupte Assad-Regime. Wir haben vor Allah geschworen, eine Revolution gegen diesen Diktator, seine Helfershelfer und Söldner zu führen, um ihn loszuwerden. Der Sieg gebührt dem großen syrischen Volk. Während dieses Regime der Tyrannei, Unterwerfung und Korruption Schande und Erniedrigung erfahren wird."

    Es ist nicht überprüfbar, ob solche Aufrufe und Erklärungen echt sind oder reine Propaganda. Aber sie tragen dazu bei, die Stimmung aufzuheizen. Und sie verstärken auch den Verdacht der syrischen Führung, dass hier fremde Mächte am Werk sind. In erster Linie natürlich amerikanische Exilgruppen oder auch Israel. Oder aber religiöse Fanatiker, die dem Regime der Assads – Vater wie Sohn – immer schon Misstrauen und Ablehnung entgegengebracht haben. Was aber noch wichtiger ist als solche Appelle: Über Youtube, Facebook und diverse soziale Netzwerke des Internets werden Bilder und Video-Clips von den bewaffneten Zusammenstößen verbreitet. Und an deren Authentizität besteht kein Zweifel.

    Den syrischen Medien hingegen bleibt nicht viel anderes übrig, als über die kleinen Zugeständnisse und "Wohltaten" aus Damaskus zu berichten und über die breite Solidarität, die die Bevölkerung deshalb gegenüber dem Regime demonstriere. All dies und auch die sich haltenden Gerüchte, Präsident Assad wolle nun vielleicht einige Hardliner seines Regimes austauschen, werden von den Demonstranten und der Opposition im Untergrund oder im Exil nicht ernst genommen. Sie werden auch kaum versöhnlicher gestimmt werden durch den heute bekannt gegebenen Austausch des Ministerpräsidenten. Es war sicher bezeichnend, dass in den letzten Tagen in der Stadt Deraa – einem Zentrum der Unruhen – die Statue von Assad-Vater Hafez gestürzt wurde und nun Plakate des Sohnes abgerissen werden. Bashar, der seit 2000 als Nachfolger des Vaters an der Macht ist, hat das Vertrauen weiter Kreise verloren, die zunächst gehofft hatten, der in London zum Augenarzt ausgebildete junge Mann würde Syrien die Reformen bescheren, die das Land so lange schon erhofft. Die Hoffnung wurde enttäuscht, wie Yusuf al Qaradawi bedauernd feststellt, heute wohl bedeutendster Vertreter des sunnitischen Islam. Qaradawi über Bashar al-Assad:

    "Eigentlich ist er ein gebildeter kluger und junger Mensch, der noch viel tun könnte. Das Problem ist, dass er Gefangener seinesgleichen ist und seiner Konfession. Er kann sich davon nicht lösen."

    Gemeint ist die Einbindung Assads in den von seinem Vater geschaffenen und gepflegten harten Machtkern der syrischen "Baath-Partei" und des Damaszener Machtapparates, in dem weiterhin die alten Männer aus der Zeit von Hafez el Assad das Sagen haben und in dem Mitglieder der alawitischen Minderheit weit stärker vertreten sind als es ihrem etwa zehnprozentigen Bevölkerungsanteil eigentlich zustünde. Weder Vater noch Sohn Assad verfolgen zwar eine religiöse Ausrichtung in ihrer Politik, im Gegenteil. Aber ihre säkulare Haltung – gepaart mit der Minderheiten-Rolle erzeugte immer schon Probleme mit – besonders sunnitischen – religiösen Gruppen.

    Diese eskalierten 1982 in der Stadt Hama, wo das Assad-Regime so brutal gegen angeblich rebellierende Anhänger der Moslembruderschaft vorging, dass dabei bis zu 20.000 Menschen umkamen. Weil dies vor Einführung des Internets und des Satellitenfernsehens geschah, dauerte es lange, bis Details des Massakers an die Öffentlichkeit gelangten. Heute geschieht das zumeist innerhalb von Minuten. Der Härte und Unnachgiebigkeit der Herrschenden in Damaskus hat dies aber keinen Abbruch getan. Selbst wenn man sich heute den internationalen Medien stellen muss, versucht man aber, das eigene Verhalten zu verharmlosen. Assad-Beraterin Bouthaina Shaaban nach den jüngsten Zwischenfällen, bei denen Dutzende von Demonstranten umgekommen sein sollen:

    "Was in Sanamain passierte: Da ist eine bewaffnete Bande in das Polizeigebäude eingedrungen und hat die Waffen gestohlen, dann ist sie zu den Kontrollpunkten der Sicherheit gegangen und hat dort die Waffen weggenommen. Und dann ist sie zum Armeestützpunkt gegangen und hat dort das Feuer eröffnet. Es gab einen Schusswechsel, und es war die Aufgabe des Wachtpostens, die Stellung zu verteidigen."

    Die Gegenseite dringt mit ihrer Botschaft allerdings auch durch. So behauptete Mohamad el Makhamid, ein Mukhtar in der Stadt Deraa in einem Telefonat mit einem ausländischen arabischen Fernsehsender:

    "Die ganze Welt soll sehen, wie die syrischen Sicherheitsdienste einseitig das Feuer eröffnen. Die Medien sollen die Wahrheit verbreiten. Seht, dass da auch Iraner sind."

    Eine Beteiligung von fremden Kräften auf Seiten der Regierung ist bisher allerdings ebenso wenig festzustellen gewesen wie auf Seiten der Demonstranten.

    Eine Lockerung des Regimes erfolgte in den knapp elf Jahren der Herrschaft Bashar al-Assads meist nur an der Oberfläche. In der Sache blieb der Kurs von Damaskus hart und unversöhnlich: im Inneren wie im Äußeren. Was immerhin den Vorteil hatte, dass Syrien eine "berechenbare Größe" zu sein schien und dass es im Land selbst ruhig blieb. Ebenso gegenüber Israel, mit dem Syrien zwar tief verfeindet ist, es aber nicht zu direkten Spannungen kommen lässt. Obwohl Syrien – auf dem Umweg über das westliche Nachbarland Libanon und seine Unterstützung für die schiitische "Hisbollah" dort – immer wieder mal indirekten Druck auf Israel ausübte.

    Syriens Einmischung im Libanon hat Tradition: Damaskus erkannte das Nachbarland erst 2008 an, das es zuvor als "historische Westprovinz" betrachtet hatte. Hisbollah war ein Instrument, um im Libanon stark vertreten zu sein – besonders, nachdem Syrien 2005 seine Truppen von dort abzog. Und Hisbollah wurde – und wird - vor allem vom Iran über Syrien unterstützt. So ungleich Syrien und der Iran auch sein mögen – beide sind enge Partner. Und ein Sturz des Regimes in Damaskus hätte gravierende Konsequenzen für den Iran in einer Region, in der Alliierte rar sind.

    Unruhen und ein möglicher Machtwechsel in Syrien beunruhigen auch die Türkei, die sich seit einiger Zeit um engere Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn bemüht: Mit Syrien gibt es offene Grenzen und relativ freien Handel, eine Eskalation in Syrien könnte dies alles gefährden. Zumal das NATO-Mitglied Türkei dann plötzlich Nachbar eines unberechenbaren Krisenherdes würde.

    Auch Washington kommt diese Entwicklung wahrscheinlich recht ungelegen. Trotz des tiefen Zerwürfnisses, das seit vielen Jahren mit Damaskus herrscht. Präsident Obama hatte einem erneuten Botschafteraustausch mit Damaskus zugestimmt und hoffte, Syrien vom Iran zu entfernen und vielleicht für einen Frieden mit Israel zu gewinnen. Schon vor Ausbruch der Unruhen stand fest, dass dies übertriebene Hoffnungen waren. Jetzt sind die Chancen für solch eine Entwicklung noch geringer. Obama hält sich dennoch zurück: Marschflugkörper wird er kaum gegen Syrien einsetzen – obwohl auch hier – wie in Libyen – ein Herrscher mit Waffengewalt gegen sein Volk vorgeht.

    Washington setzt selbstverständlich auch in Bahrain solche Mittel nicht ein. Obwohl auch dort die Zivilbevölkerung massiv unterdrückt wird - die hier aber mehrheitlich schiitisch ist und von einem sunnitischen Königshaus regiert wird. Der Monarch hat sich sogar - auf Grund der Verträge des "Golf-Kooperationsrates" - Hilfe aus Saudi-Arabien und den Emiraten geholt, um die Unruhen zu unterdrücken. Abdulah Bin Zaed, Außenminister der Emirate:

    "Wir haben bereits ungefähr 500 Polizisten geschickt, die vor Ort sind. Die Saudis sind auch dort, und es gibt andere Golfstaaten, die sich beteiligen werden – außer der bahrainischen Regierung – um Ruhe und Ordnung in Bahrain herzustellen und sowohl der Regierung als auch dem Volk Bahrains zu helfen eine Lösung zu finden, die für das bahrainische Volk am besten ist."

    Was am besten ist – darüber gehen die Meinungen weit auseinander: Nur einige Extremisten wollen Bahrain zu einer zweiten islamischen Republik machen, die meisten der Schiiten Bahrains fordern Gleichberechtigung im politischen Leben, freie Wahlen und Menschenrechte. Das Königshaus will seine Macht erhalten, Saudi-Arabien das Übergreifen schiitischer Unruhen auf sein eigenes Territorium verhindern, und die USA wollen ihre militärische Präsenz in direkter Nachbarschaft zum Iran nicht einbüßen. In Teheran beobachtet man die Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit. Iran und Bahrain haben Diplomaten ausgewiesen, sonst aber reagiert man in Teheran recht zurückhaltend. Parlamentspräsident Ali Larijani:

    "(...) Sie haben die grundlegenden Rechte der bahrainischen Bevölkerung verraten. Man kann die Nervosität der USA verstehen – besonders mit ihrem Marine-Stützpunkt dort. Wenn manche Länder der Region Militär dorthin entsenden, dann geschieht das vielleicht aus Sorge um ihre eigene Macht, aber sie werden dann mit der Wut der Bevölkerung konfrontiert, und ihre Glaspaläste werden Schaden nehmen."

    Teheran dürfte weit davon entfernt sein, sich als Schutzherr der Schiiten in Bahrain anzubieten, aber auch die USA sind sehr leise geworden, obwohl die Rechte der Schiiten dort so missachtet und verletzt werden wie die der Demonstranten in Libyen. Und letztlich ist auch den Sunniten auf der Arabischen Halbinsel und anderswo nicht an einer Eskalation gelegen. Yusef Qaradawai erklärt, warum er zwar immer wieder von Revolutionen in der arabischen Welt spreche, Bahrain dabei aber bisher ausgelassen habe:

    "Die Revolution in Bahrain ist anders als die anderen, weil es eine konfessionelle Revolution ist. Die anderen vier sind Revolutionen des Volkes gegen unterdrückerische Herrscher. Die Revolution in Bahrain ist eine konfessionelle Revolution. Das ist das Problem: Hier geht es um Schiiten gegen Sunniten. Was soll ich sagen – nachdem ich schon als Feind der Schiiten angegriffen werde? Ich bin nicht gegen die Schiiten. Ich bin gegen Fanatismus, gegen Sektierertum und dagegen, die Menschen nach ihrer religiösen Zugehörigkeit zu unterteilen. Deswegen ist die Revolution in Bahrain nicht wie die anderen: Alle Schiiten gegen alle Sunniten. Deswegen ist dies eine sektiererische schiitische Revolution."

    Selbst wenn man diese These akzeptiert: Dadurch werden die Vorgänge in Bahrain – und auch in Syrien – nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil: Hier sind weitaus mehr Faktoren zu berücksichtigen als in Tunesien, Ägypten und Libyen. Und so könnten diese Entwicklungen sehr rasch weiter reichende und gravierendere Folgen haben als das Aufbegehren der Völker in den anderen Ländern der arabischen Welt. In Syrien wurde mit dem Rücktritt der Regierung heute ein kleiner Schritt gemacht, er wird aber kaum reichen und die Unruhen beenden. Denn im Grunde handelt es sich ja nur um den Austausch des Ministerpräsidenten, und es besteht kein Zweifel, dass Präsident Assad weiterhin alles daran setzen wird, das von seinem Vater begründete Regime an der Macht zu halten. Dass das Ausland sich nicht – wie im Fall Libyen – gegen Assad stellt, liegt wohl auch daran, dass es bisher keine klar erkennbare Alternative in Syrien gibt und das Risiko von Chaos auch in Syrien den meisten zu groß erscheint.

    Im Jemen argumentiert der bedrängte Präsident Saleh genau in diese Richtung: Die Opposition biete bisher doch weder personelle noch programmatische Alternativen, und in Bahrain stellt sich diese Frage erst gar nicht. Solche Argumente ändern allesamt nichts an der Tatsache, dass auch der Nahe Osten mitten im Prozess des Wandels steckt, dass der Weg aber noch lang sein wird und das Ergebnis keineswegs sicher ist.

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