Dienstag, 23. April 2024

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Herstellerangaben zum Benzin-Verbauch
"Aus unserer Sicht sind das ungeheuerliche Tricks"

Laut einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) ist der Spritverbrauch vieler Autos deutlich höher als der von den Herstellern angegebene Wert. Für Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland sind das "ungeheuerliche Tricks". Verbrauch und CO2-Ausstoß müssten endlich unter realen Bedingungen ermittelt werden, sagte er im DLF.

Michael Müller-Görnert im Gespräch mit Jan Tengeler | 17.11.2016
    Eine Zapfsäule an einer Aral-Tankstelle in Essen.
    Die meisten Autos verbrauchen deutlich mehr, als die Hersteller angeben. (Imago / Jochen Tack)
    Jan Tengeler: Es lag als Gerücht schon lange in der Luft und jetzt will der International Council on Clean Transportation (ICCT), ein Verbund von Umwelt- und Technikforschern aus verschiedenen Ländern, es in einer Studie belegt haben. Viele Autos verbrauchen auf der Straße fast doppelt so viel Sprit wie in den Verkaufsprospekten der Hersteller angegeben.
    Jetzt bin ich telefonisch verbunden mit Michael Müller-Görnert vom VCD, dem Verkehrsclub Deutschland. Hallo, Herr Görnert!
    Michael Müller-Görnert: Hallo, Herr Tengeler.
    Tengeler: Die Zahlen überraschen Sie nicht?
    Müller-Görnert: Nein, das war ja zu erwarten. Ich meine, wir wissen ja seit Jahren, dass die Kluft zwischen dem, was die Herstellerangaben hergeben, und was auf der Straße tatsächlich verfahren wird immer größer geworden ist. Insofern: Dass wir jetzt wieder einen neuen Höchstwert haben, das hat uns jetzt nicht mehr groß überrascht. Das zeigt einfach nur, dass weiterhin ungeniert getrickst wird.
    "Mit einer Million Fahrzeuge eine sehr große Datenbasis"
    Tengeler: Wie verlässlich sind denn eigentlich die Zahlen des ICCT? Wie messen die?
    Müller-Görnert: Das ICCT beruft sich ja auf Daten von zum einen privaten Autonutzern. Es gibt ja in Deutschland zum Beispiel die Seite Spritmonitor.de, wo Autofahrer dann die selber ermittelten Verbrauchwerte für die einzelnen Modelle angeben können. Daneben gibt es das gleiche auch in anderen Ländern, auch in Frankreich, Großbritannien oder in den Niederlanden. Und zusätzlich sind auch Daten von Firmen eingegangen von Firmenwagen, die durch die Tankkarten natürlich immer genau sehen, wie weit fahren die Autos und was verbrauchen sie. Man hat mit einer Million Fahrzeuge eine sehr große Datenbasis und alle Datenquellen zeigen die gleichen Trends. Insofern sind diese Zahlen belastbar.
    Tengeler: Wie kommt es, dass diese Kluft immer größer wird zwischen dem, was die Autoindustrie angibt, und dem, was dann mehr oder weniger tatsächlich auf den Straßen verbraucht wird?
    Müller-Görnert: Das ICCT hat ja auch noch mal analysiert, wie kommt es dazu, dass diese Diskrepanz zugenommen hat, und gesagt, dass rund drei Viertel der Diskrepanz zwischen Real- und Testverbrauch auf zunehmende Ausnutzung von Schlupflöchern in den bestehenden Testverfahren zurückzuführen ist. Das fängt damit an, bevor ein Fahrzeug zugelassen wird, muss es ja einen sogenannten Zulassungstest bestehen, wo zum einen die Schadstoffgrenzwerte überprüft werden, dass die eingehalten werden, und zum anderen auch der Verbrauch in Form des CO2-Ausstoßes, der direkt miteinander korrelierend ermittelt wird. Wenn man da dann diesen Test zu seinen Gunsten ausnutzt, wie den Rollwiderstand zu verringern von den Fahrzeugen, und dann die Bremsbeläge von den Bremsscheiben ein bisschen weiter zu entfernen, was im Normalfall tödlich sein kann, wenn das Auto nicht rechtzeitig bremst, und die Batterie wird voll aufgeladen, die Karosserieschlitze werden abgeklebt, teilweise fahren die Autos ohne Rückspiegel, um den Rollwiderstand zu minimieren und den Luftwiderstand, das sind all solche Sachen, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben, und aus unserer Sicht sind das eigentlich ungeheuerliche Tricks.
    "CO2-Ausstoß unter realen Bedingungen ermitteln"
    Tengeler: Warum werden diese Schlupflöcher nicht gestopft?
    Müller-Görnert: Man hat zwar jetzt einen neuen Fahrzyklus oder Messzyklus beschlossen, der ab nächstem Jahr eingeführt wird. Der ist auch etwas realitätsnäher. Und man geht davon aus, dass die Diskrepanz zwischen den Herstellerangaben und dem Verbrauch auf der Straße um etwa die Hälfte sinken wird. Aber dennoch: Es wird weiterhin Schlupflöcher geben. Die Hersteller werden da kreativ sein und die Fahrzeuge wieder entsprechend präparieren, zumal wir ja von den ganzen unerlaubten Sachen gar nicht viel wissen, die immer nur stückchenweise wie beispielsweise jetzt bei dem Abgasskandal rauskommen, dass da Programme laufen, dass das Fahrzeug automatisch erkennt, dass es auf einem Rollenprüfstand steht beispielsweise. Da wissen wir ja immer noch zu wenig von und der Nachweis ist schwer zu führen. Nur was wir brauchen ist jetzt, dass man auch wie bei den Schadstoffen endlich den Verbrauch und den CO2-Ausstoß unter realen Bedingungen ermittelt, und da muss klar sein, diese Werte dürfen nicht groß von den Herstellerangaben abweichen. Andernfalls muss das sanktioniert werden.
    Tengeler: Autos verbrauchen mehr Sprit als die Hersteller vorgeben. So jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie des ICCT. Das waren weitere Informationen von Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland. Vielen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.