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Herzberg in Brandenburg
Ein Bürgermeister und sein Reichsbürger

Mit bizarren Anzeigen und Beleidigungen überschüttet ein sogenannter Reichsbürger seit Jahren die Ämter im Städtchen Herzberg in Südbrandenburg. Sein bevorzugtes Opfer ist der Bürgermeister. Die Mauer vor seinem Haus benutzt er als modernen Pranger. Die Menschen im Ort interessiert das Treiben wenig.

Von Vanja Budde | 07.12.2017
    Michael Oecknigk ist Bürgermeister der Kreisstadt Herzberg
    Michael Oecknigk ist Bürgermeister der Kreisstadt Herzberg (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    Die Stadtverwaltung von Herzberg plagt sich mit mehreren sogenannten Reichsbürgern. Einer ist besonders anstrengend, zahlt keine Steuern und Abgaben, überschüttet seit Jahren die Ämter mit bizarren Anzeigen und Anschreiben und den Bürgermeister mit Beleidigungen. Dieser selbst ernannte Reichsbürger wohnt in einem festungsartigen Anwesen in einem Dorf bei Herzberg.
    - "Die Jalousien sind unten."
    - "Nicht ganz. Vielleicht ist er auch irgendwo an der Gardine und beobachtet uns. Und hier ist die Wand, wo er seine Schilder groß aufhängt."
    Die Betonmauer ums Haus des Reichsbürgers ist an die drei Meter hoch, das Grundstück stehe unter Selbstverwaltung, ist auf einem Schild zu lesen.
    - "Hier ist das Tor und da ist eine Klingel dran", sagt Bürgermeister Oecknigk.
    - "Dann klingeln wir da mal."
    Keiner macht auf, nur ein kleiner Hund kläfft. Michael Oecknigk, langjähriger Bürgermeister von Herzberg mit CDU-Parteibuch und seit Jahren bevorzugtes Opfer des Reichsbürgers, unternimmt heute den Versuch, mit dem Mann persönlich über dessen Feldzug gegen die Stadtverwaltung zu sprechen.
    Anschreiben und Fantasiedokumente
    Zuvor im Bürgermeister-Büro im Rathaus von Herzberg, Kreisstadt des strukturschwachen Landkreises Elbe-Elster an der Grenze zu Sachsen: Michael Oecknigk blättert in zwei dickleibigen Aktenordnern, gefüllt mit all den Anschreiben und Fantasiedokumenten des Reichsbürgers.
    "Es belastet einen, wenn dann im Postfach wieder so ein Schreiben liegt oder so eine Forderung oder eine Ablehnung oder ein persönlicher Angriff. Man kriegt schon ein bisschen Angst, das gebe ich ehrlich zu, ist ja auch keine Schande. Was machen wir, wenn so ein Mensch sich eine Waffe besorgt?"
    So wie der selbst ernannte Reichsbürger, der im vergangenen Oktober wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde: Er hatte in Bayern einen Polizisten erschossen. In Halle steht ein anderer wegen Mordversuchs an einem Polizisten vor Gericht.
    Zahlreiche Polizeibeamte stehen am 19.10.2016 in Georgensgmünd (Bayern) vor dem Grundstück eines sogenannten Reichsbürgers.
    In Georgensgmünd in Bayern hat ein Angehöriger der Reichsbürger-Bewegung einen Polizisten erschossen. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    Bürgermeister fordert härteres Vorgehen
    "Ich bin der festen Überzeugung, dass der SEK-Beamte in Bayern hätte leben können, wenn man diesen ganzen Klüngel von Reichsbürgern besser in Augenschein genommen hätte."
    Der Staat müsse sich wehrhaft zeigen, fordert Oecknigk, müsse die Reichsbürger als kriminelle Vereinigung verbieten und hinter Gitter bringen. Mit Beobachten allein sei es nicht getan. Mehrfach habe er den Mann aus seiner Gemeinde angezeigt, wegen Verleumdung und Beleidigung. Vergangenes Jahr im Sommer begann dann endlich das Verfahren, vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda.
    "Wir kommen dorthin, also Polizei, Kreisverwaltung, mein Ordnungsamtschef. Dann kommt die Richterin. Dann ist er vorgegangen, hat ein Schreiben rausgeholt, hat gesagt: 'Gegen Sie liegen von mir vier Anzeigen vor wegen Befangenheit und Sie sind in dem Fall befangen.' Dann ist sie erst mal im Hause unterwegs gewesen, um von einem Richterkollegen sich bestätigen zu lassen, dass das nicht rechtens ist, das Schreiben. Die Staatsanwältin saß daneben und er ist rausgegangen, hat sich verabschiedet und fertig. Wir saßen alle da wie die Deppen."
    Grundstücksmauer als Pranger benutzt
    Der Reichsbürger ist mit verleumderischen Pappschildern auf dem Marktplatz herum gelaufen und er hat die hohe Mauer vor seinem Haus als modernen Pranger genutzt. Hängte dort Plakate auf, mit den Privatadressen und Telefonnummern von Verwaltungsmitarbeitern. Zum Beispiel von Raik-Ellen Flieder, der Kassenleiterin von Herzberg:
    "Angst habe ich nicht, aber hilflos in dem Moment. Alle anderen Bürger müssen ihrer Pflicht nachkommen. In meiner Verantwortung als Vollstreckungsbehörde mache ich das auch, ich kassiere das Geld. Und bei ihm komme ich nirgendwo ran. Und das ärgert mich, dass er einfach so davonkommt und ich ihn nicht greifen kann. Ich möchte ihn greifen, aber ich kriege ihn nicht."
    Zwar wurde der Reichsbürger zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Die hat er aber bislang nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Cottbus nicht bezahlt, das Vollstreckungsverfahren laufe noch. Bürgermeister Oecknigk findet:
    "Wenn wir so handeln, brauchen wir uns nicht wundern, wenn Menschen heutzutage von der Politik, vom Staat enttäuscht sind und sagen: Wir wählen hier irgendwo was Radikales an den Rändern."
    Keine Solidarität mit der Verwaltung im Ort
    Weder Raik-Ellen Flieder noch Michael Oecknigk haben angesichts all der jahrelangen Anwürfe des Reichsbürgers Solidarität erfahren, sagen sie. Die Leute schauten weg. Oecknigk war seit 1994 Bürgermeister von Herzberg. Zur letzten Wahl ist er nicht mehr angetreten, im Januar hört er auf.
    "Ich bin maßlos enttäuscht und ich mache drei Kreuze, wenn ich dann hier aus dem Rathaus rausgehe und dann nicht mehr solche Schreiben kriege von ihm, wenn ich dann als Familie, als Privatmann auch nicht mehr behelligt werde."
    Zurück im Dorf des Reichsbürgers: Im Haus gegenüber geht ein Fenster auf. Der Reichsbürger sei nicht da, sagt ein Nachbar.
    - "Ich kümmere mich bloß um seine Hühner, die er hat, um den Hund, wenn er unterwegs ist. Aber ansonsten… "
    - "Aber das wissen Sie, dass er das macht, mit den Briefen und…?"
    - "Ja."
    - "Und was halten Sie davon?"
    - "Naja, jedem seine Sache. Sag ich mal."