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Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche
Viele Fortschritte, aber auch noch viele offene Fragen

Herzrhythmusstörungen lassen sich heute besser behandeln als noch vor ein paar Jahren. Dennoch bestehen in gewissen Bereichen noch Wissenslücken. Somit fiel die Bilanz der diesjährigen Berliner Herztage gemischt aus.

Von Isabel Fannrich-Lautenschläger | 17.10.2017
    Das Anatomische Modell von einem menschlichen Herz, aufgenommen am 05.09.2012 in der Medizinischen Hochschule Hannover
    Besser behandelbar ist nach Ansicht der Experten mittlerweile auch die häufigste Herzkrankheit: eine Durchblutungsstörung mit anschließendem Infarkt (dpa / Emily Wabitsch)
    Die Bilanz, wie sich Herzerkrankungen heute behandeln lassen, ist auf den Berliner Herztagen gemischt ausgefallen. Fortschritte gibt es etwa bei den Herzklappen. Werden diese mithilfe eines Katheters über die Leiste implantiert, sei das erfolgreicher als ein chirurgischer Eingriff, sagt Professor Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.
    Besser behandelbar ist nach Ansicht der Experten mittlerweile auch die häufigste Herzkrankheit: eine Durchblutungsstörung mit anschließendem Infarkt.
    "Da sind viele Fortschritte erzielt worden, in der Behandlung der Durchblutungsstörung durch Stents, aber auch im akuten Herzinfarkt selbst, sodass jetzt die Sterblichkeit im Herzinfarkt deutlich abgenommen hat.
    Früher im Krankenhaus zwölf, 15 Prozent Sterblichkeit, heute drei, fünf Prozent Sterblichkeit."
    Noch immer unterschätzt
    Werden diese Erkrankungen nicht rechtzeitig behandelt, schwächen sie das Herz. Die sogenannte Herzinsuffizienz wird allerdings immer noch unterschätzt, stellt Professor Norbert Frey fest, Vorsitzender der Ausbildungs-Akademie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie:
    "Also viele, auch sogar ärztliche Kollegen, sagen: Das ist ja ab einem gewissen Alter normal, dass man ein bisschen schwaches Herz hat. Das sehen wir Kardiologen ganz anders. Denn die Herzschwäche ist eine, wenn man sie nicht behandelt, tödliche Erkrankung. Und die hat eine Lebenserwartung wie viele Krebserkrankungen."
    Häufig ist der Herzmuskel allerdings wegen einer erblichen Veranlagung schwach, betont Hugo Katus, Ärztlicher Direktor der Kardiologie an der Uniklinik Heidelberg. Ein Drittel aller Herzschwächen sei familiär bedingt – auch diese Tatsache sei bei Patienten und Ärzten noch zu wenig bekannt.
    "Was sind das für Erkrankungen im Herzmuskel, die zur Schwäche führen? Und da finden wir dann häufig Veränderungen von Eiweißen. Wir sprechen dann von Mutationen, also genetische Veranlagungen. Und das ist ein wichtiges Thema in der Herzmedizin, das wir mehr und mehr verstehen. Die Familie ist das Risiko von jedem. Wenn in der Familie jemand Herzinfarkt hat, ist das Risiko, dass man auch einen Herzinfarkt bekommt, natürlich deutlich höher."
    Chronische Herzschwäche bedingt Folgeerkrankungen
    Mittlerweile kann der Herzmuskel häufig zwar durch Medikamente oder andere Verfahren wie spezielle Schrittmacher wieder gestärkt werden, so die Herzspezialisten. Wenn das Herz aber chronisch geschwächt ist und nicht mehr für ausreichende Durchblutung sorgt, kommt es zu zusätzlichen Erkrankungen wie nächtlicher Atemnot und gehäuften Infekten.
    In diesen Fällen ein Kunstherz oder eine Unterstützungspumpe zu implantieren, halten die Kardiologen trotz verbesserter Technik nur für die zweitbeste Möglichkeit.
    "Nach wie vor muss ein Kabel durch die Haut nach außen geführt werden, sodass die Energieversorgung sicher gestellt ist, und nach wie vor haben diese Pumpen das Problem, dass sie immer zu einer Gerinnungsaktivierung neigen in den Pumpen. Das heißt der Patient muss sehr stark gerinnungshemmend behandelt werden."
    Ein besseres Verfahren stellt nach Ansicht der Experten die Herztransplantation dar. Allerdings warten mehr als 600 Menschen in Deutschland derzeit auf eine Herzspende.
    Warten auf ein neues Herz
    Hugo Katus hat in Deutschland an der Uniklinik Heidelberg die erste sogenannte 'Einheit für schwer kranke Patienten mit Herzschwäche' eingerichtet. Auf dieser Intensivstation werden sie nicht nur von Ärzten und Krankenschwestern, sondern auch von Physiotherapeuten und Sportmedizinern betreut:
    "Auf dieser 'Heart Failure Unit' haben wir jetzt viele Patienten, die natürlich mich auch ansprechen und sagen: Warum eigentlich krieg ich denn kein Herz? Ich warte jetzt schon so lange. Jörg, ein Patient, der jetzt seit 130 Tagen wartet auf das Herz. Er ist Gitarrist, und er hat sich seine Gitarre in die Klinik bringen lassen.
    Warten auf ein Herz klingt ja so einfach. Aber die sind ja ein Jahr lang ans Bett gefesselt, am Monitor, ohne jede Privatsphäre, junge Leute, 30 Jahre, 40 Jahre alt, mitten im Leben. Und das ist einfach nicht akzeptabel."