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Hessen
CDU macht Grünen Koalitionsangebot

Die hessische CDU bietet den Grünen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Landesregierung an. "Wir glauben, dass sich für unser Land eine gute und zukunftsfähige Chance bietet", sagte Ministerpräsident und Landesparteichef Volker Bouffier.

22.11.2013
    In Hessen zeichnet sich nun also die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenland ab. Zwei Monate nach der Landtagswahl beschlossen Vorstand und Landtagsfraktion der hessischen CDU in Wiesbaden einstimmig, Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufzunehmen. Die Grünen wollen an diesem Samstag über das Angebot entscheiden.
    Ein solches Bündnis biete "große Chancen", die CDU verkenne aber auch nicht die Risiken, sagte der CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Volker Bouffier. Es würden sicher "schwierige Verhandlungen". Stimmen die Grünen dafür, sollen die Gespräche möglichst rasch aufgenommen werden.
    Die Neuwahl des hessischen Ministerpräsidenten durch den Landtag soll im Januar erfolgen. CDU und Grüne verfügen im neuen hessischen Landtag zusammen über 61 der 110 Sitze. Für eine rot-grüne Mehrheit hatte es bei der Landtagswahl nicht gereicht.
    Offenbar Lösung im Flughafenstreit
    In den Sondierungsgesprächen fanden CDU und Grüne offenbar auch einen Kompromiss zur Entwicklung des Frankfurter Flughafens und dem Lärmschutz an Deutschlands größtem Airport. Diese Frage hatte als die größte Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis gegolten. Bouffier sagte nun, es sei die gemeinsame Überzeugung von Grünen und CDU, dass alles getan werden müsse, was Lärm mindere und umgekehrt alles unterlassen werden müsse, was die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens mindere.
    Bevor Bouffier die Entscheidung am Abend bekannt gab, hatte der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel diese bereits publik gemacht, Bouffier habe ihm mitgeteilt, dass die CDU Verhandlungen mit den Grünen und nicht mit der SPD aufnehmen wolle, so Schäfer-Gümbel. Er bedauerte die Entscheidung. "Natürlich ist der heutige Tag für die hessische SPD und auch für mich persönlich eine Enttäuschung", räumte er ein.
    Im Deutschlandfunk nannte es Anke Petermann, Landeskorrespondentin in Hessen, eine "einzigartige Indiskretion", dass die SPD die telefonische Absage von Bouffier der Öffentlichkeit mitgeteilt habe. Schäfer-Gümbel habe sich bei seinen Äußerungen offenbar von "Enttäuschung und nicht von Professionalität" leiten lassen, so Petermann.
    Absage wegen "inhaltlicher Differenzen"
    Schäfer-Gümbel sagte, Bouffier habe die Absage an die SPD mit inhaltlichen Differenzen zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten begründet. Der Ministerpräsident habe aber auch klar gemacht, dass sich die CDU mit einem schwarz-grünen Bündnis auf Landesebene neue strategische Optionen eröffnen wolle.
    Der hessische SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel gibt am 22.11.2013 in Kassel (Hessen) ein Statement ab
    Schäfer-Gümbel will die Rolle des Oppositionsführers annehmen. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Die Sozialdemokraten würden die "Oppositionsrolle offensiv und engagiert annehmen". Er selbst werde Oppositionsführer im Landtag, sagte Schäfer-Gümbel. Einen Wechsel nach Berlin zur Bundes-SPD schloss er aus. Auf dem Bundesparteitag in der vergangenen Woche war Schäfer-Gümbel erneut zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt worden.
    Bouffier versicherte, die Entscheidung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sei "keine Absage" an die SPD, "sondern ein Zusageangebot an die Grünen". Die CDU hatte seit der Landtagswahl am 22. September sowohl mit den Grünen als auch mit der SPD ausführliche Sondierungsgespräche geführt. Dabei habe sich gezeigt, so Bouffier, dass es mit den Grünen mehr inhaltliche Übereinstimmungen in landespolitischen Fragen gebe, unter anderem bei den Themen Bildung, Finanzen und in Fragen der Nachhaltigkeit.
    Entscheidung von bundespolitischen Überlegungen geprägt
    Der SPD-Landeschef sieht die Entscheidung für Schwarz-Grün dagegen stark von strategischen Interessen beider Parteien im Bund beeinflusst. "Es ging deutlich mehr um die Frage der machtpolitischen Optionen", sagte Schäfer-Gümbel. Das Ergebnis sei "sehr massiv von der Bundesspitze der Grünen" beeinflusst worden. Bei den Sondierungsgesprächen nach der Bundestagwahl hatte sich eine Annäherung von Union und Grünen auch im Bund abgezeichnet. Die Union entschied sich dann aber für Verhandlungen mit der SPD.
    Angesichts möglicher künftiger schwarz-grüner Bündnisse auch auf Bundesebene forderte Schäfer-Gümbel, die SPD müsse über eine Aufstellung für 2017 und darüber hinaus nachdenken. "Dabei helfen abstrakte Koalitionsdebatten nicht", sagte Schäfer-Gümbel mit Blick auf die auf dem Parteitag beschlossene Öffnung hin zur Linkspartei. Auch in seiner Hessen-SPD habe es "gefühlte Mehrheiten" für Rot-Rot-Grün gegeben. Doch er mahnte, realistisch zu sein: "Es gibt dafür derzeit keine politische Partner."
    Programmhinweis:
    Hören Sie am Samstag im Deutschlandfunk gegen 6.15 Uhr ein Interview mit Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen zur Frage: Schwarz-Grün in Hessen - eine Generalprobe für die Bundesebene?
    Gegen 8.15 Uhr am Samstag äußert sich dazu im Deutschlandfunk auch Anja, Hajduk, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen.

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