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Hessen
Feuerwehrverband und Hausbesitzerverband kritisieren Dämmpraxis

Der Hessische Feuerwehrverband sowie der Hausbesitzerverband Haus und Grund fordern, für die Dämmung von Häusern Kunststoffplatten an den Fassaden zu verbieten. Denn Styropor-Platten sind leicht entflammbar, wenn sie noch nicht verputzt sind oder wenn der Putz Löcher aufweist.

Von Ludger Fittkau | 03.07.2017
    Ein Arbeiter sitzt auf einem Bau-Gerüst und montiert Styropor-Platten an einer Hausfassade.
    Bei der Dämmung von Häusern sollte man bei feuchten Standorten lieber auf eine Putzfassade verzichten - sonst sind schwarze Pilzspuren und grüner Algenbelag garantiert (Armin Weigel / dpa)
    Wie schnell Styroporplatten an Hausfassen in Brand geraten können, wenn noch kein Putz drauf ist oder der Putz beschädigt ist, musste unlängst Robert Persch erleben. Der Mitarbeiter des Umweltamtes der Stadt Heidelberg ist für den Neubau der sogenannten Bahnstadt zuständig - eine der größten Passivhaussiedlungen Europas. Viele Neubauten sind mit Kunststoffplatten gedämmt:
    "Tatsächlich gab es hier schon mal einen Brandschaden. Noch im Bau befindlich. Bei irgendeinem der Baublocks wurde gelötet, geschweißt. Und dann hat sich irgendwo hinter der Dämmung der Brandherd gebildet, war sehr schnell gelöscht und es war im Prinzip ein sehr, sehr kleines Zwei-Quadratmeterfeld, das dann betroffen war. Da musste die Dämmung rausgeschnitten werden und entsprechend neu aufgeklebt und verputzt werden."
    Nicht so glimpflich ab ging es vor einigen Jahren bei einem Fassadenbrand an der viel befahrenen Adickesallee in Frankfurt am Main. Die noch unverputzte Kunststoff-Dämmung geriet in Brand, die Flammen schlugen über die Neubau-Fassade. Daran erinnert sich Ralf Ackermann, der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Hessen, von Beruf Brandinspektor im Kreis Offenbach. Im Namen seines 500.000 Mitglieder zählenden Verbandes fordert Ackermann seit Langem von der Politik, brennbare Kunststoff-Dämmplatten an Außenfassaden zu verbieten:
    "Ja, es gibt bei der Brandsicherheit von Fassaden ganz unterschiedliche Baustoffe. Baustoffe, die auch schwer entflammbar sind. Wir als Feuerwehren streben an, dass hier nicht brennbare Stoffe genommen werden."
    Forderung nach Brandriegeln und schwer entflammbarem Bau-Material
    Zumindest die Erdgeschosse der Häuser sollten umgehend mit nicht-brennbarem Material ausgestaltet werden, fordert Ralf Ackermann. Darüber hinaus sollten sogenannte Brandriegel aus schwer entflammbarem Bau-Material eingesetzt werden, damit eben nicht die gesamte Fassade Feuer fangen kann:
    "Diese sogenannten Brandriegel sollten in jedem Stockwerk eingesetzt sein, das ist eine Forderung, die wir haben, die bisher leider noch nicht umgesetzt ist."
    Wie ein solcher Brandriegel aussieht, erläutert Robert Persch vom Heidelberger Umweltamt am Beispiel der Passivhaus-Siedlung Bahnstadt:
    "Wenn man das bei einem echten Brandfall dann sieht, dass ein ganzes Gebäude anfängt zu fackeln, das kann schon kritisch sein. Ich darf nur geschossweise mit Styropor dämmen, dann muss ich einen Riegel über jedes Geschoss aus einem nicht brennbaren Dämmstoff machen. Das ist in der Regel Mineralwolle, Steinwolle."
    Doch Brandschutzexperten befürchten, dass diese oft nur einen halben Meter breiten Brandriegel die Flammen nicht aufhalten, wenn eine Styroporfassade breitflächig in Brand gerät. Doch die brennbaren Polysterol-Kunststoffdämmungen sind im Vergleich etwa zu Mineralwolle oder Steinwolle billiger, deswegen werden sie auch heute noch großflächig an Fassaden angebracht.
    Berthold Kaufmann ist Mitarbeiter des Darmstädter Passivhaus-Instituts, das Hausbesitzer zu fragen energiesparender Wärmedämmung berät. Aus seiner Sicht ist es ein ökologischer Fortschritt, dass giftige Flammschutzmittel in den Kunststoff-Dämmplatten seit einigen Jahren verboten sind. Damit ist zumindest die Entsorgung des Materials künftig leichter:
    "Wir machen keine Vorschriften über Materialien. Es ist selbstverständlich auch im Polysterol in den letzten Jahren auch was getan worden. Nämlich die Flammhemmer, die bisher eher kritisch waren, die sind jetzt ausgetauscht worden gegen anderes Material, sodass eine ökologische Wirkung deutlich verringert wurde."
    Brandschutz bei Hochhäusern
    Im Klartext: Die Umweltgefährdung durch Flammschutzmittel im Kunststoff ist geringer geworden, doch die Brandgefahr bleibt. Ralf Ackermann, der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Hessen, sieht nicht bei Hochhäusern etwa in Frankfurt am Main die stärkste Brandgefahr:
    "Die Hochhäuser, wenn die baurechtskonform gebaut sind, ab 22 Metern haben in Deutschland eine recht hohe Sicherheit. Die Gebäude unter 22 Metern, für die gibt es keine solchen Vorgaben."
    Für die Gebäudehöhe von 22 Metern und höher ist in Deutschland nicht-brennbares Dämm-Material seit 1984 vorgeschrieben. Doch Hochhäuser wurden auch schon früher gebaut. Das Land Hessen hat deshalb angekündigt, die Fassaden aller zuvor erbauten Hochhäuser erneut auf Brandsicherheit zu überprüfen.