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Hessen
Keine Einflussnahme auf islamischen Religionsunterricht

Hessen hatte als erstes Bundesland islamischen Religionsunterricht eingeführt, unterstützt vom deutsch-türkischen Moscheeverband DITIB. Die Zusammenarbeit geriet aber in die Diskussion, weil eine Einflussnahme des türkischen Staates befürchtet wurde. Nun liegen drei Gutachten vor, die Entwarnung geben, aber nur zum Teil.

Von Anke Petermann | 06.12.2017
    Mehrere Ausgaben des Schulbuches "Mein Islambuch" liegen an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt (Hessen) auf einem Tisch.
    Das Land Hessen stellt die Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband DITIB beim islamischen Religionsunterricht auf den Prüfstand. (dpa / picture alliance / Roland Holschneider)
    Vorerst läuft der islamische Religionsunterricht in Kooperation mit DITIB Hessen weiter, gab der Wiesbadener Kultusminister Alexander Lorz bekannt. Denn: "Wir haben keine Anhaltspunkte für eine konkrete unbotmäßige Einflussnahme von Seiten der türkischen Religionsbehörde oder des türkischen Staates."
    Seine Erkenntnisse stützt der CDU-Politiker unter anderem auf ein Gutachten von Mathias Rohe. Der Professor für Islamisches Recht schließt aus einer intensiven Prüfung, dass weder die staatlichen Lehrkräfte selbst noch DİTİB Hessen, noch die DİTİB-Zentrale in Köln oder die türkischen Auslandsvertretungen in Hessen und Deutschland den islamischen Religionsunterricht instrumentalisiert hätten, um dort politische Inhalte zu verbreiten oder türkische Staatsinteressen zu vertreten. Das war wegen zunehmender staatlicher Repression durch Staatspräsident Erdogan in der Türkei befürchtet worden. Nun also Entwarnung, aber nur zum Teil, konkretisierte Bildungsminister Lorz.
    "Wir haben grundsätzliche Vorbehalte bezüglich der Unabhängigkeit von DITIB Hessen, die nun mal Voraussetzung dafür ist, dass sie als Kooperationspartner für den bekenntnisorientierten Religionsunterricht weiterhin in Betracht kommen. Wir haben sozusagen eine abstrakte Gefahr."
    Keine Garantie für die Zukunft
    Diese abstrakte Gefahr liegt laut Gutachten des Rechtswissenschaftlers Josef Isensee in der "satzungsmäßig verankerten, (…) institutionellen Verbindung" des hessischen Verbandes mit DITIB Köln sowie der Religionsbehörde Diyanet und dem Religionsattaché des türkischen Generalkonsulats. Politische Einflussnahme sei damit grundsätzlich möglich, kommentiert der Freiburger Professor.
    Ein  mit Schülern der ersten Klasse beim islamischen Religionsunterricht.
    Der Islamlehrer Timur Kumlu unterrichtet an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt am Main. (dpa / picture alliance / Roland Holschneider)
    Dass die "direkten Befehlsketten aus Ankara über Köln nach Hessen" bisher nicht aktiviert wurden, sei keine Garantie für die Zukunft. Wenn sie es für politisch geboten hielten, könnten der türkische Staatspräsident und die Religionsbehörde Diyanet jederzeit auf DITIB Hessen zugreifen. Das hessische Bildungsministerium verlangt nun vom Landesverband, die Weisungskette zu unterbrechen und das innerhalb von einem Jahr nachzuweisen: die Satzung solle entsprechend geändert und politisch abhängige Vertretern in den Gremien gegen unabhängige ausgetauscht werden. Falls nicht, würde Hessen die Kooperation beim staatlichen islamischen Schulunterricht aufkündigen.
    DITIB Hessen selbst ist zufrieden damit, dass keiner der Gutachter eine konkrete politische Einflussnahme auf den islamischen Religionsunterricht feststellte, "diese gibt es auch nicht" bekräftigte Landeschef Salih Özkan. Auf hr-info legte er nach: "Wir sind unabhängig. Wir haben die Entscheidungsmacht beim DITIB-Landesverband Hessen und eine direkte Einflussnahme des Bundesverbandes gibt es nicht."
    DITIB Hessen sieht ein Erfolgsmodell
    Und auch nicht die von Professor Isensee bemängelte Weisungskette bis zum türkischen Staatspräsidenten nach Ankara, präzisierte Özkan gegenüber dem Deutschlandfunk. Offen bleibt daher, ob und wie der Landesverband die Auflagen des Bildungsministeriums umsetzt, für die er im Grunde keinen Anlass sieht. Man werde das im Vorstand beraten, sagte Özkan. Insgesamt hält DITIB Hessen den staatlichen islamischen Religionsunterricht für ein Erfolgsmodell. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geht da nur zum Teil mit.
    Gegenüber hr-info sagte die GEW-Landeschefin Birgit Koch: "Uns ist bekannt, dass eine Kollegin im Südhessischen von einer Moscheegemeinde unter Druck gesetzt worden ist, eben nicht den richtigen Islam zu unterrichten und aufgefordert wurde, sich auch anders zu kleiden und herzurichten."
    Diesen Fall kenne er nicht, kommentiert der DITIB-Landesvorsitzende Özkan, die Gewerkschaft hätte das direkt mit ihm klären sollen, findet er. Bildungsminister Lorz will nun unangekündigte Unterrichtsbesuche vornehmen lassen. Sollte eine Einflussnahme durch den Moscheeverein festgestellt werden, müsse DITIB Hessen auch vor Fristablauf mit Konsequenzen rechnen. Also mit einem vorzeitigen Ende der Kooperation beim islamischen Religionsunterricht.