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Hessen
Streit über Wasserversorgung im Raum Frankfurt

Die Wasserversorgung eines neuen Stadtteils in Frankfurt am Main bereitet den Gemeinden im nordöstlichen Vogelsbergkreis Sorgen. Sie fordern, dass die Stadt das Wasser für Toilettenspülungen aus dem Main nimmt - und die Versorgung im ländlichen Raum nicht bedroht.

Von Ludger Fittkau | 16.06.2017
    Junge Männer sitzen in Liegestühlen am Mainufer
    Künftig nicht nur Sonnenbadeplatz, sondern auch Entnahmestelle für Toilettenspülungswasser? Der Main in Frankfurt (dpa/Frank Rumpenhorst)
    In der Schutzgemeinschaft Vogelsberg sind Landkreise und Kommunen des hessischen Mittelgebirges genauso organisiert wie die meisten anerkannten Naturschutzverbände. Aus dem nordöstlich von Frankfurt am Main gelegenen Vulkangebiet kommt ein Großteil des Trinkwassers für die Mainmetropole. Doch die Schutzgemeinschaft Vogelsberg fordert nun von Frankfurt am Main, beim Bau eines neuen, bis zu 30.000 Einwohner zählenden Stadtteils den Verbrauch des Vogelsbergwassers einzuschränken. Der Ökologe Hans Otto Wack leitet die Geschäftsstelle der Schutzgemeinschaft auf dem alten Vulkan:
    "Also, was wir sehen ist, dass aufgrund des Klimawandels hier oben einfach nicht mehr so viel Grundwasser zur Verfügung stehen wird, ohne den Naturraum zu ruiniere. Und deswegen wird die Fernwasserversorgung zwangsläufig eingeschränkt werden müssen."
    Die Schutzgemeinschaft Vogelsberg fordert die Städte im Ballungsraum Rhein-Main auf, stillgelegte eigene Brunnen wieder in Betrieb zu nehmen und das Wasser gegebenenfalls bis zur Trinkwasserqualität aufzubereiten. Überdies müsse beim Bau des neuen Stadtteils in Frankfurt ein Brauchwassersystem errichtet werden, damit etwa die Toilettenspülungen mit Wasser aus dem Main statt mit Trinkwasser aus dem Vogelsberg betrieben werden können.
    Dieser Forderung schließt sich auch das von den Grünen geführte hessische Umweltministerium an. Staatssekretärin Beatrix Tappeser plädiert dafür, Brauchwassersysteme etwa mit Flusswasser in neuen Stadtteilen von Beginn an mit einzuplanen:
    "Es geht dabei natürlich auch um die Investoren oder die Projektierer, die die Stadtteile oder neue Siedlungen bauen. Das ist auch ein ganz wesentlicher Punkt, dass die das auch mit einplanen. Das sind also unterschiedliche Gruppen, unterschiedliche Akteure, die da anzusprechen sind und die dann auch sich dafür verwenden müssen."
    "Vorausgesetzt, im ländlichen Raum ist künftig noch genug Grundwasser vorhanden"
    Um den Streit zwischen Stadt und Land zu schlichten und neue, wasserschonendere Konzepte für die Versorgung des Ballungsraumes zu entwickeln, hat das hessischen Umweltministerium einen sogenannten Leitbildprozess zur Wasserfrage in der Region auf den Weg gebracht. Das ist ein Runder Tisch aller Akteure und Interessengruppen, die von der Wasserthematik berührt sind. Staatssekretärin Beatrix Tappeser:
    "Und wir müssen ja dabei bedenken, dass es jetzt nicht nur Zuzug in Frankfurt gibt, sondern wir sind auch mit Klimawandel konfrontiert. Und das, was da vorhergesagt wird, geht ja in die Richtung, dass wir zum Beispiel heißere und trockenere Sommer erleben werden, wo dann größere Wasserbedürfnisse sind. Das heißt, es wird eine sich verändernde Gemengelage werden und deswegen ist es ganz wichtig, sich möglichst frühzeitig Gedanken zu machen, wie man das gemeinsam gut managen kann."
    Im Vogelsbergkreis gibt es auch Kritik daran, dass neue Wohngebiete sich auf den Ballungsraum Frankfurt und Rhein-Main konzentrieren, und nur dort neue S-und U-Bahnstrecken vorgesehen sind. Mit einer S-Bahn ins Vulkangebiet könnte man junge Familien aus dem Rhein-Main-Raum ins Mittelgebirge locken, da die Bauplätze dort wesentlich günstiger seien als in der Großstadt. So argumentiert Kurt Wiegel, CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Vogelsbergkreis:
    "Uns ärgert das schon. Wir haben gerade hier im Vogelsberg noch viele Kapazitäten für Wohnbaugebiete, und in Frankfurt wird immer mehr konzentriert. Wir denken schon, dass wenn man die Infrastruktur weiterhin ausbaut, auch die Menschen im ländlichen Raum halten kann."
    Vorausgesetzt, es ist im ländlichen Raum künftig noch genug Grundwasser vorhanden, um die grünen Landschaften zu erhalten. Umweltstaatssekretärin Beatrix Tappeser sieht dabei vor allem die Rhein-Main-Städte Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt sowie deren gemeinsamen Wasserversorger "Hessenwasser" in der Pflicht:
    "Es ist so, dass die Städte vielleicht zu wenig drauf achten, wie es auf dem Land geht. Insofern ist es sicher richtig und wichtig, einen guten Interessenausgleich zu finden."
    Beim geplanten neuen Frankfurter Stadtteil beginnt dieser Interessenausgleich mit einem Brauchwassersystem für 30.000 Menschen. Das politische Spiel lautet: Stadt, Land – und in Zukunft auch noch der Fluss. Mit Main-Wasser für die Toilettenspülungen nämlich.