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Hessen
Zweifel an Südlink-Windstromtrasse

Um den Gleichstrom aus norddeutschen Windparks bis ins bayrische Grafenrheinfeld zu transportieren, soll ab 2022 die Stromtrasse Südlink entstehen. Die von Netzbetreiber Tennet favorisierte Trasse soll auch durch Nord- und Osthessen gehen, was dort zu Protesten führte. Nun zweifelt auch Ministerpräsident Volker Bouffier zunehmend am Sinn der Trasse.

Von Ludger Fittkau | 16.02.2015
    Ein Hochspannungsmast in Bayern
    Die Stromtrasse Südlink würde Strom über 800 Kilometer von Wilster bis Grafenrheinfeld transportieren. (dpa / picture-alliance / Sven Hoppe)
    Nach Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geht auch Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) zunehmend auf Distanz zur geplanten Windstrom-Trasse Südlink. Das liegt womöglich daran, dass Bouffier in Nord- und Osthessen großen Widerstand an der eigenen Parteibasis gegen die Trasse wahrnimmt. Auf rund 250 Kilometern soll die neue Stromautobahn durch Hessen verlaufen. Entlang der geplanten Trasse erheben auch viele CDU-Bürgermeister Einwände.
    "Wir werden es nicht mitmachen, ganze Regionen in Aufruhr zu bringen, wenn wir nicht wissen, ob wir die Leitung überhaupt brauchen."
    Dies hatte Bouffier deshalb vor wenigen Tagen bei einer Versammlung von etwa 60 CDU-Bürgermeistern und Lokalpolitikern im hessischen Neuhof gesagt. Zuvor hatte der hessische Ministerpräsident schon des Öfteren die Informationspolitik des Netzbetreibers Tennet kritisiert, der die Südlink-Trasse bauen will:
    "Wir sind auch nicht allein auf der Welt. Das macht ja Tennet. Das ist eine Bundesangelegenheit und dann die Frage: Wie macht man es. Da sind noch viele offene Fragen."
    Trotz dieser offenen Fragen hatte die hessische CDU, die in Wiesbaden mit den Grünen regiert, in der Vergangenheit grundsätzlich zu dem Südlink-Projekt gestanden. Volker Bouffier:
    "Trotzdem ganz konkret: Die hessische CDU sagt ja und die CDU im Gemeindeverband sagt: Nein, das wollen wir nicht, das muss man akzeptieren."
    Doch es sind in Nord- und Osthessen nicht mehr nur einzelne CDU-Gemeindeverbände, die das Südlink-Projekt ablehnen. Notfalls müsse es Umwege für die Trasse geben, um Belastungen für Bevölkerung und Landschaft zu vermeiden, heißt es nun aus der hessischen Staatskanzlei.
    Bürgerinitiative befürchtet Gesundheitsgefährdungen
    Im osthessischen Neuenstein, wo die geplante Stromtrasse in der Nähe der Autobahn A7 verlaufen soll, befürchtet eine Bürgerinitiative besondere Gesundheitsgefährdungen für die Bevölkerung. Lars Niebel, Sprecher der Bürgerinitiative:
    "Es geht um das Feinstaubrisiko direkt bei uns vor Ort. Wir haben die A7 direkt bei uns und dort entsteht ja viel Feinstaub und dieser Feinstaub lagert sich an den Masten beziehungsweise Leitungen an und die Ionen sind dann gesundheitsgefährdend. Die davon ab geweht werden können."
    Lars Niebel fordert bei einer Protestveranstaltung in Neuenstein weitere Untersuchungen zur möglichen Gesundheitsgefährdung, bevor die Südlink-Trasse durch Osthessen gebaut werde:
    "Aus meiner Sicht bestehen durchaus Risiken. Es gibt keine Humanstudien zu diesem Thema Gleichstrom in dieser Größenordnung. Es wurde nichts in Auftrag gegeben vonseiten des Bundes. Solche Studien müssten meines Erachtens erstellt werden, um das überhaupt beurteilen zu können."
    Außerdem rechnet man vielerorts entlang der geplanten Südlink-Stromtrasse mit Einbußen beim Tourismus durch die bis zu 60 Meter hohen Strommasten. Dazu kämen Wertverluste von Immobilien entlang der Trasse, vermutet Jürgen Schäfer, Ortsvorsteher der betroffenen Gemeinde Saasen:
    "In erster Linie befürchten wir, dass es Auswirkungen haben wird auf unsere Immobilienpreise. Zweitens wird es Auswirkungen haben auf den Tourismus, den wir ja hier in unserer Gegend dringend brauchen. Immobilienpreise sind insofern wichtig, weil die Verkäufe dann natürlich zurückgehen werden. Sodass es auch Vermögensverluste geben würde und dadurch sind wir halt auch gegen diese Trasse von Tennet und Südlink."
    Ministerpräsident will Sorgen der Menschen nicht übergehen
    Die Unruhe in den betroffenen Regionen wächst. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier will die Sorgen der konkret betroffenen Bevölkerung nicht übergehen, sagt er:
    "Wer sind wir denn? In der Regel ist die Begeisterung immer bei denen groß, die nicht betroffen sind. Und wenn Betroffenheit ist, das sehen sie an jeder Straße, das sehen sie an Windkraft, das sehen sie an anderen Dingen, dort ist das ein mühsames Bohren."
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die hessische SPD werfen Bouffier nun vor, die Energiewende zu torpedieren. Der hessische SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel spricht von einem "Doppelspiel" der hessischen CDU: Im Landtag werde die Trasse befürwortet und vor Ort sei man dagegen.