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EU-Kommission
Ungarisches Hochschulgesetz auf dem Prüfstand

Das neue ungarische Hochschulgesetz der Regierung Viktor Orban könnte das Aus für eine vom US-Milliardär George Soros gegründete Universität bedeuten. Selbst in der Europäischen Volkspartei EVP, zu der auch Orbans Partei Fidesz gehört, zeigt man sich besorgt. Doch zunächst will EVP-Chef Manfred Weber abwarten, wie die EU-Kommission den Fall beurteilt.

Von Thomas Otto | 12.04.2017
    Proteste gegen das Hochschulgesetz der ungarischen Regierung am 10.4.2017.
    Proteste gegen das Hochschulgesetz der ungarischen Regierung sowie hier am 10.4.2017 in Budapest blieben erfolglos - das Gesetz wurde trotzdem unterzeichnet. (AFP /Attila Kisbenedek)
    Als eine Gefahr für die Freiheit von Forschung und Lehre bezeichnet Forschungskommissar Carlos Moedas das neue Gesetz. Bildungskommissar Tibor Navracsics – Ungar und übrigens auch Mitglied in Orbans Fidesz-Partei – spricht laut ungarischen Medien von der Central European University CEU als eine der wichtigsten Bildungseinrichtungen Europas. Es sei wichtig, dass die Hochschule ihre Arbeit fortsetzen könne. Und auch Justizkommissarin Vera Jourova ist besorgt über die Entwicklungen in Ungarn:
    "Ich fürchte, dass es in Ungarn Bestrebungen gibt, den Einfluss der Zivilgesellschaft zu verringern und den politischen Pluralismus einzuschränken, so sehe ich das."
    Ungewiss, ob Worten der EU-Kommissare Taten folgen
    Ob den Worten der EU-Kommissare nun auch Taten folgen werden, könnte sich heute entscheiden. Dann wollen die Kommissare bei ihrer wöchentlichen Sitzung über die Reform des ungarischen Hochschulgesetzes diskutieren. Schlimmstenfalls könnten sie ein Verfahren auf den Weg bringen, an dessen Ende Ungarn sein Stimmrecht im Europäischen Rat verliert. Justizkommissarin Vera Jourova dämpfte aber bereits die Erwartungen, die Kommission könnte sich einmischen:
    "Ich glaube nicht, dass Verwaltungsschritte oder Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen einen Mitgliedsstaat viel helfen können. Es braucht die Bevölkerung des Mitgliedsstaates, die das Bedürfnis hat, sich zur zukünftigen Entwicklung zu äußern."
    Proteste in der Bevölkerung gegen das Gesetz
    Ein Teil der ungarischen Bevölkerung hat das am vergangenen Sonntag getan: Zehntausende gingen in Budapest auf die Straße und forderten Staatspräsident Janos Ader auf, das umstrittene Gesetz nicht zu unterzeichnen – was dieser am Montag dann aber doch tat.
    Gestern veröffentlichte dann der zuständige ungarische Bildungsminister Zoltán Balog ein Statement. Darin heißt es, er vertraue darauf, dass Brüssel die irreführende Kampagne von George Soros nicht unterstützen werde und zu einer objektiven, unvoreingenommenen Meinung komme, die frei von politischen Interessen sei:
    "Die ungarische Regierung schließt keine Universitäten, auch nicht die Soros-Universität. Die Regierung will für alle Universitäten gleiche Regeln schaffen. Wenn eine Universität Privilegien genießen will, zum Beispiel Abschlüsse von außerhalb Europas aus zu verleihen, dann braucht es dafür internationale Abkommen, die das Parlament ratifiziert. Die CEU wird weiter ungehindert arbeiten können, wenn Ungarn und die USA sich darauf einigen."
    Protest auch in der EVP
    Balog sprach von einer Desinformationskampagne, hinter der er Organisationen vermutet, die von George Soros finanziert werden. Eigentliches Ziel der Proteste sei die ungarische Flüchtlingspolitik. Doch auch aus dem eigenen politischen Lager wird die ungarische Regierung kritisiert. Orban provoziere und teste Grenzen aus, meint etwa der CSU-Politiker Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei EVP im EU-Parlament – zu der auch Orbans Fidesz gehört. Mitglieder anderer Europaparlaments-Fraktionen forderten erneut die EVP, der auch CDU und CSU angehören, auf, sich von Fidesz zu trennen. Fraktionschef Weber will aber zunächst abwarten, wie die Kommission die Entwicklungen in Ungarn beurteilt:
    "Viktor Orban vertritt Minderheitenpositionen in der Partei. Und wir ringen um den Weg. Wir sagen ihm, was geht und was nicht geht. Und entscheidend für uns ist, dass Viktor Orban sich bisher, wenn es um Rechtslagen in der Europäischen Union geht, an Gesamtbeschlüsse der Europäischen Union gehalten hat. Der setzt Europarecht in seinem Land um. Er hält sich an Recht. Er hält sich auch an dem, was wir vereinbaren. Das ist für uns entscheidend: Akzeptiert er die Regeln dieses Clubs?"
    Auf Basis der Kommissions-Meinung werde man das weitere Vorgehen diskutieren. Aus Parteikreisen hört man allerdings: Lieber eine Fidesz in der EVP, auf die man noch Einfluss ausüben könnte, als eine Fidesz, die sich auf Seiten der Radikalen im EU-Parlament schlage.