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Streit um Asylpaket II
"Generelle Regelung war so gewollt"

Der CDU-Politiker Ansgar Heveling hat den Vorwurf zurückgewiesen, es habe im Asylpaket II nachträgliche Änderungen bei der Regelung zum Familiennachzug gegeben. Es sei eine Aussetzung unabhängig vom Alter vereinbart worden, sagte er im Deutschlandfunk. Deshalb überrasche ihn die Reaktion aus der SPD. Von der Änderung sei auch nur eine kleine Gruppe betroffen.

Ansgar Heveling im Gespräch mit Doris Simon | 06.02.2016
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU).
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU). (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Über das Asylpaket II diskutiere man schon seit November, im Januar sei das Ganze präzisiert worden. Da sei die "klare Aussage" gewesen, dass für subsidiär Schutzberechtigte, unabhängig von ihrem Alter, der Schutz ausgesetzt werde. "Insofern ist das verabredet", betonte der CDU-Politiker Ansgar Heveling. Daher überrasche ihn die Reaktion aus der SPD jetzt, zumal die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD über den Gesetzentwurf bereits abgestimmt habe.
    Nur wenige sind betroffen
    Es sei zunächst in der Diskussion gewesen, nach Ablauf von zwei Jahren noch einmal über die Gesetzeslage zu diskutieren und eventuell nachzubessern. Dann sei aber vereinbart worden, das Gesetz nur auszusetzen. Das spreche aus seiner Sicht dafür, so Heveling, "dass man eben diese generelle Regelung so haben wollte".
    Der Innenpolitiker sagte weiter, betroffen sei eine nur ganz kleine Gruppe von 194 Personen. Die meisten bekämen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Im Gesetzentwurf stehe zudem ausdrücklich drin, dass aus humanitären Gründen Familiennachzug doch erlaubt werden könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Doris Simon: Wie gesagt, es gibt wieder Streit um das Asylpaket II. Erst am Mittwoch wurde es im Bundeskabinett beschlossen, jetzt aber wollen mehrere SPD-Abgeordnete die Vereinbarung mit der CDU und der CSU nicht mehr mittragen. Es geht im Detail um den Familiennachzug für Flüchtlinge.
    Diese Verschärfung – der soll ja nicht mehr stattfinden, der Familiennachzug für Flüchtlinge – soll nach dem jetzt vorliegenden Entwurf auch für unbegleitete Kinder und Heranwachsende gelten. Und genau dagegen regt sich der Widerstand bei den Sozialdemokraten. SPD-Chef Sigmar Gabriel gab sich überrascht, er sagte der ARD, mit ihm sei nicht verabredet gewesen, den Familiennachzug für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auszusetzen.
    Am Telefon ist jetzt Ansgar Heveling, CDU, der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages. Guten Tag!
    Ansgar Heveling: Guten Tag, Frau Simon!
    Simon: Herr Heveling, hat die Union da nachträglich was geändert beim Asylpaket II?
    Heveling: Also wir diskutieren über das Asylpaket II ja nun schon seit November, da hat es eine erste Verabredung der Parteivorsitzenden gegeben. Das ist jetzt noch einmal präzisiert worden durch die Parteivorsitzenden im Januar, und da ist die klare Aussage gewesen, subsidiär Schutzberechtigte, bei dieser Personengruppe, unabhängig von der Art und Weise ihres Alters, wird der Familiennachzug ausgesetzt. Und insofern ist das verabredet. Es überrascht jetzt schon etwas, weil eben auch die Bundesregierung insgesamt den Gesetzentwurf ja auch bereits so abgestimmt hat.
    Simon: Sie deuten es ja an, Herr Heveling, da ist schon seit Monaten drüber diskutiert worden, und im allerersten Entwurf stand ganz ausdrücklich auch das Wort "minderjährige Unbegleitete" drin. In der letzten Fassung, das sagten Sie ja, stand es nicht mehr ausdrücklich drin, sondern allgemein wurde das wohl subsumiert unter diesem Begriff "subsidiär Schutzbedürftige" – dazu gehören dann, so nach dem Verständnis, auch die unbegleiteten Minderjährigen. Ist das nicht so ein bisschen so, na ja, nicht ganz geradeaus, dass man es nicht mehr erwähnt?
    Heveling: Es ist so, dass man vereinbart hat, die gesetzliche Regelung für den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, die ja im Übrigen auch erst im August des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist – vorher hat es den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ohnehin überhaupt gar nicht so gegeben –, eben generell auszusetzen.
    Ich habe mitbekommen, dass auch in der Diskussion war – das ist, glaube ich, insbesondere von der CSU eingebracht worden –, nach Ablauf dieser zwei Jahre generell noch einmal über die Gesetzeslage zu diskutieren und eventuell ein neues Gesetz zu machen. Und da ist aber vereinbart worden, nein, wir setzen das Gesetz nur aus. Insofern spricht das aus meiner Sicht dafür, dass man eben diese generelle Regelung so haben wollte.
    "Wir reden per se über eine ganz kleine Gruppe"
    Simon: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die jetzt also mit allen anderen in dieser Regel, in der neuen Regel sozusagen, unter die subsidiären Flüchtlinge zusammengefasst werden, die stehen aber unter einem besonderen Schutz, und die Aussetzung, wenn man die jetzt auch miteinbezieht, die verstößt ja nach Ansicht vieler gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Warum schließt man bei so einer besonders verletzlichen Gruppe den Nachzug von Eltern oder Geschwistern aus?
    Heveling: Jetzt muss man sich die subsidiär Schutzberechtigten erst einmal insgesamt anschauen, wie groß ist die Zahl. Ich hab mir das mal rausgesucht: Im Januar wurden 50.000 Asylanträge in Deutschland entschieden, gut ein Drittel wurde abgelehnt oder hatte sich erledigt, annähernd zwei Drittel bekommen Schutz nach Genfer Flüchtlingskonvention oder Asylrecht, und nur 0,4 Prozent im Januar waren subsidiär Schutzberechtigte. Das waren exakt 194 Personen. Also wir reden per se sowieso über eine ganz kleine Gruppe ...
    "Es heißt nicht, dass nicht aus humanitären Gründen trotzdem Familiennachzug praktiziert werden kann"
    Simon: Ja, aber gerade dann wäre es doch leicht, da zu sagen, da sind wir bei den Minderjährigen großzügig.
    Heveling: Aber es ist ja gerade so, dass wir eben diese unterschiedlichen Flüchtlingskategorien bewusst haben, das Asylrecht nach Paragraf 16a Grundgesetz, wo aus dem Grundgesetz der Schutz der Familie besonders gilt, die Genfer Flüchtlingskonvention als völkerrechtlicher Vertrag, die es eben ganz besonders enthält, dass man Familiennachzug praktizieren darf. Und dann gibt es eben noch die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten, die übrig bleiben, und das ist eben eine kleine Gruppe, für die diese Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention eben gerade nicht gelten, also insofern ist das durchaus stringent, das so zu machen.
    Und im Übrigen – und das steht auch im Gesetzentwurf ausdrücklich drin – heißt es nicht, dass nicht aus humanitären Gründen auch trotzdem Familiennachzug praktiziert werden kann. Das ist sogar ausdrücklich in der Gesetzesbegründung enthalten.
    Simon: Aber wenn das schon drinsteht und wenn es um so wenige geht, warum hat man nicht gesagt, bei den unbegleiteten Minderjährigen erlauben wir, dass Eltern oder Geschwister nachkommen? Das ist ja gerade wichtig für diese Gruppe.
    Heveling: Noch einmal gesagt: Diese Gruppe ist insgesamt schon so klein, dass momentan von den Flüchtlingen – wir haben ja auch bei der Frage der Syrer diese Einzelfallprüfungen gerade wieder eingeführt, und trotzdem bekommen fast alle Flüchtlingsschutz nach Genfer Flüchtlingskonvention. Also insofern bleibt da kaum noch etwas übrig.
    Simon: Vielen Dank für diese Erklärung. Ansgar Heveling, CDU, der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.