Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Hilfe durch den Buzzer

Überfüllte Hörsäle, lange Schlangen in der Mensa: Der doppelte Abiturjahrgang hat Tausende Studierende an die Hochschulen getrieben. In Aachen haben Studierende nun ein Projekt gestartet, um dem Raumproblem Abhilfe zu schaffen. Dabei spielt ein roter "Buzzer" die entscheidende Rolle.

Von Ingo Wagner | 12.02.2013
    11 Uhr 30 vor der Mensa der Fachhochschule in der Aachener Goethestraße. Die Schlange der Studierenden ist lang und der Frust groß. Für Minuten scheint es gar nicht mehr vorwärts zu gehen. Immer wieder sieht man, wie ein Studierender auf eine hüfthohe Säule zugeht und auf den pilzförmigen roten Knopf an der Spitze des Gerätes schlägt. Die Säule ähnelt sehr stark einem der Buzzer, wie man sie aus Spielshows im Fernsehen kennt. Nur an der Fachhochschule Aachen hat dieser Buzzer einen anderen Zweck – durch das Draufdrücken zeigen die Studenten, dass ein Raum überfüllt ist. Der Student Noel Campana hat das selbst schon mehrfach gemacht – denn nach dem langen Schlange stehen kommt er oft kaum noch zum Essen:

    "Wenn man um 11 Uhr 25 in die Mensa kommt und die öffnet erst um 11 Uhr 30, dann kann man eigentlich schon sicher sein, dass man bei uns in der Mensa nicht mehr rechtzeitig in die Vorlesung kommt, wenn man sein Essen nicht reinschlingt. Man kann nicht mehr vernünftig essen, wenn man um zwölf Uhr Vorlesung hat und das hat bei uns fast jeder Studierende."

    Deshalb haben die Studierendenvertreter der FH das Projekt "Zu Voll" ins Leben gerufen, erklärt die ASTA-Vorsitzende Isabella Albert:

    "Wir haben in Erwartung des doppelten Abiturjahrgangs nächstes Wintersemester entschieden, dass wir eine Kampagne zur Kapazitätsmessung in unseren Hörsälen machen wollen, um festzustellen, wie viele Studierende haben wir genau und wo sind sie wann."

    Dreh- und Angelpunkt des Projektes sind die Buzzer vor Mensen und Hörsälen. Studierende reagieren an ihnen nicht nur ihren Frust ab. Die Buzzer sind über das Internet mit der Homepage des Projektes "Zu Voll" verbunden. Dort wird genau registriert, wie oft und zu welchem Zeitpunkt Studierende auf einen Buzzer drücken. Diese Informationen werden jetzt über mehrere Monate gesammelt – so entsteht ein genaues Bild davon, welche Mensen oder Hörsäle immer wieder überfüllt sind. Zu leiden haben unter der schwierigen Raumsituation vor allem die Neuen, weiß Isabella Albert:

    "Wir haben besonders in den unteren Semestern sehr viele Studierende, wir freuen uns auch, dass so viele an der FH Aachen studieren wollen, aber das führt unweigerlich dazu, das, wenn die Kurse doppelt so groß sind und von der Verwaltung in die gleichen Räume gebucht werden, dass diese Räume aus allen Nähten platzen."

    Besonders dramatisch ist die Situation in Vorlesungen für die Fächer Maschinenbau und Elektrotechnik. Vorlesungen wie "Mathematische Grundlagen" sind regelmäßig überfüllt, sagt Benjamin Killewald, selbst Student im ersten Semester:

    "Das war teilweise so, dass selbst die Plätze auf den Treppen nicht mehr gereicht haben, damit alle reinkommen."

    Richtig gute Lehre kann so an der Fachhochschule nicht mehr stattfinden.

    "Es gibt Professoren, die können mit dieser Situation gar nicht umgehen. Überall ist da ein bisschen Lärm, dann entsteht da ganz natürlich eine Geräuschkulisse und dagegen anzulehren ist noch mal eine große Herausforderung für die Professoren."

    Und nicht nur für sie.

    "Gerade in den großen Hörsälen, wenn die dann auch noch voll sind, man merkt das selber gar nicht mehr, wie der Geräuschpegel ist. Irgendwann merkt man nur, dass man den Professor gar nicht mehr verstehen kann, weil da raschelt einer, da quietscht ein Tisch."

    Diese Situation will auch die Fachhochschule selbst ändern. Und dabei können die durch die Buzzer gewonnenen Daten helfen. Denn es sind noch gar nicht alle Raum-Kapazitäten ausgeschöpft worden, weiß Isabella Albert:

    "Wenn wir wissen, in dem großen Raum sind gerade zwar doppelt so viele Studierende wie geplant, aber in einem noch größeren Raum ist ein höheres Semester mit weniger Studierenden, können wir da nicht der Hochschule empfehlen, die Räume umzuplanen, wenn wir durch unsere Erhebung festgestellt haben, dass die Raumnutzung nicht optimal geplant ist?"

    An dem Projekt "Zu Voll" hat sich auch der ASTA der RWTH Aachen beteiligt. Denn die Aachener Elite-Hochschule hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die Fachhochschule. An der RWTH mussten im vergangenen Wintersemester schon Säle in Aachener Kinos für Vorlesungen angemietet werden, weil die vorhandenen Hörsäle einfach nicht mehr ausreichten. Deshalb stehen jetzt auch Buzzer vor den Hörsälen der Technischen Hochschule. Damit werden jetzt an der RWTH und der Fachhochschule Daten gesammelt, die die Studierendenvertreter dann den Hochschulleitungen zur Verfügung stellen. Sie können dann die Raumplanung entsprechend anpassen. Und das ist auch dringend notwendig – denn für das kommende Wintersemester wird ein weiterer Studentenansturm erwartet.