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Hilfe für Studierende aus nicht-akademischen Familien

Wenn die eigenen Eltern nicht studiert haben, fällt Studierende der Start an der Hochschule oft schwer. Ein neues Betreuungsprogramm soll betroffenen Studienanfängern helfen. Sie bekommen einen Mentor aus ihrem Fachbereich zur Seite gestellt, der ihnen bei Fragen hilft.

Von Svenja Üing | 26.04.2013
    Denise Vetter ist 20 Jahre alt und studiert in Bochum Philosophie. Ihre Mutter ist Arzthelferin, ihr Vater Elektro-Ingenieur. Die Eltern freuen sich, dass Denise studiert, und unterstützen sie in ihrem Studium. Wirklich helfen können sie ihrer Tochter nicht:

    "Die haben selbst nicht studiert und können mir nicht helfen, was den Ablauf des Studiums angeht."

    Deshalb hat die Philosophiestudentin jetzt einen Paten: Markus Werning ist Philosophieprofessor an der Ruhruniversität und quasi ihr akademischer Ersatzvater. Bis vor Kurzem sind sich die beiden noch nie begegnet. Jetzt bespricht Denise Vetter alle Fragen rund ums Studium mit ihrem Mentor. So lange, bis sie ihren Abschluss hat:

    Den Kontakt zwischen den beiden hat die Deutsche Universitätsstiftung hergestellt – mit ihrem neuen Förderprogramm für Studierende aus nicht-akademisch geprägten Familien. Die Deutsche Universitätsstiftung, 2009 vom Deutschen Hochschulverband gegründet, vermittelt jedem Tandem-Stipendiaten einen Professor – in seinem Fach, an seiner Hochschule, sagt Geschäftsführerin Cornelia Kliment:

    "Das ganz Besondere von Tandem ist ja, dass unter den 27.500 Mitgliedern, die wir im Deutschen Hochschulverband haben, da konnten wir zugreifen auf jedes Fach, das ein Student, egal wo er studieren wollte, studiert hat. Beispielsweise ein Student aus Regensburg oder einer aus Hamburg, der Medizin oder Jura studiert, dem konnten wir ganz gezielt einen Mentor aus seinem Studienort anempfehlen beziehungsweise dieses Tandem schaffen."

    Philosophieprofessor Markus Werning macht diese Arbeit ehrenamtlich, wie alle anderen Tandem-Mentoren. Und aus Überzeugung:

    "Es ist ein großes Problem bei uns, dass viele Studierende einfach, ja, eine psychische Hürde haben, in die Sprechstunde zu kommen, Professoren direkt anzusprechen, persönliche oder zumindest karrierebezogene Anliegen mit ihnen zu diskutieren. Und ich glaube, da besteht auch gerade der Unterschied zwischen Studierenden, die aus eher akademischen Familien kommen und solchen, die nicht aus akademischen Familien kommen. Und um das zu verbessern, habe ich mich hier engagiert und die Aufgabe übernommen, Frau Vetter zu betreuen."

    Allerdings ist der Zugang zu dem Förderprogramm begrenzt, noch jedenfalls. Nur wer bereits von der Roland Berger Stiftung für sozial benachteiligte Jugendliche gefördert wird oder, wie Denise Vetter, Stipendiat des Studienkompasses ist, kann sich bewerben. Finanziert wird das Programm vor allem vom Generali Zukunftsfonds. Von dem Geld werden auch die regelmäßigen Fortbildungen bezahlt. Denn damit die Arbeit im Tandem für sie ertragreich ist, wurden die Stipendiaten darauf vorbereitet. Saskia Wittmer-Gerber, stellvertretende Leiterin des Studienkompasses, hat die Workshops organisiert:

    "Wir haben darüber gesprochen, welche Fragen man stellen kann und welche Fragen sie auch nicht stellen würden. Was ist das für ein Gefühl, wenn man vor dem Raum eines Professors steht und weiß, ich gehe da jetzt rein und spreche über persönliche Sachen."

    Denise Vetter gehört zu den ersten Stipendiaten des neuen Programms. Insgesamt gibt es bundesweit 31 Tandems. Das wirkt wie ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal das Programm sich auf die Fahnen geschrieben hat, langfristig die Zahl der Studienabbrecher zu reduzieren. Doch Cornelia Kliment, Geschäftsführerin der Deutschen Universitätsstiftung, sieht es eher als Startschuss:

    "Wir möchten am liebsten im nächsten Jahrgang das Doppelte an Studenten aufnehmen und irgendwann einmal tausend Tandems haben."

    Langfristig sollen die Mentoren ihre Stipendiaten aber nicht nur im Studium unterstützen, sondern auch nachhaltig für die Wissenschaft begeistern. Zum Beispiel, indem sie sie zu Fachkongressen mitnehmen, zu denen Studenten sonst kaum Zugang haben. Aber besteht durch diese Sonderbehandlung nicht die Gefahr der Bevorzugung – zum Nachteil aller anderen Studierenden? Cornelia Kliment sieht diese Gefahr nicht:

    "Die Prüfungen, die werden nicht bei ihm abgelegt. Das ist etwas, das wir auch umgehen möchten. Wir möchten nicht, dass es am Ende eine Bevorteilung gibt, die sich in den Noten widerspiegelt. Sondern wir möchten nur, dass er Vorteile hat, die die anderen sowieso zuhause haben."