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Hilfe und Schutz für Flüchtlinge
Beim UN-Gipfel bleibt es unverbindlich

Zum Abschluss des ersten UN-Gipfels zum Schutz von Flüchtlingen wurde eine 22-seitige Erklärung verabschiedet. Ein Durchbruch ist das aber nicht. Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon muss einräumen: Es ist alles höchst unverbindlich. Das soll der nächste Gipfel ändern, zu dem US-Präsident Barack Obama geladen hat.

Von Kai Clement | 20.09.2016
    Das Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River in New York.
    Das Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River in New York. (picture alliance / dpa - Chris Melzer)
    Yusra Mardini hat nie aufgegeben. Nicht einmal 1,60 Meter ist sie groß und hat doch schon Überragendes geleistet. Als bei ihrem mit syrischen Flüchtlingen überfüllten Boot im Mittelmeer der Motor ausfiel und es zu sinken drohte, schob sie es schwimmend zusammen mit ihrer Schwester über drei Stunden lang ans rettende Ufer. "Ich bin hier, um den Führern der Welt etwas Wichtiges zu sagen: Flüchtlinge haben die schlimmste Zeit ihres Lebens. Kein Zuhause. Keine Sicherheit. Noch nicht einmal das Gefühl, irgendwo hinzugehören."
    Yusra hat ein neues - zumindest vorübergehendes - Zuhause in Deutschland gefunden. Gestern aber ist sie in New York, sitzt neben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der ihr heldenhaftes Eingreifen feiert.
    Schicksale statt Statistiken - so versuchen die Vereinten Nationen mehr Verständnis für Flüchtlinge zu gewinnen. Dennoch haben sie gestern trotz der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg mit rund 65 Millionen Menschen lediglich eine unverbindliche Erklärung zu ihrem Schutz verabschiedet. Hilfsorganisationen sprechen von einer verpassten Gelegenheit. Auch UN-Generalsekretär Ban ist nicht ganz zufrieden. "Wir alle hätten uns einen stärkeren Text gewünscht, aber alle 193 Mitgliedsstaaten mussten zustimmen."
    Barack Obama erwartet konkrete Zusagen
    Ein Zeichen also, keine Zusagen. Die aber könnten heute kommen. Denn der eine Flüchtlingsgipfel der Vereinten Nationen ist kaum zu Ende, da beginnt am späten Abend deutscher Zeit bereits der zweite - und zwar auf Einladung des US-Präsidenten. Am Rande der UN-Generaldebatte, zu der New York 140 Staats- und Regierungschefs erwartet, will Barack Obama konkrete Zusagen einsammeln: Geld für humanitäre Hilfe, Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller sagte dazu gestern im ARD-Interview: "Wir lassen Millionen von Flüchtlingen allein und schauen zu, wie sie verhungern, wie wir sie nicht ernähren können, und das ist ein Skandal. "
    Die USA selbst haben einigen Nachholbedarf. Insgesamt dürfen in diesem Jahr zum Beispiel nur 10.000 Flüchtlinge aus Syrien in das Land. Pünktlich zum Treffen in New York hat Josh Earnest, der Sprecher des Weißen Hauses, angekündigt: Das Aufnahmekontingent werde kommendes Jahr für Flüchtlinge insgesamt um gut 30 Prozent auf dann 110.000 Menschen erhöht. Ähnliche Zusagen könnten von anderen Ländern kommen. Was der UN-Hochkommissar für Menschenrechte gestern sagte, gilt auch für den heutigen Gipfel: "Es gibt keinen Grund zur Behaglichkeit. Die bittere Wahrheit ist: Dieser Gipfel wurde einberufen, weil wir weitgehend versagt haben."
    Angela Merkel ist nicht nach New York gekommen. Deutschland ist statt dessen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Entwicklungsminister Müller vertreten. Der fordert angesichts der herausragenden Rolle Deutschlands ebenfalls mehr Solidarität.
    Unterdessen versucht Flüchtling Yusra Mardini noch einmal, das Leben der Vertriebenen zu erklären: Körper seien sie, ohne Seelen, wenn sie ihre Träume zurückließen.