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Hilflos im Alter
Späte Unterstützung vom Amt für Senioren

Von Krankheit gezeichnet bekommt ein jetzt 67-jähriger ehemaliger Selbstständiger keine Unterstützung der Behörden. Weil er von der Versicherungspflicht nichts gehört hat, muss er Behandlungskosten selbst tragen - und verzichtet deswegen auf eine Untersuchung im Krankenhaus. Schlussendlich kann das Amt für Senioren helfen.

Von Tim Schauenberg | 27.07.2017
    Ein alter Mann sitzt an Deck eines Kreuzfahrtschiffes und hält einen Gehstock mit Silbergriff in den Händen.
    Von den Behörden allein gelassen - ohne Versicherung traut sich der Mann im Fallbeispiel nicht ins Krankenhaus. (imago stock&people)
    Angefangen hat alles im Frühjahr 2015 mit einer vermeintlich harmlosen Erkältung. Der heute 67-jährige Klaus Werle, der im wirklichen Leben anders heißt, denkt sich nichts. Erst nach Wochen wird es besser, ein schlechtes Körpergefühl bleibt. "Dann, ja, Juni, Juli. Ein richtiges Krankheitsgefühl. Vor allen Dingen aber: Die Waage zeigte 59, 58, 57 Kilo an und das konnte bei mir nicht sein."
    Klaus Werle fühlt sich immer schwächer und verliert an Gewicht. Zum Arzt ist er bis dahin nicht gegangen, denn: Werle besitzt seit einigen Jahren keine Krankenversicherung mehr. Als Selbstständiger mit geringem Einkommen hätte er sie sich kaum leisten können, sagt er. Von der vor wenigen Jahren eingeführten Versicherungspflicht habe er nichts mitbekommen. Schließlich macht Werle doch einen Termin bei seinem Hausarzt. Er diagnostiziert bei ihm eine Diabetes Typ 2 und verschreibt ihm Tabletten. Die Kosten für die Behandlung zahlt Werle selbst. Die Symptome werden trotzdem immer schlimmer.
    "Ich habe den Arzt dann auch darauf angesprochen. Nach sechs Wochen habe ich gesagt , dieses Medikament wirkt offensichtlich nicht. Ich habe in den sechs Wochen nochmals zwei Kilo abgenommen. Mir geht es auch kein bisschen besser. Da sagte er: 'Nein, wir schauen uns das weiter an.'"
    Vom Amt für Senioren zum Arbeitsamt
    Der Arzt revidiert seine Diagnose nicht. Werle verliert weiterhin an Gewicht. Inzwischen hat er kein Geld mehr, arbeiten kann er schon länger nicht mehr. Seine Versicherung fordert 25.000 Euro Nachzahlung, damit sie ihn wieder aufnehme. Geld, das er nicht hat. Auch beim Amt für Senioren weist man ihn ab.
    "Vom Amt für Senioren wurde ich dann zum Arbeitsamt geschickt und dann sitzt da so ein 25-jähriger 'Tuppes', der nicht mal mein Personalien aufgenommen hat. Wir sind nicht zuständig, hat er gesagt."
    Mit letzter Kraft schleppt er sich von Behörde zu Behörde. Ihm sind die Haare ausgefallen, seine Zähne teilweise abgebrochen. In den Ämtern kann oder will ihm niemand helfen. "Es war keiner mehr für mich zuständig. Ich war ja in irgendeinem schwarzen Loch."
    Angst vor den Krankenhaus-Kosten
    Werles Freunde drängen ihn dazu, sich ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Aber das will er auf keinen Fall. Zu groß die Scham und die Angst abgewiesen zu werden oder durch die Behandlungskosten seine gesamte Existenz zu verlieren. "Weil so ein Krankenhaus ist ein riesen Ding. Ohne versichert zu sein hätte ich mich da nie hin getraut."
    In seinem Umfeld findet sich ein Arzt, der Werle schließlich kostenlos untersucht und feststellt: Einen Diabetes Typ 2 hat er nicht. Er sagt ihm, er müsse sofort in die Notaufnahme. Werle lehnt ab.
    Erst zu diesem Zeitpunkt macht ihn ein Sachbearbeiter im Amt für Senioren darauf aufmerksam, dass eine "Bescheinigung über Erwerbsunfähigkeit" seine formale Situation komplett ändern würde. Der Arzt stellt sie ihm sofort aus. Nur so gelingt es ihm schließlich doch noch, sich über das Amt für Senioren versichern zu lassen. Nun willigt Werle ein, ins Krankenhaus zu gehen.