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EU diskutiert über neue Produkthaftung
Wer haftet für Künstliche Intelligenz?

Wer haftet, wenn ein autonom fahrendes Auto einen Unfall baut? Eine Antwort sollte eigentlich die europäische Produkthaftungsrichtlinie geben. Doch die stammt aus den 1980er Jahren. Deswegen soll sie novelliert und an die Gegebenheiten einer digitalen Wirtschaft angepasst werden.

Von Achim Killer | 16.05.2020
Das Google Car: ein selbstfahrendes Auto im Test.
Die Frage, wer haftet, wenn ein autonomfahrendes Auto einen Unfall baut, beschäftigt die EU (picture alliance / dpa / Google Handout)
In den Gesetzen zur Produkthaftung der EU-Staaten steht im Wesentlichen drin, dass der Hersteller haftet, wenn durch ein fehlerhaftes Produkt ein Schaden entsteht. In einer digitalisierten Wirtschaft stellen sich da drei Fragen:
1. Wer ist der Hersteller?
Etwa, wenn ein 3D-Drucker zum Einsatz kommt? Der, der druckt und somit etwas herstellt. Oder der, der den Drucker hergestellt hat.
2. Was ist ein Produkt?
"Es ist schon umstritten, inwieweit Software unter den Produktbegriff fällt. Und digitale Dienstleistungen, die immer wichtiger werden, fallen ganz sicher nicht unter den Produktbegriff," sagt Professor Christiane Wendehorst von der Uni Wien.
Sie ist Mitglied der Expert Group on Liability and New Technologies, die im Auftrag der EU überprüft, inwieweit die europäische Produkthaftungsrichtlinie im Zuge der Digitalisierung eines Updates bedarf, einer Novellierung. Dass dem so ist, ist unumstritten. Ein Gesetz, das ein Produkt ausschließlich als Sache definiert, passt schlecht in eine Ökonomie, die von Software-Konzernen und Internet-Dienstleistern geprägt ist.
Die Frage nach den Schäden
Und das zeigt sich auch an der unbefriedigenden Antwort, die die aktuellen Gesetze auf die dritte Frage geben, die Frage nach den Schäden, die bei einem Produktfehler ausgeglichen werden sollen:
"Gehaftet wird nur für Personenschäden und manche Sachschäden. In der digitalen Welt geht es aber ganz häufig um reine Vermögensschäden etwa durch das Ausspähen von Kennwörtern oder um Schäden an der Privatsphäre," so Wendehorst.
Ein Mann posiert in einem Rechenzentrum neben Serverschraenken. Berlin, 12.01.2018. Berlin Deutschland *** A man poses in a data center in addition to server cabinets Berlin 12 01 Berlin Germany 2018 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xThomasxTrutschel/photothek.netx
Robuste IT-Lösungen als europäische Herausforderung
Auf der Cyber-Sicherheitskonferenz wurde über Schlüsselbereichen nur mit IT-Produkten von EU-Firmen diskutiert – ein einheitliches Konzept gibt es dafür aber bisher nicht.
Verbraucherschützer treten für eine umfassende Produkthaftung ein, Wirtschaftslobbyisten für eine möglichst geringe Erweiterung der gegenwärtigen Regelung. Es geht allerdings nicht nur um Gruppeninteressen, sondern auch um einen einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum, sagt Christiane Wendehorst. Die Produkthaftungsrichtline gilt EU-weit.
Daneben gibt es aber noch nationale Vorschriften, in Deutschland etwa die Mängelhaftung, in die der Händler genommen wird. Und die Produzentenhaftung, die greift, wenn ein Hersteller schuldhaft gehandelt hat. Delikt-Haftung nennt das der Jurist. Vor allem die Produzenten-Haftung ist in den EU-Staaten sehr unterschiedlich geregelt. Wendehorst sagt:
"Derzeit besteht nämlich ein Nebeneinander von vollharmonisierter Produkthaftung, wie wir sie im Produkthaftungsgesetz finden, und nicht-harmonisierter Delikt-Haftung. Dies hat zu einem Flächenteppich verschiedener Haftungssysteme geführt, sodass es auch im Interesse der europäischen Wirtschaft liegen dürfte, hier ein Level-Playing-Field herzustellen."
Zunehmende Gefahr für Cyber-Sicherheit
Also ein Plädoyer für eine möglichst umfassende Geltung des Grundsatzes, dass der Hersteller für sein fehlerhaftes Produkt haftet, unabhängig davon, ob ihm ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesenen werden kann oder nicht. Die Blockchain und das Internet der Dinge nennen die Juristen von der Expert Group als beispielhaft für Technologien, die eine Novellierung der Produkthaftung erforderten.
Im Internet der Dinge stecken oft fehlerhafte Billigprodukte, die wegen ihrer steigenden Zahl zu einer zunehmenden Gefahr für die Cyber-Sicherheit werden. Und die Blockchain birgt Risiken, weil was in ihr einmal kryptographisch gesichert worden ist, auf unabsehbare Zeit nicht mehr verändert werden kann. Vor allem aber zwinge die künstliche Intelligenz zu einer Neuregelung. Autonome Fahrzeuge und smarte Assistenten stellen eine völlig neue Qualität von Produkt dar. Christiane Wendehorst plädiert denn auch für möglichst umfassende Novellierung der Produkthaftungsrichtlinie:
"Je mehr wir die Produkthaftungsrichtlinie fit machen für die digitale Welt, um so weniger Bedürfnis haben wir für eine eigene KI-Haftung. Je weniger freilich an der Produkthaftungsrichtlinie geändert wird, desto mehr stellt sich die Frage, ob wir nicht neue Haftungskonzepte brauchen."