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Himmlisches Tandem mit Scharfblick

Raumfahrt. - Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin zeigen über tausend Firmen und Agenturen ihre Flugzeuge, Raketen und Satelliten. Im Mittelpunkt dürfte die Deutschlandpremiere des neuen Airbus 380 stehen, doch hinter den Kulissen werden auch die Raumfahrtthemen der Zukunft eingefädelt. So wurde am Mittwoch ein neues deutsches Satellitenprojekt beschlossen, das per Radar die Erde beobachten soll.

Von Dirk Lorenzen | 17.05.2006
    Der mit Hilfe von Satelliten am intensivsten erforschte Himmelskörper ist - die Erde. Erdbeobachtung aus dem All ist seit Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken und geht weit über den Satellitenfilm im Wetterbericht hinaus. Im Oktober kommt mit TerraSAR ein weiterer Satellit hinzu, erklärt Eckard Settelmeyer vom Satellitenbauer EADS Astrium:

    " Dieser Satellit wird Radaraufnahmen aus dem All bereit stellen. Das ist quasi ein bildgebendes Verfahren. Man kann sich genauso gut vorstellen mit einem optischen Sensor zu arbeiten. Der Vorteil von Radar ist ganz einfach: Sie sind unabhängig von Wolkenüberdeckungen und unabhängig von Beleuchtungsbedingungen."

    Je nach Beschaffenheit reflektiert die Erdoberfläche das von TerraSAR ausgesandte Radarsignal unterschiedlich. So erfasst der Satellit, ob er auf einen Wald blickt, ein Maisfeld oder eine betonierte Fläche - und das zu jeder Tages- oder Nachtzeit und bei jedem Wetter. Der Satellit tastet sozusagen aus 500 Kilometern Höhe die Erde ab - und erstellt im Idealfall Bilder mit einer Auflösung von einem Meter.

    " Wir können dann phasengesteuert den Radarstrahl zum Boden richten. Wir müssen, um verschiedene Szenen aufzunehmen, nicht den Satelliten an sich drehen, sondern wir bewegen den Radarstrahl. So wie wir unsere Augen bewegen können, bewegen wir diesen Radarstrahl in einem gewissen Bereich von Szene zu Szene. Das können wir sehr schnell tun, wir können im Sekundentakt umschalten."

    Der Satellit "leuchtet" per Radar die zu beobachtenden Gebiete aus. Seine Daten sind für wissenschaftliche Bereiche wie Ökologie, Geologie oder Hydrologie äußerst wichtig. Eckard Settelmeyer setzt bei diesem Projekt von Anfang darauf, die Radardaten zudem an interessierte Kunden zu verkaufen und damit Geld zu verdienen:

    " Ich mache mal ein Beispiel: Wasserrichtlinien der EU, hier muss kontrolliert werden. Es geht um Infrastrukturplanungen: Wir stellen Kartenmaterial auch thematische Auswertungen zu allen Themen, die eben Landbebauung, landwirtschaftliche Nutzung, Forstwirtschaft, Überschwemmungsgebiete und all diese Regionen beinhalten."

    Heute wurde auf der ILA bekannt, dass TerraSAR nach seinem Start im Oktober nicht lange allein bleiben wird. Denn nach dem Motto "Mit zweien sieht man besser" kommt ein zweiter baugleicher Satellit hinzu: TanDEM-X.

    " Wir wollen in den nächsten drei Jahren diesen Satelliten fertig bauen und diesen dann auf die nahezu gleiche Bahn wie den TerraSar schicken. Aus diesen beiden Satelliten wollen wir ein Interferometer aufbauen, um dann stereoskopisch Messungen durchzuführen, aus denen man eben dann nicht ein zweidimensionales Radarbild erzeugen kann, sondern ein dreidimensionales Radarbild erzeugen kann. Ich habe vorhin den Vergleich mit dem Auge gemacht. Wir haben das eine Auge, das relativ flexibel über die Erde schauen kann. Diesem Auge gesellen wir ein zweites hinzu - der Mensch will ja auch dreidimensional sehen. Mit diesen beiden Augen sind wir dann in der Lage, wirklich Höhenmodelle zu erzeugen."

    Das himmlische Tandem wird in nur 400 Metern Abstand die Erde umkreisen und die gesamte Landfläche der Erde auch in der Höhe auf mindestens zwei Meter genau vermessen. Nach etwa zweieinhalb Jahren liegt dann ein virtueller Globus vor, der die gesamte Landfläche der Erde in allen Einzelheiten zeigt. Solche Daten helfen, Überschwemmungen und Erdrutschen vorzubeugen. Sie sind für den Betrieb von Mobilfunknetzen wichtig, sind Grundlage für den Bau von Überlandleitungen für Strom, Öl und Gas und sind natürlich auch militärisch und sicherheitspolitisch äußerst wertvoll. EADS Astrium und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt finanzieren gemeinsam das gut 210 Millionen Euro teure deutsche Satelliten-Tandem - und teilen sich dann später die Nutzung der himmlischen Erddaten.