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Hinter den feindlichen Linien

IT.- Seit heute läuft in Berlin die 28. Auflage des "Chaos Communication Congress" - das Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs. Im Interview mit Uli Blumenthal berichtet Computerjournalist Manfred Kloiber live aus dem Berliner Congress Center.

27.12.2011
    Uli Blumenthal: "Wir kommen in Frieden", war das Treffen des Chaos Computer Clubs 2010 überschrieben. Ein Jahr später heißt es jetzt "Hinter den feindlichen Linien". Manfred Kloiber, nach der friedlich ausgestreckten Hand im vergangenen Jahr sieht sich der Chaos Computer Club jetzt im Feindesland. Was sagt uns das aktuelle Motto?

    Manfred Kloiber: Ich glaube, dass der Chaos Computer Club, Herr Blumenthal, sich gar nicht so sehr im Feindesland fühlt oder sieht, sondern dass das eher eine etwas hämische Reaktion darauf ist, dass mittlerweile die Politik ja überall vom Cyberwar redet, vom Krieg im Internet. Und das nimmt man mit diesem Motto ein bisschen auf die Schippe. Denn man ist der Meinung, dass es sich keinesfalls um einen Krieg handelt, sondern um Probleme, die man lösen kann - und dass vor allen Dingen die Menschen, wenn sie im Internet surfen, wenn sie dort unterwegs sind, auch wenn sie als Datenreisende unterwegs sind, so wie sich die CCC-Mitglieder ja fühlen, dass sie dort nichts Unrechtes tun und auch nicht an einem Krieg teilnehmen. Also eher eine Antwort auf das, was politisch in Sachen Cyberspace alles so gesagt wird.

    Blumenthal: Lassen Sie uns trotzdem nochmal spielen: Wer sind in der Assoziation die Feinde und was sind die politischen Linien?

    Kloiber: Ich glaube als Hauptfeinde werden diejenigen angesehen vom Chaos Computer Club - wenn die überhaupt diesen Begriff wählen würden - , die versuchen, zum Beispiel über Netzsperren die Freiheit im Internet zu beschränken. Aber auch diejenigen, die einfach dafür sorgen, dass es Unsicherheit gibt, dass eben halt Kriminalität herrscht, dass angegriffen wird, dass Systeme unsicher gemacht werden. Das alles wollen die Hacker ja nicht, sondern sie fühlen sich ja eigentlich als diejenigen, die durch das Aufspüren von Sicherheitslücken zeigen, wie man etwas sicherer machen kann. Also die Feinde sind für den Chaos Computer Club bestimmt die Menschen, die das Netz aus niederen Motiven oder aus Eigennutz unsicher machen.

    Blumenthal: Auf dem Treffen geht es ja in der einen Richtung um technische Themen, die Veranstaltung ist aber auch politisch. Wie politisch ist sie im Jahr 2011?

    Kloiber: Ich würde sagen sehr. Der Eröffnungsvortrag ging zum Beispiel über die süße Hochzeit zwischen Diktatoren und westlicher Überwachungstechnologie. Also der Arabische Frühling zum Beispiel, vom dem ja viele meinen, dass Facebook hier sehr viel dazu beigetragen hat, dass sich die Leute organisieren können, ist die eine Seite. Auf der anderen Seite gibt es eben halt sehr, sehr viel Technik, die nur dazu dient, Meinungen zu unterdrücken - ein großes Thema hier, was die Leute sehr interessiert hat. Aber natürlich war auch der Staatstrojaner heute Mittag hier ein großes Thema. Das bewegt einfach die CCC-Mitglieder und sie finden es gut, dass hier der Club eine derartige Aufklärerrolle übernommen hat.

    Blumenthal: Sie sind gerade aus einem Vortrag gekommen, wo es um die Frage geht: "Kann man einen Zug hacken?" Kann man einen Zug hacken?

    Kloiber: Ich war froh, dass ich überhaupt reingekommen bin. Man wollte mich gar nicht erst reinlassen, weil der Saal überfüllt war - so sehr hat das Thema die Leute interessiert. Es geht im Prinzip darum, dass auch die europäischen Bahnen, sich, was die Signalisierungs- und die Sicherheitstechnologie angeht, immer mehr angleichen, dass sie eben auf einheitliche Standards setzen. Und vor allen Dingen: Weil die Züge ja mittlerweile so schnell fahren, nicht mehr die standardisierte Signaltechnik am Gleisrand eingesetzt werden kann, sondern dass alles in die Züge reingefunkt werden muss. Und da wird GSMR benutzt, also eine Variante des normalen Mobilfunksystems. Und als das gesagt wurde, haben hier ganz viele Leute im Saal gelacht. Das hieß also: ausgerechnet GSM - dieses unsichere Netz wird dazu benutzt, um Meldungen zu übertragen. Also da gibt es Skepsis - auch darüber, wie zum Beispiel Sicherheitsfragen von der Bahn überhaupt angegangen werden. Denn bislang ging es bei der Bahn eigentlich mehr um Zuverlässigkeit. Jetzt geht es mehr und mehr um Sicherheit, da die Bahnnetze angreifbar geworden sind.

    Blumenthal: Bekannt geworden ist ja in diesen Tagen der Angriff auf das US-Unternehmen Stratfor und die Veröffentlichung von Kreditkartendaten im Namen von Anonymous. Ist das ein Thema auf dem Treffen des Chaos Computer Clubs?

    Kloiber: Offiziell nicht. Es steht hier nicht auf dem Programm, weil es ja auch relativ kurzfristig ist. Aber inoffiziell wird da natürlich viel drüber diskutiert. Man diskutiert auch, ob das richtig ist, jetzt ausgerechnet dieses Unternehmen, was ja im Sicherheitsbereich auch durchaus aufklärend unterwegs ist ... dass es dieses Unternehmen getroffen hat. Aber was klar ist: Man weist immer wieder darauf hin, dass quasi keine Technologie, vor allen Dingen so wie sie praktiziert wird, sicher genug ist und vor allen Dingen auch, dass der Faktor Mensch und auch die Ressourcen, die eingesetzt werden für Sicherheit immer wieder Lücken aufbieten. Deswegen ist es hier ganz klar Gesprächsthema, aber kein offizielles.

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