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Hinz: Zypriotische Bankkunden müssen an Staatsrettung beteiligt werden

Statt einer dauerhaften Sparorgie wie in Griechenland befürwortet Priska Hinz die einmalige Abgabe von Kleinsparern in Zypern. Daneben müsse die Zypern-Hilfe auch Geldwäscheregeln beinhalten sowie das Steuerdumping auf dem Inselstaat angehen, sagt die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen.

Priska Hinz im Gespräch mit Peter Kapern | 16.03.2013
    Peter Kapern: Stellen Sie sich mal vor, Sie wären heute früh wach geworden und Ihr sauer Erspartes auf der Bank wäre über Nacht um sechs oder gar zehn Prozent geschrumpft! So erging es heute früh vielen Menschen, die ihr Geld bei Banken auf Zypern liegen haben. Sicherlich, einige davon leben in Russland und die spüren es wahrscheinlich nicht einmal, wenn ihr Millionenvermögen um zehn Prozent schrumpft, aber das, was die EU-Finanzminister da in der vergangenen Nacht beschlossen haben, das trifft auch kleine Sparer. Zypern erhält zehn Milliarden Euro, damit das Land nicht bankrott geht, gleichzeitig müssen aber auch die Kunden der zyprischen Banken fast sechs Milliarden zur Rettung der Inselrepublik beisteuern.

    Bank-Run, so nennen es Experten, wenn Sparer massenhaft in die Banken stürmen und ihr Geld abheben wollen, bevor es sich in Nichts auflöst. Was heute Morgen auf Zypern zu erleben war, das war noch kein ausgewachsener Bank-Run, aber viele Sparer versuchten, ihre Konten zu räumen, und sie waren stinksauer, weil sie zur Rettung ihres Landes beitragen sollen.

    In zahlreichen Mitgliedsstaaten der EU muss dieses Rettungspaket noch von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden, auch in Deutschland. Die SPD hatte im Vorfeld damit gedroht, erstmals im Zuge der Euro-Rettung ihre Zustimmung zu versagen, wenn nicht bestimmte Bedingung erfüllt werden. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück reagierte heute früh so auf die nächtliche Einigung:

    O-Ton Peer Steinbrück: Allein die richtige Richtung, die ist nicht genügend. Und ich kann im Augenblick nicht ermessen, aus dem Stand heraus, inwieweit Kleinsparer betroffen sind, sondern es geht darum, dass Zypern einen anderen Weg gehen muss mit Blick auf das Problem der Geldwäsche, mit Blick auf Dumpingsteuersätze, mit Blick auf einen völlig überdimensionierten Bankensektor. Es wird auch seine eigene Einnahmebasis verstärken müssen, weshalb die SPD sagt, warum führen die nicht eine Finanztransaktionssteuer ein? All dies wird abzuprüfen sein.

    Kapern: Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD. Und bei uns am Telefon ist nun Priska Hinz, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Tag, Frau Hinz!

    Priska Hinz: Ja, guten Tag!

    Kapern: Wie bewerten Sie denn die Einigung der vergangenen Nacht?

    Hinz: Na ja, wir haben noch eine konkrete Unterrichtung des Finanzministeriums ausstehen zu den Ergebnissen von heute Nacht, und schriftlich liegt uns noch gar nichts vor, sondern voraussichtlich erst zu Beginn nächster Woche. Von daher müssen wir uns oder muss ich mich bislang auf die Veröffentlichungen über die Presse stützen.

    Kapern: Aber wir sind ganz zuverlässig, Frau Hinz!

    Hinz: Wunderbar! Also, bemerkenswert ist der Schritt, Einleger zu beteiligen. Es ist aber aus unserer Sicht ein notwendiger Schritt. Wir haben ja immer gesagt, es muss das Ziel der Schuldentragfähigkeit für Zypern gewährleistet werden durch ein Rettungsprogramm. Das bedeutet einmal, dass der Bankensektor geschrumpft werden muss und dafür eben auch die Einleger beteiligt werden müssen. Das scheint jetzt der Fall zu sein. Wir brauchen aber zweitens Geldwäscheregeln, die nicht nur beschlossen werden, sondern die auch umgesetzt werden. Da steht der Bericht noch aus, inwiefern Zypern dieses bereits tut. Und was die Frage des Steuerdumpings angeht: Das ist zwar richtig, dass die Unternehmenssteuern jetzt von zehn auf 12,5 Prozent angehoben werden sollen, das ist irisches Niveau, ist noch nicht mal besonders hoch, aber die Frage ist ja, ob zum Beispiel die Trusts und Holdings steuerfrei bleiben. Das würde dann also nicht helfen, wenn man die Unternehmenssteuern hochsetzt, weil, zwölf Prozent von nichts macht genau so viel wie zehn Prozent von nichts. Also, damit würde die Einnahmebasis Zyperns nicht gestärkt. Von daher verhalten-optimistisch, aber mehr nicht!

    Kapern: Ich würde gerne noch mal einige Punkte, die Sie gerade genannt haben, aufgreifen: Also, da war ja in den letzten Monaten immer viel von dem russischen Schwarzgeld die Rede, das in Milliardenbergen bei zyprischen Banken untergebracht worden ist, und deren Besitzer sollten unbedingt beteiligt werden an der Rettung der Insel. Und nun stellt sich heraus, dass Otto Normalzyprer bluten muss, Kleinsparer für das Geschäftsgebaren ihrer Banken. Halten Sie das für richtig?

    Hinz: Nun, es werden ja die Einleger über 100.000 Euro beteiligt mit 9,9 Prozent einmalige Abgabe ...

    Kapern: Aber wer nur 2000 Euro da liegen hat oder 1000 Euro, der wird mit 6,75 Prozent beteiligt!

    Hinz: Das ist richtig, aber der Bankensektor ist zu groß in Zypern, er beträgt 800 Prozent der Wirtschaftsleistung und der ...

    Kapern: Aber diese Kleinsparer sind ja nicht die Bankenbesitzer!

    Hinz: Es sind nicht die Bankenbesitzer, aber die Großsparer, die Großeinleger sind auch nicht die Bankenbesitzer. Und wir haben nun mal fest und hart die Kondition gestellt - die Opposition im Bundestag -, dass nicht die Steuerzahler der Rettungsländer in erster Linie für die Bankenrettung zuständig sind, sondern diejenigen, die bei den Banken ihre Einlagen haben. Und anscheinend ist es so, dass die Schuldentragfähigkeit nicht gewährleistet werden kann, indem man die Einleger über 100.000 allein beteiligt, sondern eben auch diejenigen darunter. Das werden wir abzuprüfen haben, wenn uns die Schuldentragfähigkeitsanalyse vorliegt. Aber ich halte das generell für einen richtigen Schritt.

    Kapern: Aber bei den ganz normalen Zyprern wird die EU jetzt mächtig beliebt werden mit dieser Regelung!

    Hinz: Ja, aber das Geschäftsmodell Zyperns ist schlicht und einfach gescheitert und das müssen auch die zyprischen Einwohner anerkennen. Es kann nicht sein, dass man ein Geschäftsmodell darauf ausrichtet, dass man einen zu großen Bankensektor hat, dass man Steuerdumping betreibt, dass man Geldwäscheregeln umgeht und damit eben möglichst viel Kapital anlockt! Damit hat Zypern bislang gut gelebt, aber es hat sich ja gezeigt, dass dieses Modell zum Scheitern verurteilt ist. Und jetzt werden nun alle herangezogen zur Rettung und nicht nur diejenigen, die die Rettungsmilliarden bereitstellen, sondern auch diejenigen, die im Land wohnen. Und ich glaube, dass eine einmalige Abgabe, so bitter das auch ist, wahrscheinlich sinnvoller ist als eine dauerhafte Sparorgie, wie wir es zum Beispiel in Griechenland erlebt haben.

    Kapern: Ein Steuersatz von 12,5 Prozent für Unternehmen auf Zypern - würden Sie das als Ende des Steuerdumpings bezeichnen?

    Hinz: Nein! Nein, das kann nur ein erster Schritt sein im Hinblick auf einen durchschnittlichen Steuersatz, den wir in der EU haben müssen bei Unternehmenssteuern. Aber immerhin ist Bewegung drin. Zypern hat erkannt, dass sie Einnahmen generieren müssen, aber wie gesagt, das kann nur ein Einstieg sein und die Frage bleibt offen, ob über Holdings und Trusts selbst diese Steuern umgangen werden können. Da werden wir Fragen an das Bundesfinanzministerium haben, die müssen beantwortet werden. Und das geht in die Abwägung mit ein, ob dieses Rettungspaket überhaupt sinnvoll ist.

    Kapern: Nun spüre ich in Ihren Antworten noch ein wenig Zögern bei der Frage, ob die Grünen am Ende des Tages dieser Regelung im Bundestag zustimmen werden. Nehmen Sie eine Wette darauf an, dass die Grünen doch Ja sagen werden?

    Hinz: Nein, die Wette nehme ich noch nicht an, da mache ich auch noch keine Wette, weil wir tatsächlich im Moment zu wenig Detailinformationen haben. Und wir können nur mit allen umfassenden Informationen und vor allen Dingen mit den schriftlichen Unterlagen erst abwägen, ob es Sinn macht, diesem Rettungspaket zuzustimmen. Es geht vom Volumen her nicht um deutscher Mittel, das ist richtig. Wir haben für Portugal und Irland größere Summen bereitgestellt. Aber es geht ja bei der Frage darum, wenn wir deutsche Steuermittel als Bürgschaft zur Verfügung stellen, ob wir die Möglichkeit ins Auge fassen, von diesem Geld erstens etwas wiederzusehen und zweitens die Länder tatsächlich zu dem Ziel zu führen mit unserer Unterstützung, ihre Schuldentragfähigkeit auf Dauer zu gewährleisten. Und das ist im Moment mit den Informationen, die mir vorliegen, noch nicht absehbar.

    Kapern: Priska Hinz, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag heute Mittag im Deutschlandfunk. Frau Hinz, danke, dass Sie Zeit für uns hatten!

    Hinz: Gerne, Wiederhören!

    Kapern: Schönen Tag!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.