Freitag, 29. März 2024

Archiv

Hip-Hop Convention
Kein Gedisse für krumme Reime

Seit der ersten anerkannten Hip-Hop-Single Rapper's Delight aus dem Jahr 1979 ist viel passiert: Zig Generationen an Rappern und Produzenten prägten das Genre auf ganz verschiedene Art, auch hierzulande. In Berlin fand die erste Hip-Hop Convention statt - zur Freude von jungen, alten, männlichen und weiblichen Nachwuchs-Rappern.

Von Florian Fricke | 27.04.2015
    Zwei junge Rapper bei der Hip-Hop Convention in Berlin
    Die erste Hip-Hop Convention fand in Berlin statt (deutschlandradio/ Florian Fricke)
    "Ein Mikrofon hält man so. Nicht so wie Comedy, nicht so wie Mario Barth, sondern so, okay? Und ein Finger Abstand. Gerade, okay? So, let's go."
    Drob Dynamic, erfahrener MC aus Berlin, gibt einen Rap-Workshop. Das gute dutzend Teilnehmer steht mit ihm in einem Kreis. Die meisten sind, wer hätte es gedacht, Jungs, vielleicht vierzehn bis sechzehn Jahre alt. Ein Mädchen hat sich getraut und ein älteres Pärchen, bei dem man sich nicht ganz sicher ist, ob sie wegen ihrer Kinder hier sind. Er macht den Anfang:
    "Freunde sagen, ich will mich nicht so stressen
    doch der Chef sagt; ich muss es einfach fressen
    zu schnell wurde ich viel zu alt
    das Leben ist einfach nur noch kalt"
    Veranstaltung auch bei Mädchen beliebt
    Ein erster Versuch, warum nicht. Gedisst, also beschimpft, wird hier niemand wegen eines krummen Reims, im Gegenteil. Mitmachen soll man auf dieser ersten Hip-Hop Convention, ob rappen, an Beats schrauben, beatboxen, Graffiti sprayen oder tanzen und sich dabei von einer professionellen Kameracrew aufnehmen lassen. Das haben Isa und Danny aus Rostock gemacht, fünfzehn und sechzehn Jahre alt. Von der Convention sind sie ziemlich beeindruckt.
    "Is cool?" - "Ja, ist auf jeden Fall geil." - "Was macht ihr jetzt noch den ganzen Tag hier?" - "Rumlaufen..." - "Vielleicht ein bisschen shoppen..." - "Auf jeden Fall ein paar Fotos mit irgendwelchen coolen Leuten machen" - "Und vielleicht ein paar Tanzschritte sich noch abgucken." - "Ach so, man guckt sich auch ab?" - "Ja, natürlich. Man muss ja auch dazulernen." - "Was war das jetzt? Freestyle?" - "Ne, wir tanzen Duo zusammen. Hip-Hop." - "Wie lang habt ihr euch vorbereitet?" - "Vier Monate?" - "Bestimmt schon ein halbes Jahr."
    Man sieht überhaupt viele junge Mädchen auf der Veranstaltung, was nicht selbstverständlich ist, denn Hip-Hop ist auch im Jahr 2015 auf vielen Ebenen eine Machoveranstaltung. Paul Seelhorst ist Veranstalter der Hip-Hop Convention und glaubt dennoch an ein familienfreundliches Produkt.
    "Hip-Hop hat immer diesen gewissen Flair von Gangsta und düster und so was. Aber wir haben eine sehr gute Mischung hinbekommen. Ich finde, Gangsta-Rap gehört auch dazu. Ist eine gewisse Atmosphäre, die da vorkommt, wie bei einem geilen Film, einem geilen Gangstafilm. Und ja, ich glaube jetzt ist für jeden was dabei."
    Stichwort Gangsta. Einer der Höhepunkte ist der Battle-Rap auf der Hallen-Bühne, bei der zwei Berliner Veranstaltungsreihen das erste Mal zusammen gemeinsame Sache machten. Battle-Rap gehört zu den ältesten Formaten der Rap-Kultur, eine Art Boxkampf mit Worten. Und wie beim Boxen geht es nicht um persönliche Gefühle gegenüber dem Gegner, sondern die Texte zielen auf Kunstfiguren, die hinter den Protagonisten stehen. Der ahnungslose Außenstehende ist jedenfalls fasziniert von der Intensität, ihm steht aber auch schnell der Mund offen angesichts dieses Maschinengewehrfeuers krassester Schmähungen. Der folgende Ausschnitt ist noch harmlos:
    "Du bist so eklig, so eklig, du bist kein Mann. Jeder soll wissen, was für ein Faker du bist.
    In der BMCL hast du jedes Battle verloren - wie basic, du Bitch."
    "Und gerade du Vollidiot hältst dich für den Parade-Splitter. Mann, 50% deiner Texte lassen sich mit einem Namen zusammenfassen: Adolf Hitler.
    Mann du mit deinen Scheiß-Hitlerrhymes! Seit der ersten Saison, Mann, wie kann man nur so behindert sein?
    In jeden deiner Kackbattles packst du diesen Hitler rein. Das grenzt schon an Wahn, Mann. Du bist wirklich hitlergeil.
    Und was hat diese Scheiße denn mit Hip-Hop zu tun? Und wenn ihr auch meiner Meinung seid, dann könnt ihr jetzt mal richtig krass buhen."
    "Macht halt übelst Spaß"
    "Ich bin Bong Teggy. Das ist mein Kampfname." - "Du machst das erst seit einem Jahr?" - "Das ist richtig." - "Krass." - "Dankeschön." - "Wie hieß dein Gegner?" - "P-Zak heißt der." - "Wie bereitet man sich vor?" - "Ja man guckt sich alles vom Gegner an, und dann guckt man, warum er der größte Spast auf dem Planeten ist. Und das sagt man dann irgendwie. Also Beleidigungen an sich sind etwas langweilig. Wenn du ein bisschen mehr in die Tiefe gehst und dann merkst, dass es den anderen trifft und so ein bisschen analysierst, das empfinde ich immer am schönsten." - "Wie bist du dazu gekommen?" - "Ich hab eine Wette gesichert. Ich hab gesagt, ey, ich mach da mit, und alle meinten so, ja.ja, auf jeden, laber nicht. Und dann habe ich doch mitgemacht. Dann haben es alle gefeiert, und dachte ich mir okay, dann mache ich das jetzt." - "Also eigentlich ist das gar nicht deine Welt, Hip-Hop?" - "Ne, meine Welt nicht so wirklich. Macht halt übelst Spaß. Du brauchst nichts. Du brauchst Stift und Papier und kannst allein in deinem Zimmer so viel Spaß haben, das ist der Wahnsinn. Also in dem Sinne, gereimt habe ich immer schon gerne, also ja."
    In der Halle ansonsten eine kunterbunte Mischung an Ausstellern: Viel Mode natürlich und was sonst der Community wichtig ist: Aufkleber, Technik, also Mischpulte und mobile Lautsprecherboxen. Zwei ganze Friseursalons sind anwesend, und es wird auch nicht zu knapp tätowiert. Dazwischen ist sogar eine Bank auf Kundenfang, nun ja. Alle scheinen Spaß zu haben, auch wenn die Akustik in der Halle ziemlich mies ist und der einzige Essensstand schon Wartemarken verteilt. Drob Dynamic, der vorhin schon den Rap-Workshop geleitet hat, klatscht einen nach dem anderen ab:
    "Ich finde es auf jeden Fall ein coole Mischung von Hip-Hop, Jam mit Messestimmung. Man trifft ganz viel Kollegen, die man kennt - halli hallo - man läuft sich über den Weg, man hat sich lang nicht gesehen. So wie ein kleiner Hip-Hop-Kindergarten, so reunionmäßig."
    Dann spielt er noch auf der Open-Air-Bühne. Mehr als dreistellig dürfte die Besucherzahl nicht sein, aber für solche Fälle gibt es ja die Sponsoren. Jedes Jahr soll die Hip-Hop Convention nun stattfinden, vielleicht sogar noch öfter. Die Bandbreite, die Workshops sind super, die Messe wird von den Gästen angenommen. Aber wenn ein Konzert von einer penetranten Werbe- und Verschenkshow unterbrochen wird, dann tut das weh. Veranstalter Paul Seelhorst ist jedenfalls zufrieden:
    "Unser Anliegen ist einfach, dass sie Gäste, die hier waren, nach Hause gehen und einen geilen Tag hatten, Künstler und Industrie gut networken konnten. Wir stehen hier gerade neben so einer Rap-Cypher, da ist auch gute Stimmung, super gerade." - "Cypher ist was?" - "Cypher ist ein Zusammenschluss von Künstlerm, die meist im Kreis zusammenstehen und ihre Kunst präsentieren, am meisten benutzt mit Rappern zusammen."