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Hirnforschung
Schwangerschaft verändert Strukturen im Gehirn

Eine Schwangerschaft krempelt den Organismus einer Frau ziemlich um: Hormone bringen die Gefühlswelt durcheinander, lassen den Körper Wasser einlagern und die Schleimhäute anschwellen. Das "Mutter werden" hinterlässt aber auch im Gehirn nachweislich seine Spuren, wie Forscher aus den Niederlanden und Spanien nun herausgefunden haben.

Von Christine Westerhaus | 06.01.2017
    Menschliches Gehirn
    Forscher haben Frauen vor und währned der Schwangerschaft in einen Magnetresonanztomographen geschickt und dabei spannende Veränderungen an den grauen Zellen beobachtet. (imago/Science Photo Library)
    Viele Eltern können ein Lied singen von den Veränderungen, die ein Baby mit sich bringt: Der Zeitbegriff relativiert sich, die eigenen Bedürfnisse geraten ins Hintertreffen und der Stoffwechsel des Kindes wird zum zentralen Gesprächsthema. Susanna Carmona von der Universität von Barcelona war gerade selbst auf dem Weg, eine Familie zu gründen, als sie ihre Untersuchung startete. Sie wollte herausfinden, ob eine Schwangerschaft nicht nur das Leben, sondern auch kognitive Funktionen der Mutter verändert. Deshalb haben sie die Gehirne von 25 Frauen vor und nach ihrer ersten Schwangerschaft untersucht und die Bilder mit den Scans von Nicht-Schwangeren verglichen.
    Susanna Carmona, Universität Barcelona: "Wir sahen, dass das Volumen der grauen Zellen bei schwangeren Frauen in manchen Gehirnregionen reduziert war. Die Veränderungen waren so deutlich, dass wir allein anhand der Abbildungen der Hirn-Scans mit 100 prozentiger Sicherheit sagen konnten, ob das Gehirn zu einer Schwangeren gehörte, oder nicht. Das blieb auch weiterhin so: Als wir die Frauen zwei Jahre nach der Geburt des Babys erneut untersuchten, sahen wir, dass die meisten Veränderungen noch immer vorhanden waren."
    Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Frauen auf natürlichem Weg oder über eine künstliche Befruchtung schwanger geworden waren. Bei Vätern beobachteten die Forscher diese Veränderungen nicht. Somit konnten Susanna Carmona und ihre Kollegen zumindest teilweise ausschließen, dass allein der Schlafentzug die Gehirne der Mütter verändert hatten. Auf ihre Denkfähigkeit oder Intelligenz wirke sich dieser Umbau jedoch nicht aus, betont die Forscherin.
    Einfluss auf Mutter-Kind-Beziehung
    "Wir haben zwischen Müttern und Nicht-Müttern keine Unterschiede in der Gedächtnisleistung gefunden. Die Veränderungen betrafen eher die Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen, ihre Gedanken zu verstehen. Das ist etwas, das Mütter ständig tun: Sie versuchen, die Bedürfnisse des Babys zu interpretieren, das ja noch nicht sprechen kann. Außerdem haben wir Hinweise darauf gefunden, dass diese Veränderungen mit der Stärke der Mutter-Kind Bindung korrelierten. Je ausgeprägter der strukturelle Umbau im Gehirn war, umso mehr Freude hatten die Mütter nach eigenen Angaben daran, sich mit ihrem Kind zu beschäftigen."
    Diesen Zusammenhang interpretierten die Forscherinnen aus Fragebögen, in denen die Mütter angeben sollten, wie häufig sie sich mit ihrem Baby befassen und was sie dabei empfinden. In einem weiteren Test untersuchten Carmona und ihre Kolleginnen die Stoffwechselaktivität im Gehirn, während sie den Frauen Fotos von ihren Babys zeigten.
    "Dabei sahen wir eine verstärkte Aktivität in den Regionen, die sich durch die Schwangerschaft strukturell verändert hatten. Bei Mäusen und Ratten findet während der Trächtigkeit ebenfalls ein Umbau im Gehirn statt. Dieser betrifft jedoch eher Regionen, die für die räumliche Orientierung zuständig und damit für die Futtersuche wichtig sind. Für Nager ist es sicher eine wichtige Aufgabe, genug Nahrung zu finden. Bei menschlichen Müttern kommt es aber vor allem darauf an, das Gehirn auf soziale Funktionen vorzubereiten, denn sie haben vorrangig die Aufgabe, dem Baby Dinge beizubringen."
    Köper bereitet sich auch kognitiv auf Elternrolle vor
    Ob das Verfahren der funktionellen Magnetresonanztomographie verlässlich Auskunft darüber geben kann, welche Hirnregionen verstärkt aktiv sind, ist umstritten. Unklar ist auch, wie der Körper für den Umbau im Gehirn sorgt. Die Forscher gehen davon aus, dass Schwangerschaftshormone dafür verantwortlich sind. Daher wollen sie im nächsten Schritt untersuchen, ob es Unterschiede zwischen Frauen gibt, die ihr Baby selbst austragen und Müttern, die ein Kind adoptieren. Inger Sundström-Poromaa, die an der Uppsala Universität erforscht, wie sich Hormone auf die Hirnaktivität auswirken, findet die Ergebnisse ihrer Kollegen überzeugend. Sie zeigten, dass sich der Körper einer Schwangeren auch kognitiv auf die Elternrolle vorbereite.
    Ich finde diese Studie spannend und die Beobachtungen decken sich mit vorläufigen Ergebnissen, die wir in einer ähnlichen Untersuchung gefunden haben. Selbst wenn die Forscher nur 25 Frauen untersucht haben: Das Wichtige und Überzeugende an dieser Studie ist, dass sie die Frauen über einen so langen Zeitraum untersucht haben.