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"Historisch gesehen kein großes Ding"

Dass die Partei des Präsidenten in den Zwischenwahlen abgestraft wird, ist normal, sagt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er erwartet nun allerdings weitere transatlantische Spannungen, weil Amerika versuchen wird, Lasten abzuwälzen.

Josef Braml im Gespräch mit Christian Bremkamp | 03.11.2010
    Christian Bremkamp: Am Telefon begrüße ich jetzt Josef Braml, er ist USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Tag, Herr Braml.

    Josef Braml: Guten Tag, Herr Bremkamp.

    Bremkamp: Wie erklären Sie sich diese deutliche Schlappe für Obamas Demokraten? War es die Economy Stupid?

    Braml: Ja, diese Niederlage ist nicht überraschend. Auch abgesehen von der Wirtschaftslage war es eigentlich ein historisches Muster, dass die Partei, die den Präsidenten stellt, dann auch in den Zwischenwahlen hier abgestraft wird, kontrolliert wird durch die andere Kammer. Da gibt es nur drei große Ausnahmen, die letzte war George W. Bush. Er konnte den Krieg gegen den Terror instrumentalisieren. Das konnte Obama dieses Mal nicht ins Feld führen. Er wurde gewählt, um die Wirtschaftsprobleme zu lösen; die sind immens, und auch daran wurde er gemessen. Wenn man dann noch ein weiteres Muster hinzuzieht, nämlich das, wenn die Lage und vor allem auch die Einschätzung der Amerikaner so ist, dass die Kaufkraft und die Konsumbereitschaft danieder liegen, dann wurden immer die Amtsinhaber rausgewählt. Dieses Mal waren mehr Demokraten im Amt, also hat es auch mehr die Demokraten erwischt. Also historisch gesehen kein großes Ding. Man hätte eigentlich noch eine größere Niederlage erwarten können.

    Bremkamp: Aber hat man denn von Seiten der Republikaner Antworten gehört, Lösungsvorschläge, wie beispielsweise den wirtschaftlichen Problemen des Landes begegnet werden könnte?

    Braml: Da gibt es viele populistische Vorhaben, die sich dann in der politischen Praxis bewähren müssen. Die Tea-Party, wenn es nach der ging, die würde den Staat ganz abschaffen wollen, erst mal durch Steuererleichterungen, und wenn man jetzt den Wortführern dieser Bewegung Glauben schenkt, dann wolle man den Staat so klein machen wie ein Baby, damit man es im Bade ertränken könne. So, denke ich, wird es nicht gehen. Obama seinerseits will durch mehr Staatsintervention, durch Ausgaben, Stimulus-Pakete Amerika aus der wirtschaftlichen Misere herausführen. Das bleibt spannend, wie er jetzt mit diesem Abgeordnetenhaus umgehen können wird. Hier wird es viele Initiativen der Republikaner geben, die dann aber von den Demokraten im Senat gebremst werden. Das war damals schon, als Bill Clinton die Mehrheit verloren hatte. Damals konnte dann im Senat durch die sogenannte Revolution der Republikaner die ersten 100 Tage abgebremst werden. Ich befürchte, dass das Wort Gridlock, das sich gegenseitige Lahmlegen der beiden Kammern, wieder in aller Munde sein wird, und das wird es dann auch Obama erschweren, Maßnahmen durchzuziehen, die für das Land nötig wären.

    Bremkamp: Im Repräsentantenhaus die Führung verloren, im Senat, der Ländervertretung, die Mehrheit dagegen knapp verteidigt. Helfen Sie uns: Wie ist das zu erklären?

    Braml: Hier wurde das zweischneidige Schwert der Tea-Party-Bewegung deutlich. Tea-Party ist ja keine Partei, sondern eine Bewegung innerhalb des großen Wählerzeltes der Republikaner, und hier wurde deutlich, dass es zwar Siege gab, zum Beispiel Marco Rubio in Florida, aber andererseits sind auch viele auf der Strecke geblieben. Nehmen Sie nur den Herausforderer von Harry Reid, der sich gegen einen Tea-Party-Kandidaten durchsetzen konnte, oder die Tea-Party-Kandidatin Christine O`Donnell in Delaware. Hier wurde deutlich, dass zu extreme Kandidaten, die sich in den Vorwahlen gegen moderate Republikaner durchgesetzt haben, dann nicht in den Hauptwahlen wählbar sind. Das ist auch ein Indiz dafür, um die Wahl, Präsidentschaftswahl, einschätzen zu können. Hier müssen die Republikaner aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht, und vor allem auch die Latinos im Blick behalten. Sie haben einerseits gesehen, dass es möglich ist, die einzubinden in Florida, andererseits aber durch diese chauvinistischen Maßnahmen, eben da Grenzen hochzuziehen, Zäune hochzuziehen, sich damit auch die Zukunft bei der Wählerschaft verbauen können.

    Bremkamp: Gerade die Anhänger der Tea-Party-Bewegung haben bis zuletzt ja einen radikalen Blockadekurs gefahren. Werden sie das auch weiterhin tun können, wenn es nun ja eigentlich ums Mitgestalten geht?

    Braml: Ja, gut, die Tea-Party ist jetzt im Abgeordnetenhaus und da werden sie mit den anderen Republikanern mitziehen und die werden ihrerseits einen Kurs fahren, der dann wahrscheinlich vom Senat gebremst wird. Insofern kommen die gar nicht erst dazu zu blockieren, weil ja hier die Mehrheit bei den Republikanern liegt, und die werden sich jetzt nicht wirklich dann gegen die Partei stellen. Das Abgeordnetenhaus funktioniert noch ein bisschen ähnlicher als unsere Parlamente; hier gibt es einen Mehrheitsführer, der seinen Namen verdient, hier gibt es Strukturen, ein Roth Commitee, hier gibt es Disziplinierungsmaßnahmen. Das heißt, die werden hier eingebunden und werden nicht von der Parteilinie abweichen. Im Senat sieht es anders aus, hier gibt es sowieso fast nur einzelne Unternehmer, hier müssen jetzt nicht nur die Republikaner aufpassen, dass sie auf Linie bleiben, sondern vor allem auch Obama zusehen, dass er seine Leute bei der Stange hält, was nicht einfach werden wird, vor allem bei Außenpolitikbereichen, die uns hier in Europa betreffen.

    Bremkamp: Darauf möchte ich gleich noch kommen. Wird Präsident Obama denn seinen politischen Kurs ändern müssen nach dieser Wahl?

    Braml: Ich denke, wir können davon ausgehen, dass in den Politikbereichen, die uns betreffen, die Problemlage weiter bestehen wird. Wir können nicht erwarten, dass Obama Freihandel voranbringen wird. Hier gibt es große Probleme, jetzt nicht nur mit diesen Tea-Party-Kandidaten, sondern vor allem auch mit seinen Parteifreunden, gewerkschaftsnahen Demokraten. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass die Umweltgesetzgebung vorangetrieben wird. Hier wird es weiterhin große Schwierigkeiten geben. Wir können davon ausgehen, dass Obama sein Versprechen wahr machen wird, Truppen aus Afghanistan im Juli nächsten Jahres, also noch rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen, heim zu holen und Lasten auf uns abzuwälzen. Das heißt, viele dieser Problembereiche werden auch uns betreffen. Amerika versucht, seine Lasten abzuwälzen, und hier hilft dann auch eine Währungspolitik, die jetzt weniger mit dem Kongress zu tun hat. Hier gibt es auch wieder eine Entscheidung heute der Notenbank. Wenn die Notenbank weiterfährt, Geld druckt, dann wird der Dollar schwächer, dann werden das wir hier in Europa spüren, weil wir eben dann unsererseits uns schwer tun, nach Amerika zu exportieren, aber auch nach Asien. Da versucht Amerika, sich aus dieser Wirtschaftsmisere durch andere Mechanismen hinauszuexportieren. Ich erwarte hier große transatlantische Spannungen, noch größere, als wir ohnehin schon beobachten.

    Bremkamp: Josef Braml war das, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Herzlichen Dank.

    Braml: Ich danke Ihnen.