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Hitlers "Mein Kampf"
Keine unkommentierten Ausgaben an bayerischen Schulen

Bisher hatte Bayern die Rechte an Hitlers "Mein Kampf" und konnte 70 Jahre lang eine Neuauflage verhindern. Am 31. Dezember 2015 läuft diese urheberrechtliche Schutzfrist aus. Die bayerische Staatsregierung kündigte nun an, keine unkommentierte Ausgabe des Buchs an den Schulen im Freistaat zuzulassen.

28.12.2015
    Das Buch "Mein Kampf - 1. Band" von Adolf Hitler wird im Kunstmuseum in Solingen in der Ausstellung "Die verbrannten Dichter" gezeigt.
    Das Buch "Mein Kampf - 1. Band" von Adolf Hitler wird im Kunstmuseum in Solingen in der Ausstellung "Die verbrannten Dichter" gezeigt. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Für einen bloßen Nachdruck von "Mein Kampf" sei an Schulen kein Platz, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle dem "Münchner Merkur". Dies werde er auch strafrechtlich verfolgen lassen. "Dieses Buch ist auch heute noch eine tiefe Verletzung für viele Menschen", ergänzte der CSU-Politiker. Spaenle kündigte an, Lehrer im Umgang mit der nationalsozialistischen Hetzschrift zu schulen.
    Zum 1. Januar 2016 läuft der Urheberschutz für Hitlers Schrift aus. Nur wenige Tage danach erscheint eine wissenschaftlich-kritische Ausgabe von Forschern des renommierten Instituts für Zeitgeschichte mit Sitz in München und Berlin. Diese Aufgabe, an der die Wissenschaftler seit etlichen Jahren arbeiteten, hat rund 2.000 Seiten mit etwa 3.500 Anmerkungen.
    Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer
    Der Ablauf der Schutzfrist sei "eine riesige Herausforderung", sagte Spaenle. Er plant nach eigenen Angaben Interpretationshilfen, die die Landeszentrale für politische Bildung erstellen solle. "Wir werden den Schulen entsprechende Materialien an die Hand geben", kündigte der Minister an. Der Umfang der Auszüge sei noch offen. Zudem werde es Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer aller Schularten geben. Nach Vorstellung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) soll die wissenschaftlich-kritische Ausgabe, die am 8. Januar erscheint, deutschlandweit im Schulunterricht eingesetzt werden.
    70 Jahre lang hat Bayern, das die Rechte an dem Buch hatte, alles versucht, das Werk unter Verschluss zu halten und seine Weiterverbreitung zu verhindern - mit begrenztem Erfolg. Vom Büchermarkt verschwand die Hetzschrift nie. Wer wollte, konnte sie sich im Antiquariat, auf dem Flohmarkt, im Ausland oder im Internet ohne großen Aufwand und ganz legal beschaffen. Das Konzept der kritischen Neuausgabe ist klar: Auf keiner Seite soll der Leser mit Hitlers Lügen und Halbwahrheiten allein gelassen werden. Die Forscher wollen zugleich zeigen, dass die Ideologie des Diktators nicht wie ein Unglück von außen über Deutschland kam, sondern tief in der deutschen Gesellschaft und Kultur wurzelte. So hat nicht erst Hitler über Zwangsmaßnahmen gegenüber Menschen mit Behinderungen nachgedacht.
    Ministerpräsident Seehofer änderte seine Meinung
    Bis vor drei Jahren ging das renommierte Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München davon aus, mit seinem schon länger verfolgten Projekt im staatlichen Interesse zu handeln. Der bayerische Landtag befürwortete das Vorhaben einhellig, 500.000 Euro flossen aus der Staatskasse. Doch dann änderte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) seine Meinung - nach einer Israelreise im September 2012, wo er auf Vorbehalte gegen das Projekt stieß. Die Regierung zog sich zurück, die Forscher machten weiter. Ihre zweibändige "Mein Kampf"-Ausgabe erscheint im Eigenverlag. Zum Start wurden zunächst 4.000 Exemplare gedruckt.
    (pg/tzi)