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Hochmoselbrücke
Reizfarbe Grün

Die Hochmoselbrücke gilt als größtes Brückenbauprojekt Mitteleuropas. In der Bevölkerung ist das Vorhaben umstritten. Auch das war für die mitregierenden Grünen von Beginn an ein Problem. Viereinhalb Jahre nach Baubeginn hat sich daran nichts geändert.

Von Anke Petermann | 21.05.2015
    Blick auf die schon bestehenden Pfeiler der Hochmoselbrücke - ein umstrittenes Bauprojekt (aufgenommen am 20. Mai 2015)
    Blick auf die schon bestehenden Pfeiler der Hochmoselbrücke - ein umstrittenes Bauprojekt (aufgenommen am 20. Mai 2015) (Deutschlandradio - Anke Petermann )
    Blick ins Moseltal bei Zeltingen und Ürzig: Auf dem sanften grünen Weinbauhang der Hunsrückseite wird soeben der sechste Betonpfeiler für die gigantische Brücke hochgezogen. Wie Hochspannungsmasten aus Beton sehen sie aus, in der Höhe gestaffelt. Die längsten im unteren Bereich Richtung Ufer über 100 Meter hoch. Der siebte wird dann ganz nah ans Fluss ins Überschwemmungsgebiet gesetzt.
    "Und auf der anderen Seite sehen Sie das Rutschareal, wo noch drei Pfeiler gebaut werden sollen."
    "Das ist ein Kulturverbrechen, das hier begangen wird"
    Elisabeth Reis zeigt auf den steilen Eifelhang gegenüber. Nach Meinung mehrerer renommierter Geologen - unter anderem der Unis Trier und Aachen - machen Sickerwasser und vulkanisch bedingte Störungen den Baugrund dort instabil. Tragende Brückenpfeiler in einen solchen "Kriechhang" zu bauen – ein Wahnsinn, so meinen Reis und ihre knapp 100 Mitstreiter von der Bürgerinitiative "Pro Mosel". Mit dabei auch Grünen-Mitglied Rudolf Trossen. Unten im Tal hat der Bio-Winzer sein Weingut.
    "Das ist das Gebiet, wo die besten und teuersten Rieslinge der Welt erzeugt werden. Wir reden hier über ein nationales Monument. Das ist ein Kulturverbrechen, das hier begangen wird, mit dem es riskiert wird, dass durch das Abgraben des Wassers die Axt an die Qualität gelegt wird. Dieser Hang um den es hier geht, der ist so einzigartig in seiner Wasserhaltefähigkeit, und das hängt an den Wäldern des Berges oben und an verschiedenen Quellen, das ist ein Landschaftskunstwerk, da kann man nicht einfach mit der Planierraupe drüber fahren und sagen: 'Jetzt machen wir hier 'ne Straße'."
    Doch die Planierraupe war schon da, auf der riesigen Schneise haben vier Autospuren platz. Der Wald auf dem Plateau ist gerodet. Und das Vertrauen des Grünen Rudolf Trossen in die eigene Partei schwer erschüttert. Wird er dennoch Parteimitglied bleiben, wird er im kommenden März bei den anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz grün wählen? Und wird er damit dann indirekt für eine Fortsetzung der rot-grünen Brücken-Koalition votieren? "Mal schauen", sagt er einsilbig. An der abendlichen Sitzung der Verkehrs-AG seiner Partei in Koblenz kann der Bio-Winzer nicht teilnehmen.
    "Ich muss hier Wache schieben."
    Vielleicht gibt es Nachtfrost. Dann müsste er die Reben mit Baldrianblütensaft besprühen - ein biologisches Frostschutzmittel. Reis und Weidemann werden seine Position in der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr vertreten, darauf verlässt sich Trossen. Die beiden sind zwar nicht bei den Grünen, als Sprecherinnen der Bürgerinitiative aber zur Sitzung der Partei-AG eingeladen.
    Die Brücken-Gegnerinnen nehmen Platz am langen Tisch im Tagungsraum eines Koblenzer Hotels. Ein Dutzend Grünen, zwei Vertretern des Landesbaubetriebs und der Aachener Ingenieurgeologen Rafig Azzam sind schon da. Der Aachener Professor, unter anderem Gutachter der Kölner Staatsanwaltschaft im Verfahren um den Einsturz des Stadtarchivs, hat die Moselbrücke kritisiert: Als völlig falsch berechnet – und damit höchst gefährlich. Uwe Schröder vom zuständigen Landesbaubetrieb betont, schon nachgebessert zu haben: Das Erdbebenrisiko sei nun eingerechnet, man wolle den rutschigen Hang entwässern und damit stabilisieren:
    "Wir bleiben bei der Einschätzung, dass es ein sicheres Bauwerk ist."
    Der Aachener Ingenieurgeologe Azzam macht kritische Einwürfe, wiegt bedenklich den Kopf und lässt sich anmerken: komplett sind seine Bedenken nicht ausgeräumt. Vor dem Mikrofon gibt er sich mit Blick auf Europas größtes Brückenprojekt aber diplomatisch:
    "Das ist politisch gewollt. Das ist mein Eindruck. Und man kann nicht mehr zurück. Und dann muss man die Sicherheit entsprechend immer wieder erhöhen, damit man kein Desaster erlebt."
    Jutta Blatzheim-Rögler war immer gegen die Moselbrücke. Während die Experten vom Landesbaubetrieb schildern, wie wunderbar sie die Sache im Griff haben, verzieht die verkehrspolitische Sprecherin der Mainzer Grünen-Fraktion das Gesicht wie unter Schmerzen. Sie weiß, dass ihre Partei das Stammklientel aus Umweltschützern und Ökowinzern verprellt, wenn sie den Bau mit der SPD durchzieht. Aber dass die Grünen die Brücke verhindern können, glaubt sie nicht mehr. Die Bundesregierung würde sie auf jeden Fall weiterbauen. Also muss sie die grüne Verkehrsexpertin damit rühmen, Nachbesserungen erreicht zu haben.
    "Das zeigt, dass doch die nachhaltige kritische Begleitung, die wir über die letzten Jahre gemacht haben, ihre Wirkung zeigt. Ich glaube, dass die Zeit der Großprojekte auch vorbei ist."
    Doch dieses wird noch in die Landschaft gegossen. Wenn auch "unter kritischer Begleitung" der Grünen. Elisabeth Reis kann über die Formel aus dem Koalitionsvertrag nur hohnlachen. Experten bieten schwerste Sicherheitsbedenken auf dem Präsentierteller an. Warum die Grünen dennoch nicht mal versuchen, einen Baustopp durchzusetzen, versteht Reis nicht. Genau das wird sie Rudolf Trossen, dem grünen Mitstreiter bei der Bürgerinitiative gegen die Brücke, erzählen.
    "Von vielen Wählern wird es registriert werden, sie werden entweder nicht mehr zur Wahl gehen oder sie werden sich vielleicht umorientieren."
    Als Koalitionspartner an einem rutschgefährdeten Megabauwerk beteiligt zu sein - ein massives Glaubwürdigkeitsproblem für die Grünen im anstehenden Landeswahlkampf. Eine Klatsche wie in Bremen - nicht ausgeschlossen.