Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Hochschul-Finanzierung
"Es werden keine neuen Professoren eingestellt"

Der Bildungsexperte Christian Füller hält die jetzt beschlossene Lockerung des Kooperationsverbots bei der Hochschulfinanzierung für richtig. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gebe das Geld bisher aber an den falschen Stellen aus, kritisierte Füller im DLF.

Christian Füller im Gespräch mit Jasper Barenberg | 20.12.2014
    Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal.
    Ein Studienplatz ist die Garantie dafür, dass ein Studen auch einen Dozenten vorfindet an der Uni, sagt Christian Füller (dpa / picture-alliance / Thomas Frey)
    Jasper Barenberg: Nicht immer ist das Neue auch das Bessere. Das dämmerte auch vielen Politikern, seit vor acht Jahren das sogenannte Kooperationsverbot festgeschrieben wurde und damit der Bund weitgehend aus der Bildungspolitik verbannt wurde. Seitdem aber sind die Probleme an den Universitäten und in den Schulen nicht kleiner, sondern eher größer geworden, und so hat nach dem Bundestag auch der Bundesrat gestern zugestimmt, das Verbot zum Teil jedenfalls zu lockern. Zum Teil, weil der Bund künftig zwar Hochschulen auch dauerhaft finanziell fördern darf, nicht aber zum Beispiel Schulen oder Kitas.
    Am Telefon ist der Journalist Christian Füller, Autor einer ganzen Reihe von Büchern zur Bildungspolitik. Schönen guten Morgen!
    Christian Füller: Guten Morgen!
    Barenberg: Die Bildungsministerin spricht ja von einer guten Nachricht für die Hochschulen und für die Studierenden. Sie sprechen von einer verschenkten Chance. Warum?
    Füller: Es ist eine verschenkte Chance, weil Frau Wanka könnte ja eigentlich jetzt am Montag beginnen, mit den Ländern darüber zu sprechen, wie man zum Beispiel Dauerstellen fördert. Also sogenannte Lecturer oder Lektoren, die nicht nur für zwei, drei Monate oder ein Jahr angestellt werden für die Hochschulen, sondern einfach die ganze Zeit. Wir haben 2,7 Millionen Studierende, das ist also die höchste Zahl, die wir jeweils hatten, und die werden weiterhin nur über Kurzzeitstellen finanziert. Das Problem ist, dass man jetzt eine tolle Verfassungsänderung macht, also eine ziemlich gute Verfassungsänderung, und das Geld für die Hochschulen, die man braucht, um den Aufwuchs von Studierenden zu finanzieren, das hat man schon vergeben. Letzte Woche, zehn Milliarden Euro haben die Länder versprochen bekommen nach den alten Konditionen. Das ist schade, dass dieser Schritt, dieser halbe, sozusagen nicht nach vorne, sondern zur Seite geht.
    Barenberg: Das heißt, das Problem ist, was ja auch viel diskutiert wurde in den vergangenen Monaten, dass Geld als Lockmittel zwar unvermeidlich war, um die Länder zu diesem Schritt zu bewegen, dass auf der anderen Seite aber an das Geld keine Bedingungen geknüpft wurden?
    Füller: Genau. Wir haben ja einen Zuwachs an Studierenden seit ein paar Jahren, da war auch der doppelte Abiturjahrgang dafür verantwortlich. Aber wir wollen ja alle, dass sozusagen mehr Leute studieren. Dazu brauchten wir zwei Hochschulpakte bisher schon. Und jetzt ist wieder ein neuer Hochschulpakt vereinbart worden. Und was ich so schade finde, und was eigentlich auch niemand versteht – es gibt auch eine neue Studie, die darüber Auskunft gibt gerade –, dass man sozusagen jetzt hätte sagen können, hallo, liebe Bundesländer, natürlich bekommt ihr Geld, ihr könnt diesen Studentenberg, sage ich mal, nicht alleine finanzieren. Aber nach wie vor werden dafür keine neuen Professoren, akademische Räte eingestellt.
    "Eine Art Lehr-Quickies"
    Barenberg: Und das wäre ein Punkt, der aus ihrer Sicht besonders wichtig wäre: mehr Sicherheit, mehr Nachhaltigkeit, Kontinuität im akademischen Mittelbau, wie es auch gerade im Beitrag angeklungen ist?
    Füller: Ja. Das ist deswegen so wichtig, Herr Barenberg, Sie müssen sich vorstellen, ein Studienplatz ist nicht sozusagen ein Stuhl in erster Linie, sondern es ist sozusagen die Garantie dafür, dass ein Student, eine Studentin auch eine Dozentin vorfindet in der Uni. Diese neue Studie von Roland Bloch aus Halle und anderen zeigt, dass inzwischen ein Drittel der Lehre an der Hochschule von Leuten bestritten wird, die gar nicht in der Hochschule fest angestellt sind, sondern sozusagen die einfach so eine Art Lehr-Quickis machen. Und deshalb wäre es ganz wichtig gewesen, diese Kategorie zu finanzieren.
    Barenberg: Kann denn die Bildungsministerin da noch nachlegen, wenn es jetzt um künftige Projekte geht?
    Füller: Ganz ehrlich: Sie hat auch versprochen oder angekündigt in einem Hintergrundgespräch vor einer Woche, dass sie da noch was machen will. Aber ganz ehrlich: Sie hat 23 Milliarden Euro versprochen letzte Woche, und die sind auch schon gebunden und sozusagen jetzt in die Haushalte geschrieben. Also der Bund – das ist ja das Verrückte –, der Bund gibt wirklich viel Geld aus für die Hochschulen, aber er tut es sozusagen noch nach den alten Konditionen und nicht nach dem, was nach der Verfassungsänderung möglich gewesen wäre.
    Barenberg: Wenn der Bund jetzt auf Dauer mehr Geld in die Hand nehmen will und mehr Geld in die Hand nehmen darf auch zur Finanzierung der Hochschulen, wie groß wird nach ihrer Einschätzung der Streit werden? Ist im Beitrag ja auch angeklungen, welche Projekte da gefördert werden sollen. Alle Länder müssen zustimmen. Wie groß ist die Gefahr, dass es dann um Prestigeprojekte geht und regional sehr ungleich verteilt sein wird?
    Füller: Das Erste ist, man muss sagen, es ist gut, dass diese Verfassungsänderung da ist, dass die Hochschulen jetzt wirklich dauerhaft gefördert werden können, auch durch den Bund. Das Prozedere ist natürlich immer kompliziert, das müssen wir uns auch mal klar machen. Stellen wir uns mal vor, wir würden jetzt, aus Berlin jetzt schaue ich mir das mal an, es würde jetzt die Bundesbildungsministerin, die Bundesforschungsministerium zusammen mit anderen nur in München und Stuttgart Projekte fördern. Da würden wir natürlich mit Recht sagen, das ist ja ungerecht. Also, wenn ich ein Bundesprogramm habe, dann muss ich das tatsächlich gerecht auf alle Länder verteilen. Und das Prozedere ist einfach, es müssen Dinge von überregionaler Bedeutung sein. Also wird man sich natürlich auch zum Beispiel auf Programme für neue Professoren vielleicht versuchen zu einigen, aber dafür gibt es im Moment kein Geld, das ist ganz sicher.
    "Auf jeden Fall müsste der Bund auch etwas für Schüler tun können"
    Barenberg: Und die Bundesseite hat jedenfalls kaum einen Hebel in der Hand, darüber haben wir ja schon gesprochen. Lassen Sie uns noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen, der auch in den Reaktionen deutlich geworden ist. Viele vonseiten der SPD und der Grünen sagen, das war jetzt nur ein notwendiger, richtiger Schritt, aber nur ein halber gelungen, denn auch die Schulbildung sollte vom Bund künftig gefördert und mit finanziert werden dürfen. Geben Sie da diesen Politikern in der Sache zunächst mal recht?
    Füller: Ja, natürlich. Auf jeden Fall müsste der Bund auch was für Schüler tun können. Man muss sich das ja mal vorstellen. Wenn man Besuch aus Kanada bekommt oder aus der Schweiz, und sagt, Berlin, die Bundesregierung darf auf keinen Fall Geld in die Schulen geben und dort zum Beispiel Sozialarbeiter fördern oder Sonderpädagogen, die sich mit behinderten, gehandicapten Kindern pädagogisch befassen, dann würden die sagen, seid Ihr verrückt? Das ist doch total irre, so was zu machen. Das gibt es nur in Deutschland, dass der Zentralstaat das nicht machen darf. Aber da ist einfach, da sind die Länder, besonders Bayern ist einfach zu stark, sie waren in den Koalitionsverhandlungen gut vorbereitet. Und Bayern sagt traditionell, wir haben genug Geld, wir können Ganztagsschulen selber bezahlen, wir können Inklusion selber fördern, dafür brauchen wir den Bund in Berlin nicht, sondern das ist unsere Kulturhoheit. Das heißt, man hätte für Länder wie das Saarland oder Sachsen-Anhalt wäre das wahnsinnig wichtig gewesen, auch die Schulen fördern zu können.
    Barenberg: Aber nun hat der Bund den Ländern ja die Last der BAföG-Zahlungen erlassen. Künftig werden das ungefähr Einsparungen von 1,2 Milliarden Euro im Jahr sein. Warum sind die Länder nicht in der Lage, dann jetzt zu sagen, gut, es gibt wichtige Prioritäten – Sie haben einige genannt: Inklusion, Schulsozialarbeit –, da stecken wir jetzt das Geld rein.
    Füller: Die Länder benutzen, und das ist ja das Bittere, man kommt ja als Miesepeter sich vor, aber die Länder benutzen natürlich das Geld, was man ihnen sozusagen jetzt von der Schulter genommen hat, um zum Beispiel die BAföG-Kosten zu bezahlen. Ab 1. Januar bleiben 1,2 Milliarden den Ländern. Die benutzen das Geld halt für alles Mögliche. Das kann man ihnen einfach nicht vorschreiben. Das ist natürlich ein Problem, weil die Länder auch unter wahnsinnigem finanziellen Druck stehen. Sie müssen sich vorstellen, sie müssen die Schuldenbremse bald einhalten. Das heißt, sie müssen alle ihre Haushalte in Ordnung bringen. Und da ist es natürlich sehr verlockend, wenn die klebrigen Finger des Finanzministers dieses neue Geld sehen, was in seinem Haushalt sich befindet. Deswegen ist es halt verrückt, dass die Bundesländer jetzt sofort das BAföG geschenkt bekommen, aber die BAföG-Erhöhungen für die Studenten, die bei den Studenten ankommen, die werden erst im Jahr 2016, 2017 kommen. Das ist ein bisschen verrückt, dieser Föderalismus, und zum Nachteil der Studierenden. Aber so ist er.
    Barenberg: Der Journalist und Bildungsexperte Christian Füller heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch!
    Füller: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.