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Hochschul-Leitungen
"Traditionell gibt es in Deutschland relativ schwache Dekanate"

Viele Hochschulleitungen in Deutschland wünschen sich eine Stärkung der Dekanate, um ihre Ziele und neue Strukturen umzusetzen. Das hat eine Befragung des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft ergeben. Eine Möglichkeit sei, Dekane zu Mitgliedern des akademischen Senats zu machen, sagte der Autor der Studie, Matthias Winde, im DLF.

Matthias Winde im Gespräch mit Benedikt Schulz | 10.01.2017
    Studenten sitzen während einer Volkswirtschafts-Vorlesung im großen Hörsaal der Universität Augsburg.
    Studenten an der Uni Augsburg. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Benedikt Schulz: Wie soll eine Hochschule geführt werden? An dieser Frage scheiden sich in der Hochschulwelt die Geister, immer noch. Traditionell sind die Hochschulen in Deutschland demokratisch organisiert, aber diese Struktur ist seit Mitte der 90er-Jahre teils stark verändert worden. Die unternehmerische Hochschule war das Ideal der Stunde. Das heißt aber nicht, dass die Diskussion damit jetzt schon am Ende ist. Mancher ist der Meinung, es werde zu sehr von oben durchregiert. Andere, zum Beispiel die Imboden-Kommission, meinen sogar, da sei immer noch zu viel Demokratie an den Hochschulen. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat jetzt mal Hochschulleitungen gefragt, also die Regierenden, wenn man so will, was sie selbst denken, wie leistungsfähig die eigenen Strukturen sind. Ein zentrales Ergebnis: Die Hochschulen sind sehr gut in der Lage, Ziele und Strategien zu formulieren, aber die Umsetzung, die klappt nicht. Autor der Studie ist Matthias Winde, und der ist in der Leitung. Ich grüße Sie!
    Matthias Winde: Guten Tag, Herr Schulz!
    Schulz: Wie gesagt, es hapert nicht daran, Ziele und Strategien zu entwickeln, sondern das Ganze auch umzusetzen. Warum?
    Winde: Die Imboden-Kommission hat ja festgestellt, dass den Hochschulen der Übergang von einer Dienststelle eines Ministeriums zu einer unternehmerisch denkenden und handelnden Institution sehr schwer fällt und dass gewisse kollegiale Entscheidungskulturen beseitigt werden müssen. Auf der anderen Seite kommt die Governance unter Druck von mehreren Urteilen, das letzte vom Landesverfassungsgericht in Baden-Württemberg, die die kollegialen Organe, insbesondere den Senat, stärken wollen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Hochschulrektoren gefragt, wohin sich die Leitungs- und Entscheidungsstrukturen entwickeln sollen. Und das Ergebnis ist, die Rektoren verweisen darauf, dass insbesondere eine Stärkung der Dekanate notwendig ist, um die Ziele zu erreichen, sowie eine Stärkung des Ressort-Prinzips in der Hochschulleitung.
    "Ein Vorbild, das häufig genannt wird, ist das des amerikanischen Deans"
    Schulz: Gehen wir doch mal direkt auf beide Punkte ein. Die Dekanate sollen gestärkt werden. Wie kann das denn konkret aussehen, und was soll das konkret bringen?
    Winde: Die Frage, wie man die dezentralen Führungsstrukturen zusammenbringt, ist eine Frage, die die Hochschulen seit mindestens 50 Jahren umtreibt. Traditionell gibt es in Deutschland relativ schwache Dekanate, die relativ häufig wechseln. Ein Zweijahresturnus ist dort gang und gäbe noch an Hochschulen. In den letzten Jahren hat es sich aber so entwickelt, dass die Dekanate auch stärker in Führungs- und Umsetzungsverantwortung kommen. Ein Vorbild, das häufig genannt wird, ist das des amerikanischen Deans, der beispielsweise Dienstvorgesetzter ist. Das ist sicher in dieser Ausprägung kein Modell für Deutschland, aber es könnte ein bisschen in diese Richtung gehen. Das würde beispielsweise bedeuten, dass Dekane zum Beispiel mehr Budget-Verantwortung erhalten. Ein weiterer Punkt wäre, Dekane qua Amt zu Mitgliedern des akademischen Senats zu machen – das ist beispielsweise in Sachsen so – und stärker an den Entscheidungen der Hochschulleitung beteiligt sind.
    Schulz: Sie haben das Ressort-Prinzip angesprochen, oder eine Stärkung des Ressort-Prinzips. Was heißt das genau? Sollen also die Prorektoren, zum Beispiel die für die Lehre oder die Forschung oder was auch immer, sollen die auch mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen?
    Winde: Die Hochschulrektoren haben sich dafür ausgesprochen. Wir haben gefragt, ob das Ressort-Prinzip verstärkt werden sollte, das heißt, dass die Einheiten, die Fachabteilungen in den Hochschulen direkt den verantwortlichen Vizepräsidenten zugeordnet werden sollten. Also beispielsweise das International Office wird dann dem Vizepräsidenten für Internationales zugeordnet oder die Studierendenabteilung dem Vizepräsidenten für Lehre, anstatt, wie jetzt, dem Kanzler. Das hätte aus Sicht der Rektoren den Vorteil, dass die Vizepräsidenten eben direkt Vorgesetzte wären der Abteilung, die am Ende die Strategien umsetzen sollen und implementieren müssen, und auch das wäre ein Schritt für die Verbesserung der Strategiefähigkeit der Hochschulen. Denn es ist ganz interessant: Dort, wo besonders häufig Vizepräsidenten Ressorts zugeordnet wurden, die Hochschulen auch sehr gut geeignet sind, ihre Ziele zu erreichen, also beispielsweise in Forschung und Lehre.
    "Hochschulräte sollten nicht noch weiter gestärkt werden"
    Schulz: Dann lassen Sie uns noch über Entscheidungsgremien sprechen. Dass die Führungen der Hochschulen die Senate jetzt nicht aufwerten wollen, das ist auch ein Ergebnis Ihrer Befragung, das kann man sich wohl denken. Was ich aber interessant finde, ist, dass auch die Hochschulräte kritisiert werden. Das sind ja diese teilweise oder ganz extern besetzten Gremien, die ja immer schon in der Kritik standen, aber in der Kritik eher der Studierenden, teilweise der Professorenschaft, jetzt aber noch in der Kritik der Rektoren und Präsidenten von Hochschulen. Ist die Zeit der Hochschulräte vorbei?
    Winde: Diese Interpretation teile ich nicht. Wir haben gefragt, ob bestimmte Organe gestärkt werden sollen. Bei den Hochschulräten ist es ja der Fall, dass sie relativ stark heutzutage bereits sind. Dass die Rektoren vor diesem Hintergrund sagen, ihnen fällt nichts ein, was man den Hochschulrektoren jetzt noch weiter an Kompetenzen übertragen könnte, das kann ich voll verstehen. Das ist aber keine Kritik an den Hochschulräten, es heißt nur, dass die Hochschulräte nicht noch weiter gestärkt werden sollten. Ich glaube aber nicht, dass diese externe Mitbestimmung vor dem Ende steht. Das sagt auch unsere Studie so nicht aus, sondern dass dieser externe Blick auf die Hochschule und der interne Blick, dass die sich gut ergänzen müssen, um zu einer guten Strategie für die Hochschule zu kommen. Hochschulen sind durchaus gewillt, in den Prozess der Strategiefindung externe Akteure, beispielsweise Wirtschaftspartner aus universitären Forschungseinrichtungen und auch andere Hochschulen einzubeziehen. Und das ist für die Hochschulen auch wichtig.
    Schulz: Eine andere Frage: Sie haben jetzt auch von der Wahl der Hochschulleitungen gesprochen, und Ihre Studie legt jetzt nahe, dass man ein bisschen von der Person, der Führungsfigur an der Spitze ein bisschen abrückt. Hat sich in der Vergangenheit alles ein bisschen zu sehr auf die Rolle des Rektorats beziehungsweise des Präsidenten, der Präsidentin konzentriert?
    Winde: Ich glaube, dass in Deutschland nach wie vor wir ein System haben, wo die Hochschulrektoren und Hochschulpräsidenten eng mit den Professoren in den Hochschulen zusammenarbeiten müssen, dass wir kein Durchregieren von oben an den Hochschulen haben und dass das auch richtig und sinnvoll ist. Wir haben so eine Art Hybridsystem zwischen einem Managementsystem, wie man es vielleicht in Unternehmen kennt, und einem partizipativen System, wie es an den Hochschulen lange verbreitet ist. Und dieses ist, glaube ich, auch sinnvoll und wissenschaftsgemäß.
    Schulz: Das ist eine sehr diplomatische Antwort, Herr Winde. Wie leistungsfähig werden Hochschulen regiert? Über eine Befragung von Hochschulleitungen habe ich gesprochen mit Matthias Winde. Ganz herzlichen Dank!
    Winde: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.