Dienstag, 16. April 2024

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Hochschulabschluss keine Voraussetzung für Führungsposition

Lothar Guckeisen: Je besser man qualifiziert ist, je höher der Abschluss, desto größer sind die Chancen, im Beruf voran zu kommen. Das ist eine Binsenweisheit. Aber wer gedacht hat, dass man nur mit einem akademischen Abschluss in eine Führungsposition gelangen kann, der täuscht sich. Die Frankfurter Personalvermittlungsfirma HiTec hat den Ausbildungsweg der von ihr vermittelten Manager untersucht und ist dabei zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen. Lutz Busch, Geschäftsführer von HiTec, Sie haben 500 Lebensläufe ausgewertet, wie oft sind Sie denn dabei auf einen Hochschulabschluss gestoßen?

Moderation: Lothar Guckeisen | 10.09.2004
    Lutz Busch: Also, große Überraschung für uns war, dass wir 35 Prozent etwa mit einem Studium hatten. Wir haben auch immer hin noch 20 Prozent gehabt, die beides haben, also ein Studium und eine Ausbildung, aber und das ist eine ganz wesentliche Feststellung, ein ganz wesentliches Ergebnis aus der Studie. Wir haben 41 Prozent der Kandidaten, die wir von A nach B gebracht haben, die nur eine Ausbildung haben. Wobei ich das "nur" hier in Anführungszeichen setzen möchte.

    Guckeisen: Sie betreiben ja Personalvermittlung im Gesundheitsbereich, Pharmakonzerne, Medizintechnikfirmen, Informationstechnologie. Hat Sie das Ergebnis überrascht?

    Busch: Das Ergebnis war für uns insofern schon überraschend, da wir zwar schon registriert haben, in den Gesprächen auch mit unseren Kunden und auch im Rahmen der Kandidatenpräsentationen, dass es sehr häufig mehr auf die Persönlichkeit ankommt und dass es mehr darauf ankommt, was hat der Kandidat für Erfolge erwirkt, was hat er geleistet gegenüber seinen vergangenen Arbeitgebern und weniger auf diese klassischen Ausbildungsmerkmale geschaut wird. Das dann wirklich mal so in konkreten Zahlen zu sehen und dass der Anteil dann derer, die kein Studium absolviert haben, so hoch ist, war doch auch für uns, die wir uns professionell jeden Tag damit auseinandersetzen, eine Überraschung.

    Guckeisen: Sie sagen, das bestätigt auch Ihre Erfahrungen mit den Vermittlungen, die Sie im Personalbereich haben. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Busch: Man muss natürlich immer schauen, was eine Personalberatung wie HiTec macht. Wir haben es ja primär mit Leuten zu tun, mit Managern, die in Lohn und Brot stehen. Da wird natürlich geschaut, was haben die, was bringen die mit. Und unsere Auftraggeber haben auch häufig den Wunsch, dass sie einen sehr guten Kandidaten aus dem direkten Wettbewerbsumfeld bekommen. Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass wir es nicht so viel mit Hochschulabsolventen, also mit Einsteigern zu tun haben. Bei den Einsteigern ist es sicherlich noch mal anders. Da wird heute häufig ja auch auf mögliche Studiengänge geschaut. Das ist bei den Leuten, die dann im mittleren Management und im gehobenen Management vor einem Wechsel stehen nicht der Fall.

    Guckeisen: Das heißt, Lebensläufe, wie Sie die hier vorgefunden haben von Leuten, die eben schon im Beruf drin sind, die wären so heute dann aber nicht mehr denkbar?

    Busch: Lebensläufe insofern, dass sie unbedingt einen bestimmten Abschluss enthalten müssen gehören der Vergangenheit an. Wesentlich ist, dass der Lebenslauf in einer anderen Form eine bestimmt Schlüssigkeit und Konsistenz besitzt. Das heißt also, dass die Entwicklung des Kandidaten stimmt, dass er bei seinen bisherigen Stationen auch konkret nachweisen kann, was für Erfolge er da erzielt hat, was hat er da geleistet und wann ist er wieder zum nächsten Arbeitgeber gewechselt, aus welchem Grund und aus welchem Motiv. Da müssen die Argumente natürlich auch stimmig sein und passen.

    Guckeisen: Wenn Sie sagen, es kommt ganz wesentlich auf die Persönlichkeit an, was würden Sie denn Absolventen raten, wie sollten sie denn ihr Studium und auch den Einstieg hinterher planen, um möglichst gut Karriere machen zu können?

    Busch: Studenten, auch Schüler eigentlich schon, sollten sich heute überlegen: Was kann ich, was macht mir Spaß? Die sollten sich weniger von äußeren Einflüssen lenken lassen - was ist im Moment hip, was macht man heute, wenn man erfolgreich sein möchte -, sondern wirklich in sich hinein horchen: Bin ich vielleicht mehr der Mensch, der Praxis-orientiert ist, der Sachen konkret in die Hand nimmt? Da sollte man auch sich nicht scheuen, vielleicht mal in Richtung Handwerk zu blicken. Das machen heute die allerwenigsten, zuerst vielleicht eine handwerkliche Ausbildung zu machen und vielleicht noch ein Studium obendrauf zu setzten und das ganze dann zu verbinden. Man sollte sich mal intensiv mit dem auseinander setzten, was man denn nachher mit dem Studium macht. Ich glaube, das ist heute ein Fehler, den viele begehen, dass sie sich zwar überlegen, was sie mit dem Studium am Ende für einen Titel haben, aber sich weniger im Klaren sind, was dann das tägliche "doing" ist, was mache ich denn eigentlich dann, wenn ich dieses Studium absolviert habe?