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"Die Betreuungsrelationen müssen besser werden"

Einige Bundesländer haben trotz gestiegener Mittel weniger Geld für den einzelnen Studierenden ausgegeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). Der Direktor Dieter Dohmen forderte im DLF mehr Geld für die MINT-Fachbereiche und eine langfristige Vereinbarung von Bund und Ländern.

Dieter Dohmen im Gespräch mit Kate Maleike | 08.10.2014
    Kate Maleike: Über Geldsorgen und Finanzierungsmodelle, so könnte man meinen, wird im Hochschulbereich gerade mehr gesprochen als zum Beispiel über den Start des Wintersemesters. Aber das hängt natürlich auch alles zusammen, denn der Ansturm an den Hochschulen sprengt bei Weitem die Kassen - sagen die Hochschulen und auch die Bundesländer, die hierfür weitgehend zuständig sind. Eine jetzt vorgestellte Analyse des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) sagt aber noch was anderes: Einige Bundesländer haben danach trotz gestiegener Mittel, die sie auch zum Teil vom Bund bekommen haben, beim einzelnen Studierenden gespart. Dr. Dieter Dohmen ist Direktor des FiBS - hallo, Herr Dohmen!
    Dieter Dohmen: Hallo, Frau Maleike!
    Maleike: Hab ich das jetzt korrekt zusammengefasst, einige Bundesländer sparen am einzelnen Studierenden sozusagen?
    Dohmen: So könnte man es pointiert tatsächlich zusammenfassen. Richtig ist, die meisten Länder geben über die letzten Jahre mehr Geld in der Summe aus. Sie haben zu einem erheblichen Teil mehr Geld vom Bund gekriegt, auch wenn das trotz Hochschulpakt nicht für alle Länder gilt. De facto hat sich die Zahl der Studierenden aber in einem Umfang erhöht, der dazu führt, dass die Ausgaben je Studierenden tatsächlich in den letzten Jahren in vielen Ländern gesunken sind.
    Maleike: Können Sie uns mal ein Beispiel nennen, an dem das deutlich wird, wie stark auch eingespart wurde?
    Dohmen: Na ja, das mit dem Einsparen ist immer so eine Sache, aber um es einmal sehr provokant und plastisch zu formulieren: Berlin kriegt je Studierendem fast das Vierfache, sprich fast 2.000 Euro, mehr als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig gehen die Landesmittel um einen Betrag von über 2.000 Euro zurück. Das ist zum Teil dadurch bedingt, dass Berlin sehr viel Geld für Studierende an privaten Hochschulen gibt und natürlich im Wesentlichen die öffentlichen Hochschulen finanziert. Dazu muss man zur Entschuldigung des Landes auch sagen, die Finanzlage ist nicht einfach, und in den letzten zwei Jahren hat man ein bisschen was getan.
    "In den MINT-Fächern an steigenden Abbrecherquoten bemerkbar"
    Maleike: Das ist richtig, aber es ist natürlich auch ein Riesenansturm da, das kann ja auch eine Chance sein, gerade für Berlin ist es ja auch ein Stück weit Attraktivität. Was hat das denn zur Folge? Haben wir dann nicht nur volle Hörsäle, sondern auch schlechtere Lehrbedingungen noch in Zukunft?
    Dohmen: Also das kann man sehr deutlich festmachen. Wie haben uns auch die Betreuungsrelationen angeguckt, und gerade in den MINT-Fächern, also in den Ingenieur- und Naturwissenschaften haben sich die Betreuungsrelationen deutlich verschlechtert. So sind mittlerweile nicht mehr 15 Studierende je wissenschaftlichem Personal oder wissenschaftlichem Mitarbeiter und Prof, sondern es sind 22,5, das heißt, es sind um die Hälfte mehr Leute je wissenschaftlicher Kraft in den Hochschulen, und das macht sich natürlich zum Beispiel auch gerade in den MINT-Fächern an steigenden Abbrecherquoten bemerkbar. Das hat verschiedene Ursachen. Es sind halt - und das war gewollt - mehr Studierende und Studienanfänger in den MINT-Fächern, das muss aber dann kompensiert werden, und die MINT-Fächer werden im Hochschulpakt unzureichend berücksichtigt.
    Maleike: Sie haben das ja gesagt, es gibt sozusagen innerhalb der Bundesländer auch Unterschiede in dem Sparverhalten, so würde ich das mal nennen, aber wahrscheinlich ist es einfach auch eine Frage der Prioritätensetzung. Wie kann man sich das denn erklären, wohin ist das Geld denn dann geflossen, wenn es nicht beim Studierenden, dem einzelnen, ankommt?
    Dohmen: Na, das Geld verändert sich dadurch, dass einfach so viele Studierende mehr an die Hochschulen gehen. Einfaches Beispiel: In Berlin sind es mittlerweile über 30.000 Studienanfänger pro Jahr, vor zehn Jahren waren es noch 20.000. Also das heißt, das Geld ist schon zum Teil in den Hochschulen, aber dadurch, dass der Ansturm so massiv in den letzten Jahren ist und die Hochschulen zum Teil und auch die Länder - das muss man ehrlicherweise sagen - nicht in dem Umfang aufstocken konnten, wie es eigentlich wünschenswert und verabredet gewesen ist, das ist das Strukturproblem, mit dem wir seit Jahren zu kämpfen haben und worauf nicht auch zuletzt wir immer wieder hingewiesen haben. Es braucht im Hochschulbereich eine langfristige Vereinbarung von Bund und Ländern, wie die hohen Studienanfänger- und hohen Studierendenzahlen auch in den zehn und zwanzig Jahren finanziert werden können. Die Länder alleine können das nicht stemmen, und sie werden insofern auf den Bund angewiesen sein. Und hier muss ein übergreifendes, langfristiges Konzept hin.
    "Über private Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken"
    Maleike: Und daran wird ja auch gerade gestrickt. Noch ganz kurzer Blick in die Glaskugel: Wie sieht für Sie die optimale Förderung dann auch aus, damit wirklich auch die Studierenden davon was merken?
    Dohmen: Na, die Studienbedingungen müssen besser werden und die Betreuungsrelationen müssen besser werden. Es muss mehr Geld tatsächlich in die MINT-Fachbereiche, damit die Betreuungsrelationen verbessert werden können, und zwar langfristig, also keine Beträge, über die man für drei oder vier Jahre verfügen kann, sondern langfristige Beträge, damit langfristig Professoren eingestellt werden können und nicht immer, dass Day-to-day oder mal eben kurzfristig irgendwelche Maßnahmen gefahren werden. Idealerweise wäre es natürlich, Bund und Länder gehen gemeinsam in die Bütt und finanzieren das - ob sie das tatsächlich können, wage ich ein Stück zu bezweifeln. Insofern werden wir, unabhängig von Studiengebühren, in meinen Augen auch wieder über private Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken müssen.
    Maleike: Huppala, da kommt das böse Wort der Studiengebühren dann wahrscheinlich demnächst wieder.
    Dohmen: Nein, das kam eigentlich an der Stelle nicht, weil die werden kommen, da bin ich mir sicher, aber das wird das Problem nicht lösen können. Wir brauchen - darauf hat die Adenauer-Stiftung in der Meldung ja hingewiesen - über 40 Milliarden für den Hochschulbereich, und das wird auch über Studiengebühren überhaupt nicht zu finanzieren sein, also auch die Differenz nicht.
    Maleike: Einige Bundesländer ... Herr Dohmen, an der Stelle müssen wir leider Schluss machen. Einige Bundesländer geben offenbar immer weniger Geld für den einzelnen Studierenden aus, das hat eine aktuelle Analyse des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) ergeben. In "Campus & Karriere" war das dazu Dr. Dieter Dohmen. Herzlichen Dank!
    Dohmen: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.