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Kathöfer: "Die Drittmittelforschung wird unattraktiver"

In Zeiten knapper Kassen werben viele Hochschulen Geld aus der Wirtschaft oder aus anderen Quellen an. Aber die sogenannten Drittmittel können für die Unis finanzielle Nachteile haben. Welche, erläutert der Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz, Thomas Kathöfer, im Deutschlandfunk.

Thomas Kathöfer im Gespräch mit Sandra Pfister | 09.09.2014
    Sandra Pfister: Die Uni Harvard hat es gut. Ein ehemaliger Studierender hat der Elitehochschule gerade 270 Millionen umgerechnet spendiert. So viel hat noch nie jemand für Harvard gespendet, so viel hat die Uni Bremen insgesamt zur Verfügung in einem Jahr. Auf feiste Spenden können die Hochschulen hierzulande kaum hoffen, auf den Staat auch nicht unbedingt. Deshalb haben sich gerade die fitten Hochschulen darauf verlegt, Geld woanders anzuwerben, in der Wirtschaft oder sehr oft beispielsweise bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Drittmittel nennt sich das. Doch gerade die Unis, die dabei besonders erfolgreich sind, schießen sich finanziell oft selbst ins Knie. Wie das kommt, das besprechen wir mit dem Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz, mit Thomas Kathöfer. Guten Tag, Herr Kathöfer!
    Thomas Kathöfer: Schönen guten Tag, Frau Pfister!
    Pfister: Herr Kathöfer, Sie sagen, gerade die forschungsstarken Hochschulen, die auch bei der Exzellenzinitiative besonders gut abschneiden, gerade die "siegen sich zu Tode". Wie meinen Sie das?
    Kathöfer: Jedes Drittmittelprojekt verursacht nachvollziehbarerweise direkte und indirekte Kosten. Bis heute ist es üblich, dass die direkten Kosten an den Hochschulen, sofern der Drittmittelgeber öffentlich ist wie zum Beispiel die DFG, zu 100 Prozent abgedeckt werden, die indirekten Kosten aber nur teilweise. Im Moment gibt es eine sogenannte Programmpauschale, die ist auf 20 Prozent der direkt abrechenbaren Kosten limitiert. Die tatsächlichen indirekten Kosten liegen im Regelfall höher, sodass nur ein Teil der indirekten Kosten finanziert wird, und jede Hochschule gezwungen ist, die in der Drittmittelakquise erfolgreich ist, aus ihrer Grundfinanzierung einen Beitrag zuzuschießen.
    Pfister: Mit indirekten Kosten meinen Sie zum Beispiel Mieten für die Räume, die die Hochschulen dann für die Wissenschaftler anmieten, oder Heizkosten oder Verwaltungskosten?
    Kathöfer: Genau.
    Pfister: Wir müssen noch mal kurz die Dimension klar machen, denn das hört sich ja ein bisschen nach Peanuts an, Heizkosten. Sie sagen selbst als Hochschulrektorenkonferenz, Forschung wird an Hochschulen heute teilweise schon zur Hälfte aus Drittmitteln bezahlt.
    "Wir werden von Tag zu Tag sorgenvoller"
    Kathöfer: Und nun taucht ein Problem auf: Wir werden – das will ich gar nicht verhehlen – von Tag zu Tag etwas sorgenvoller. Der Bundesrechnungshof hat gefordert, dass künftig die Länder an der Finanzierung der Programmpauschale beteiligt werden. Man kann das so schön nachlesen heute im "Tagesspiegel". Ein Insider, der vom "Tagesspiegel" zitiert wird, kündigt an, dass die Länder nicht in die Finanzierung der Programmpauschale einsteigen werden.
    Pfister: Ja, dann entwerfen Sie mal für uns das Szenario. Was passiert denn dann? Müssen dann viele Hochschulen komplett aussteigen aus der Drittmittelforschung?
    Kathöfer: Jedenfalls wird die Drittmittelforschung dann immer unattraktiver. Wenn die Hochschulen gezwungen sind, die Forschung quer zu subventionieren, müssen sie Leistungen in den anderen Handlungsfeldern zurückfahren beziehungsweise gänzlich einstellen.
    Pfister: Dann könnte man natürlich auch etwas provokativ dagegen fragen: Vielleicht hat sich der Run auf die Drittmittelforschung ja auch verselbstständigt, auch weil viele Professoren finanziell für das Einwerben von Drittmitteln belohnt werden. Vielleicht wäre weniger ja tatsächlich auch mehr?
    Kathöfer: Ja, aber das Ganze steht natürlich in einem Zusammenhang mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht nur unseres Hochschulsystems, sondern auch unserer Wirtschaft. Selbstverständlich hat man erkannt, dass Hochschulen Treiber im Innovationsprozess sind. Insofern hat man den Hochschulen viele Drittmittel angeboten, um die sie sich auch aktiv bewerben. Und das hat einen dynamischen Prozess in Gang gesetzt, der unserem Land wirklich guttut, das kann man nicht verkennen.
    Pfister: Aber es zwingt sie jetzt vielleicht auch, sich darauf zu besinnen, welchen Teil der Forschung sie überhaupt betreiben wollen, ob sie sich doch eher auf die Grundlagenforschung besinnen und die anwendungsorientierte Forschung an Unternehmen oder eben auch Fachhochschulen ausladen.
    Kathöfer: Ja, aber da haben auch die öffentlichen Drittmittelgeber erkannt, dass man dem Motto folgen sollte: Lass tausend Blumen blühen. Es gibt keine Beschränkung auf Grundlagen- oder Anwendungsforschung, sondern man betreibt beides.
    Die Länder sind gefordert
    Pfister: Aber um es noch mal zusammenzufassen: Im Moment fürchten Sie sogar darum, dass die Länder nicht mal in die 20-Prozent-Finanzierung einsteigen. Sie fordern aber eigentlich eine Vollkostenfinanzierung, dass also alle Nebenkosten übernommen werden.
    Kathöfer: Ja, das ist richtig. Ansonsten haben wir im Hochschulsystem Wettbewerbsverzerrungen. Denn es gibt ja tatsächlich Hochschulen, deren Grundausstattung besser ist als die an anderen Hochschulen. Und was wir wollen, das ist ja unser Leitbild, ist, dass diejenigen sich durchsetzen, die die besten Ideen präsentieren, und nicht diejenigen, die die bessere Grundausstattung haben.
    Pfister: Was glauben Sie denn, welche Lösung am Ende beim Hochschulpakt herauskommt? Der hat genau diese dritte Säule der Nebenkostenfinanzierung ja immerhin formal aufgenommen in sein Gesamtkunstwerk, es geht darum, das weiter zu finanzieren. Was glauben Sie, wie wird die Lösung aussehen?
    Kathöfer: Da die Länder nun gefordert sind, in die Ko-Finanzierung der Programmpauschale einzusteigen, gibt es selbstverständlich einen Verhandlungsprozess. Und ich gehe mal davon aus, dass die Leute, die an diesem Verhandlungsprozess beteiligt sind, dass die alle einsichtig sind und die Unverzichtbarkeit der Programmpauschale anerkennen. Und eine Anhebung der Programmpauschale auf 50 Prozent kommt unseren Vorstellungen schon weitgehend entgegen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.