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Hochschulen ohne Räte

Anstelle von bestehenden Aufsichtsräten will die rot-grüne Koalition in Baden-Württemberg externe Hochschulräte etablieren. Umgesetzt werden soll dieses Vorhaben 2014 – doch schon jetzt kommt Kritik auf.

Von Michael Brandt | 07.03.2012
    Es ist ein fast flapsiger Satz im grün-roten Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg: "Anstelle der bestehenden Aufsichtsräte wollen wir externe Hochschulräte etablieren, die die Hochschule mit Blick von außen beratend begleiten." Geschehen soll das bei der Novelle des Hochschulgesetzes, die die Regierung 2014 angehen will. Aber schon jetzt hat die Industrie und Handelskammer Region Stuttgart den Vertrag genau gelesen und Kritik geäußert, so Susanne Herre von der IHK.

    "Die Hochschulräte sehen das ausgesprochen kritisch. Wir haben dazu eine Umfrage durchgeführt, die ergibt, nur noch zehn Prozent der Hochschulräte wären bereit, sich weiter zu engagieren, wenn die Beschlusskompetenzen komplett gestrichen werden."

    Diese Aufsichtsräte wurden vor zehn Jahren vom damaligen Wissenschaftsminister Peter Frankenberg eingeführt, bestehen aus jeweils elf Mitgliedern, von denen sechs externe sind. In der landwirtschaftlich ausgerichteten Uni Hohenheim sind das zum Beispiel ein Vertreter einer Stiftung, die sich für Gentechnik einsetzt, ein ehemaliger Südzucker-Mann, eine Verlagsleiterin, ein Vertreter eines Netzwerks zur Lebensmittelforschung und Marion Johannsen von den baden-württembergischen Arbeitgebern:

    "Das ist sinnvolles und produktives Arbeiten. Man kann unterstützen, Links herstellen zur Wirtschaft, weil die Wirtschaft und die Wissenschaft in Baden-Württemberg zusammenarbeiten müssen, um das Land voranzubringen."

    Johannsen ist wie die meisten von der IHK befragten Hochschulräte der Meinung, dass das Gremium auch künftig Verantwortung für die strategische Ausrichtung der Hochschulen tragen soll.

    "Ein nur beratendes Gremium, ich würde es als zahnlosen Tiger bezeichnen. Wenn man sich einsetzt, und das machen meine Kollegen wirklich mit Vehemenz, dann möchte man auch etwas bewegen können."

    71 von 91 Hochschulräten in Baden-Württemberg sehen das laut IHK-Umfrage so. Die grüne Wissenschaftsministerin Teresia Bauer hat die Debatte genau verfolgt und beschwichtigt:

    "Ich hatte ein ausführliches Gespräch mit den IHKen in Baden-Württemberg und ich glaube, es ist schon gelungen, die Bedenken und die Sorgen auszuräumen. Unser Ziel ist keineswegs, die externe Expertise zu beschneiden, sondern wir wollen sie nutzen und weiterentwickeln. Wir wollen starke Hochschulräte und wir wollen sie nutzen dass die Hochschulen in ihr gesellschaftliches Umfeld eingebettet und werden."

    Im Detail gebe es zwar noch Diskussionsstoff, etwa beim Thema Frauenanteil in den Hochschulräten oder bei der Zusammensetzung, aber im Grunde sieht die Ministerin keinen Dissens mit der Wirtschaft.

    Ganz anders die CDU-Opposition im Landtag. CDU-Fraktionschef Peter Hauk fürchtet bei der Änderung des Hochschulgesetzes kaum weniger als den Untergang des Abendlandes:

    "Das ist ein Rückfall in die Ideologie der Nach-68er-Generation. Baden-Württemberg droht in die 70er- und 80er-Jahre zurückzufallen."

    Denn gerade die Externen und das Bild der unternehmerischen Hochschule hätten die baden-württembergischen Unis konkurrenzfähig gemacht. Ministerin Bauer hingegen spricht sich bei der Beschreibung des Ziels ihrer Hochschulpolitik durchaus für einen Paradigmenwechsel aus.

    "Ich glaube in der Tat, das Leitbild unternehmerische Hochschule hat die faschen Assoziationen und Bilder geweckt. Weil eine Hochschule eben kein Unternehmen ist und auch nicht agiert wie ein Unternehmen. Sondern eine Hochschule hat eine eigene Logik und sucht nach Erkenntnis und nach neuen Ideen und das ist etwas anderes als der Versuch, eine Produktidee am Markt erfolgreich zu platzieren."

    Auch wenn die Meinungsverschiedenheiten beim Thema Hochschulräte offenbar zu lösen sind, so tut sich hier ein grundsätzlicher Dissens mit der Wirtschaft auf. Denn für die Wirtschaft können die Hochschulen, wie Arbeitgebervertreterin Johannsen sagt:

    "Nie unternehmerisch genug sein."

    Gesprächsstoff zwischen Regierung und Wirtschaft wird es also genug geben bei der Novelle des Hochgesetzes 2014.