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Hochschulpolitik
Frei gewordene Gelder von Ländern nicht nur in Bildung investiert

Seit Beginn des Jahres trägt der Bund die Kosten für das BAföG alleine. Dadurch wurden Gelder für die Länder frei, diese sollten vor allem in die Hochschulen investiert werden. Nun gibt es Streit: Verstoßen die Länder gegen die Vereinbarung - wenn zum Beispiel Niedersachsen das gesamte Geld in Kinderbetreuung investiert?

Von Johannes Kulms | 20.05.2015
    Studenten in einem Hörsaal
    Hickhack über die Frage, ob die Länder frei gewordene Gelder nun im Rahmen oder entgegen der Vereinbarungen verwenden. (Jan Woitas, dpa)
    Freitag, der 19. Dezember 2014. Zwar sind es noch ein paar Tage hin bis Weihnachten. Aber Bundesbildungsministerin Johanna Wanka spricht an diesem Morgen gerne mit dem Deutschlandfunk über ein kleines vorzeitiges Geschenk für die 16 Bundesländer: "Ab dem 1. Januar, also in zwölf Tagen, gibt der Bund 1,2 Milliarden an die Länder für Bildungsausgaben, insbesondere für die Hochschulen, und das Geld gibt es nicht nur in 2015, das gibt es auch in 2016, in 2025. Das gibt es dauerhaft."
    Wanka meint die Änderung bei der Finanzierung des BAföGs, die noch am selben Tag vom Bundesrat beschlossen wird. Seit Beginn diesen Jahres trägt der Bund die Kosten für das BAföG alleine. Die eingesparten 1,17 Milliarden Euro sollen die Länder "insbesondere in die Hochschulen" investieren, sagt Wanka selbst.
    Verstoß gegen Abmachung?
    Doch fast genau ein halbes Jahr später sorgt dieses Thema für Streit im Bildungsausschuss des Bundestags."Und nun haben wir aufgrund einer Umfrage, die wir bei den Ländern gemacht haben, feststellen müssen, dass diese Vereinbarung von einigen Ländern nicht eingehalten wird. Insbesondere nicht von Niedersachsen, wo das gesamte Geld in die Kinderbetreuung geht. Das ist also ein ganz klarer Verstoß gegen diese Vereinbarung", so der Berichterstatter der Unions-Fraktion, Stefan Kaufmann.
    Das Bundesland Nordrhein-Westfalen habe für die Umfrage vor allem irrelevante Zahlen geliefert. Und die ebenfalls rot-grün regierten Ländern Hamburg und Rheinland-Pfalz seien bis heute eine Antwort schuldig, heißt es von CDU und CSU. Hessen und Bayern würden dagegen den Großteil der frei gewordenen BAföG-Mittel vorbildlicherweise in die Hochschulen investieren, meint der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion Albert Rupprecht. Und ergänzt: Parlament und Bürger hätten ein Recht auf Einhaltung der verabredeten Zweckbindung der Mittel.
    Aber ist es wirklich eine Zweckentfremdung, wenn ein Bundesland wie Niedersachsen frei gewordene Gelder in die Kinderbetreuung steckt? Nein, meint der SPD-Berichterstatter Oliver Kaczmarek: "Meine Erwartung als Parlamentarier ist auch, dass wir als Koalitionstragende Fraktion und auch die Mitglieder der Bundesregierung was wir miteinander vereinbart haben. Und nicht in Interviews den Eindruck erwecken, es gehe hier nur um den Bereich der Hochschule."
    Kaczmarek ist der Ansicht, dass die Länder doch am besten wüssten, wo frei gewordene Gelder am ehesten hinfließen sollten. Dieser Sicht schließt sich auch Rosemarie Hein an. Die Berichterstatterin der Partei Die Linke sagt mit Adresse an die Union: "Was ich nicht richtig finde ist, dass wir die Länder jetzt dafür verhauen, dass sie Geld für Bildung verwenden und nicht da, wo Sie es gerne hätten. Das finde ich, ist nicht gerecht. Entweder wir haben einen Föderalismus, dann dürfen die das. Oder wir haben keinen, dann bestimmen wir, wo das eingesetzt wird."
    Studentenwerk fordert die 1,2 Milliarden für Studierende zu nutzen
    Die Grünen finden die Position der Union derweil schizophren. Doch auch das Deutsche Studentenwerk hat an diesem Mittwoch noch einmal gefordert, die freigewordenen rund 1,2 Milliarden vollständig für die soziale und wirtschaftliche Versorgung der Studierenden zu nutzen.
    Hat die Union also doch recht? Und damit zum Beispiel auch Anette Hübinger, die nicht nur im Bildungs-, sondern auch im Haushaltsausschuss sitzt? Hübinger fragt, wie verlässlich noch Vereinbarungen mit Ländern über Bundesmittel seien? "Und wenn das nicht funktioniert, werden wir in Zukunft unsere Hoheitsgewalt behalten."
    Irgendwann schaltet sich auch Klaus Klemm in die Debatte ein. Der Professor vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung ist an diesem Vormittag als Sachverständiger geladen. Klemm findet die BAföG-Diskussion irritierend - und fühlt sich an die Debatte über die Studiengebühren erinnert: "Nehmen Sie doch nicht ernsthaft an, dass Sie das überhaupt überprüfen können. Wenn ein Land sagt, wir haben diese Studiengebühren oder die BAföG-Mittel - um die Parallele jetzt wieder herzustellen - für die Verbesserung der Fachhochschulen oder Unis eingesetzt. Dann wissen Sie doch überhaupt nicht, vorher 100 Millionen gekürzt haben, die Sie dann wieder mit den 100 Millionen ersetzen."
    Es gibt also viel Hickhack über die Frage, ob die Länder frei gewordene Gelder nun im Rahmen oder entgegen der Vereinbarungen verwenden. SPD-Berichterstatter Oliver Kazcmarek mahnt an, dass man nun erst mal verlässliche Zahlen brauche. Die verspricht er sich von einem Monitoring durch den Haushaltsausschuss. Das Monitoring soll die entsprechenden Daten der Länder liefern.