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Hochwasserexperte: Wir haben eine andere Situation als 2002

Die betroffenen Katastrophengebiete leiden anders als 2002 an einer Kombination von Frühjahrs- und Sommer-Hochwasser, sagt Hans Moser von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Viele technische Maßnahmen funktionierten, es gäbe kaum Deichbrüche und auch die internationale Zusammenarbeit bewähre sich.

Hans Moser im Gespräch mit Silvia Engels | 08.06.2013
    Hans Moser: Guten Morgen, Frau Engels!

    Silvia Engels: Was ist denn, wenn Sie jetzt auf die Fluten schauen, als Zwischenstand zu sagen? Werden die Schäden, wird diese Flut insgesamt ein größeres, einen größeren Schaden hinterlassen als die Flut 2002?

    Moser: Na ja, die Flut ist ja in ganz Mitteleuropa vorhanden, und wir haben da auch schon sehr, sehr große Schäden auch in Bayern an der Donau und Inn, von daher kann man schon sagen, dass es ein sehr großes Ausmaß haben wird. Wir müssen aber vergleichen zu 2002, Entstehung und Ablauf des Hochwassers: Wir haben 2002, das war im August, ja ein typisches Sommerhochwasser gehabt mit extremen Niederschlägen im Elbegebiet, und dann kam es auch zu Sturzfluten in kleinen Nebenflüssen, wie damals zum Beispiel Müglitz oder die Weißeritz, da gab es dann ja ganz besonders schwere Schäden, und wenn Sie sich erinnern, der Bahnhof in Dresden war ja auch überflutet durch den Nebenfluss und nicht durch die Elbe selbst zuerst. Von daher haben wir eine andere Situation, denn jetzt ist ein Frühjahrs- und Sommerhochwasser zu beobachten, es lag in den Mittelgebirgen noch Schnee, und es ist auch jetzt noch eine mächtige Schneedecke in den Alpen vorhanden, und dazu kommen dann starke Niederschläge, die im Mai vorhanden waren. Den ganzen Mai über gab es starke Niederschläge, und so ist jetzt eine Hochwassersituation in ganz Mitteleuropa entstanden. Das begann zuerst an der Weser, da wurde gar nicht viel drüber berichtet, dann folgte der Rhein, und der Scheitel des Rhein-Hochwassers hat jetzt schon die deutsch-niederländische Grenze passiert, und das dritte betroffene Flussgebiet war dann eben die Donau mit Inn in Kombination. Und dann haben wir ja Pegel Passau auch schon den höchsten jemals gemessenen Wasserstand gehabt, und solche höchste jemals gemessenen Wasserstände, die erwarten wir jetzt auch in Magdeburg und Unterstrom von Magdeburg. Und im Hinblick auf diese Hochwasserschutzmaßnahmen der letzten Jahre – es wurde damals ja der Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe geschlossen – kann man sogar sagen, die haben ja gewirkt. Denn der Ablauf der Welle, wie wir sie jetzt beobachten, zeigt ja, dass Oberstrom die Deiche sehr intakt sind, und dadurch kommt es jetzt dazu, dass Unterstrom, unterhalb von Magdeburg, bisher noch nicht bekannte Wasserstände eintreten werden.

    Engels: Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass einige Kommunen nach wie vor auch mit alten Deichen zu kämpfen haben. Kann man sagen, dass in einigen Regionen ganz konkret und gut für Hochwasserschutz gesorgt wurde, in anderen nicht?

    Moser: So pauschal kann man das nicht sagen, es ist halt auch immer eine Frage der öffentlich-rechtlichen Genehmigung. Sie haben ja auf den Widerspruch zwischen Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge, die Menschen zwar einerseits gerne einen verstärkten Schutz haben möchten, aber es ist nun so, dann, wenn er unmittelbar an die Stadt herankommt, dann oftmals doch sehr große Schwierigkeiten bei der Planung und Genehmigung vorhanden sind. All das gibt ganz viele Facetten, die da eine Rolle spielen. Also ich denke, dass da sehr viel gemacht wurde – wir müssen halt unterscheiden zwischen diesen natürlichen Retentionsräumen, den Rückhalten, und technischem Hochwasserschutz. Und der natürliche Rückhalt, der ist wichtig. Also jede Furche, in der Wasser stehen bleibt, und jede renaturierte Fläche helfen. Nur bei solchen Ereignissen, wie wir es jetzt gerade wieder im Elbegebiet beobachten, wirken die nicht. Die wirken nur bei kleinen und mittleren Hochwasserereignissen. Bei solchen Extremereignissen, wie wir sie jetzt vorfinden, spielt es überhaupt keine Rolle, wie die Oberflächenbeschaffenheit ist. Jeder Tropfen, der zurzeit gefallen ist Ende Mai, ist zum Abschluss gelangt, und deshalb kommt es dann zu dieser extremen Welle, weil vorher – und gerade der Mai war sehr feucht –, vorher die Sättigung des Bodens schon erreicht war. Und wenn der Boden gesättigt ist, dann ist er genau so, als wie wenn er versiegelt werde. Also wird vollkommen überschätzt die Wirkung des natürlichen Rückhalts, und die … technischer Hochwasserschutz spielt schon eine Rolle, wenn wir jetzt zum Beispiel an der Elbe schauen, weil wir über die Elbe sprechen, im Jahr 2002, 2013, dort wäre die Moldau-Kaskade zu erwähnen. Es ist ja, die Moldau-Kaskade wurde von der Tschechischen Republik gebaut für den Hochwasserschutz Prags. Aber die Moldaukaskade hat auch eine Wirkung auf den deutschen Verlauf der Elbe, und beim Januarhochwasser 2011 hat die Moldau-Kaskade den Wasserspiegel in Dresden um einen Meter gesenkt.

    Engels: Jetzt ist, um noch mal auf Deutschland zurückzukommen, ja auch immer wieder davon die Rede, dass es eben Umweltauflagen gibt, die den Hochwasserbau oder den technischen Hochwasserbau oder den Schutz, die Schutzanlagen, das verhindert. Auf der anderen Seite gibt es ja auch immer wieder den Vorwurf, dass große Städte besser geschützt würden als kleine Kommunen, und dass, weil es ja viel um Kofinanzierung geht, auch nur reiche Kommunen sich das leisten können, die angebotenen Gelder auch wirklich zu verbauen, die armen nicht. Stimmt das?

    Moser: Das kann man auch wieder nicht so sagen. Es sind halt verschiedene Ursachen, die dazu führen, da mit mehr Hochwasserschutzmaßnahmen. Und wenn es jetzt um Schutz geht, dann ist es ja immer die Tatsache einer baulichen Maßnahme – eine Schutzwand, wie sie in Dresden dann ja für die Innenstadt gebaut wurde – und das ist halt nun wirklich ein etwas schwieriger Zusammenhang, das zu bauen, und es kann im Moment nicht gesagt werden, dass es am Geld gelegen hätte. Es ist sehr viel Geld verwendet worden in dem Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe, und es ist auch sehr viel geschehen, und das sehen wir ja am Ablauf der Welle, wie sie momentan jetzt bei Magdeburg vorbeigeht, dass ja im Grunde ganz viele Maßnahmen an den Oberläufen standhalten. Es gab ja im Grunde nur an der Mulde einen kleinen Deichbruch, und ansonsten gab es ja keine Deichbrüche, wieder im Vergleich zu 2002, da hatten wir eine Vielzahl von Deichbrüchen an der Elbe und eine Vielzahl von Deichbrüchen an den Nebenflüssen. Und das ist im Moment auch im Hinblick auf die Hochwasservorhersage ein Punkt, den man erwähnen könnte, dass ja das Modell, was jetzt die Hochwasservorhersage in der Landeszentrale in Magdeburg rechnet, das Hochwasservorhersagesystem, in einem Bereich arbeitet, in dem es vorher noch nicht gearbeitet hat.

    Engels: Sie haben eben auch die Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden gelobt, die Moldau wurde dann besser reguliert. Nun gibt es aber auch Vorwürfe aus Österreich, was die Donau angeht: Dort habe Deutschland nun die Hochwasserfolgen für Österreich verschärft. Ist da was dran?

    Moser: Ja, die Hochwasserfolgen sind natürlich Unterstrom durchaus immer gravierender als Oberstrom, wenn man solche flächendeckenden Ereignisse hat wie jetzt. Jetzt schauen wir hin, wir hatten ja Glück sogar an der Donau, dass die Innwelle – die kam ja vorher, die ist ja vorher durch Passau gelaufen und hat diesen neuen höchsten jemals gemessenen Wasserstand hervorgerufen. Die Donauwelle folgte ja hernach. Wenn jetzt die beiden Wellen aufeinandergetroffen wären, wäre es ja noch viel schlimmer geworden, und es kommen jetzt ja noch andere Nebenflüsse aus dem Alpengebiet, die ja auch eben, wie ich erwähnte – wir haben ein Kombinations-Frühjahrs-Sommer-Hochwasser, dieses Frühjahrs-Sommer-Hochwasser bringt jetzt eben wie der Inn und auch die anderen Nebenflüsse der Donau, die aus dem Alpenraum kommen, Wasser aus der Schneeschmelze mit. Und das ist eine Massemenge, die ist halt sehr, sehr groß, und da hat keiner was versäumt, weil das ist, ein ganz natürlicher Prozess, dass diese im Winter in Schnee und Eis gebundenen Wassermengen im Frühling und Sommer dann abschmelzen, und die kommen jetzt halt zufällig zusammen mit dieser Wetterlage, die wir jetzt über Wochen hatten. Das waren so blockierende Tiefdruckgebiete, die dafür sorgten, dass immer wieder und immer wieder über den gleichen Gebieten Regen fiel, und zwar sehr ergiebiger Regen, und die Kombination bringt uns jetzt diese Situation, die jetzt gerade in Magdeburg sehr schlimm werden wird.

    Engels: Hans Moser, Leiter der Abteilung für quantitative Gewässerkunde bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Vielen Dank für Ihre Informationen!

    Moser: Danke schön, Frau Engels!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.