Aus den Feuilletons

Die hippe Ostmoderne ist vom Abriss bedroht

04:20 Minuten
Die ehemalige Kantine des VEB Robotron.
Bis zur Wende beherbergte das Gebäude die Betriebskantine des VEB Robotron in Dresden. Danach wurde es für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Seit 2016 steht es leer. © imago images / ddbd
Von Tobias Wenzel · 04.10.2020
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Der Berliner Palast der Republik wurde bereits abgerissen, die Dresdner Robotron-Kantine könnte bald folgen – und das, obwohl „die Architekturszene die Ostmoderne längst als hippes Thema entdeckt hat“, berichtet der „Tagesspiegel“.
"Überall heißt es, Schadenfreude sei nicht angebracht", schreibt Hans Zippert in der WELT mit Blick auf Donald Trumps Corona-Infektion, um dann zu fragen, ob denn das Heucheln von Mitgefühl besser sei:
"Es wird nur sehr wenige extrem gefestigte Charaktere geben, die gedacht haben: 'Der arme Trump, als ob der es nicht schon schwer genug hat, den ganzen Tag die anstrengende Lügerei und Hetze – und nun auch noch Corona!'. So viel Empathie bringt nicht mal der Papst auf."

Autofiktionaler Bericht über Trumps Herzschwäche

"Die Ära des Patienten Trump", die Überschrift im Feuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, meint erst mal nicht die jetzige Covid-19-Erkrankung, sondern einen 27 Jahre zurück liegenden Vorfall Trumps: 1993 soll Trump nämlich "durch eine Herzschwäche" zusammengebrochen sein.
Darüber schreibt jedenfalls Paul Ingendaay, wobei er diese Information Ayad Akhtars Roman "Homeland Elegien" entnommen hat. Der erscheint in einer Woche auf Deutsch. Der Roman sei allerdings "Autofiktion", erklärt Ingendaay, sei "dicht an nachprüfbaren Tatsachen entlang" erzählt. Insofern dürfe man wohl davon ausgehen, dass das mit den Herzbeschwerden Donald Trumps im Jahr 1993 stimme. Zumal der behandelnde Kardiologe der Vater des Romanautors gewesen sei.
Trump hat laut Romantext den damals extra eingeflogenen Arzt, einen pakistanischen Immigranten, stundenlang warten lassen. Dem Kardiologen sei der Geduldsfaden gerissen, er habe sich bei Trump beschwert. In den Worten Paul Ingendaays: "Da tut Trump etwas, was Zeugen späterer Jahrzehnte nicht mehr von ihm überliefern werden: Er entschuldigt sich."

Dank 3-D-Audiotechnik nah dran am Kneipengefühl

Von "Homeland Elegien" zu Homeoffice-Ermüdungen: Die meisten dürften die Videokonferenzen leid sein. Die Firma High Fidelity hat das erkannt und sich deshalb von der visuellen Kommunikation verabschiedet und sich stattdessen der 3-D-Audiotechnik zugewandt, berichtet Michael Moorstedt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Bei so einer 3-D-Audiokonferenz höre man die anderen Teilnehmer lauter, wenn man ihnen virtuell näher komme, als farbiger Punkt in einer abstrahierten, aus der Vogelperspektive gezeigten "Strandlandschaft". Wenn man sich beziehungsweise seinen Punkt auf dem Bildschirm von den anderen Teilnehmern entferne, würden deren Stimmen kontinuierlich leiser.
"Manche Nutzer berichten, noch nie seien sie dem Bar- und Kneipengefühl von einst näher gekommen als durch High Fidelity", schreibt Moorstedt. "Dieses beruhigende soziale Grundrauschen, von dem man wohl nie geahnt hätte, wie sehr man es mal vermissen würde."

Ostmoderne - hip und doch vom Abriss bedroht

Nicola Kuhn vermisst den abgerissenen Palast der Republik als ein herausragendes Beispiel der DDR-Architektur. Jedenfalls meint man das aus ihrem Artikel für den TAGESSPIEGEL "Alte Platte, neue Liebe" herauszulesen.
"Die Architekturszene hat die Ostmoderne längst als hippes Thema entdeckt, Designer entwerfen Kissen und Tapeten mit Plattenbau-Fassaden als Muster, auf die sanftes Abendlicht fällt", schreibt Kuhn. Aber die neue Liebe zur Platte reiche oft nicht aus, um Abriss oder Verfall zu verhindern.
Auch die Dresdner Robotron-Kantine sei noch vom Abriss bedroht. Die Sanierung von Halle-Neustadt schätzt Nicola Kuhn als gescheitert ein: "Von den fünf einstmals als Gegenpol zu den historischen Türmen der Hallenser Altstadt errichteten Scheibenhochhäusern stehen heute vier leer: Drei sind aufgegeben und gehören den Tauben, eins soll für teure Apartments hergerichtet werden und befindet sich im Wartezustand."
Vielleicht steigt der Immobilienunternehmer Donald Trump ja noch ein und macht eine Luxussanierung von Halle-Neustadt - wenn er Covid-19 überlebt. "Und falls Trump stirbt", schreibt Hans Zippert in der WELT, "würde er seinen Tod einfach so anerkennen oder ihn vor Gericht anfechten?"
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