Freitag, 19. April 2024

Archiv

Hochwasserschutz
Deiche oder Polder?

Flüsse treten über die Ufer, die Straßen sind voller Schlamm und oft ragen nur noch die Hausdächer hervor. Es sind jedes Jahr immer wieder die gleichen Hochwasser-Bilder. Städte und Dörfer müssen sich darauf einstellen, mit solchen Wassermassen zurechtkommen. Einfach ist so ein Hochwasserschutz nicht.

Moderation der Sendung Arndt Reuning | 08.10.2017
Ein vom Hochwasser betroffener Bewohner steht im Wasser und beobachtet im Überschwemmungsgebiete Dresden-Laubegast ein vorbeifahrendes Ruderboot.
Ein vom Hochwasser Betroffener beobachtet im August 2002 im Überschwemmungsgebiete Dresden-Laubegast ein vorbeifahrendes Ruderboot (imago / Koall)
August 2002. Der Regen fällt, und die Pegel steigen. In Bayern und entlang der Elbe. Die Flut kommt.
"Man steht davor und versucht, das zu – nicht zu verarbeiten, aber einfach zu begreifen, und..."

"Wir versuchen hier zur Zeit, an zwei bis drei Stellen hier den Damm soweit zu erhöhen, dass er nicht durchdrückt."
"Wenn da jetzt jeder drauf rumlatscht, ist das Problem, dass der Rasen dann im Arsch ist, und wenn der aufweicht, dann hält hier nichts."
Die Hochwasserwelle aus dem Jahr 2002 setzte Dörfer und Städte unter Wasser, sie unterspülte Straßen, riss Brücken fort. Milliardenbeträge sind seitdem in den Hochwasserschutz geflossen: in Deiche, Betonmauern und Spundwände. Aber verlagern diese Bauwerke nicht bloß das Problem stromabwärts, während sie gleichzeitig die Anlieger in einer trügerischen Sicherheit wiegen? Denn ein hundertprozentiger Schutz wird niemals existieren. Dem Fluss mehr Raum zu geben durch natürliche Überschwemmungsflächen, das wäre eine Alternative dazu, doch sie scheitert oft an der dichten Bebauung. Wie kann ein umfassender Hochwasserschutz in Deutschland fünfzehn Jahre nach der Flut an der Elbe aussehen? Darum soll es heute gehen.
Im Studio begrüßt Sie ganz herzlich Arndt Reuning.

Und wie ist unser Land aufgestellt, wenn es um den Hochwasserschutz entlang der Flüsse geht? Diese Frage möchte ich gleich zu Beginn weitergeben an jemanden, der sich damit auskennt. An Jürgen Jensen, Professor an der Universität Siegen. Dort leitet er das Forschungsinstitut Wasser und Umwelt. Und das ist seine Antwort:
Wie ist Deutschland im Hochwasserschutz aufgestellt? Interview mit Jürgen Jensen

Soweit vorerst Prof. Jürgen Jensen von der Universität Siegen. Und es klang ja bereits an: Je höher die Deichkrone, desto breiter der Fuß, die Basis des Bollwerks gegen die Flut. Das scheint eine der grundlegenden Regeln zu sein beim Deichbau. Aber die Stabilität eines Deiches lässt sich auch noch durch eine andere Stellschraube erhöhen, nämlich durch das Material, aus dem er aufgebaut ist.
Mein Kollege Piotr Heller hat sich an der TU Darmstadt angeschaut, wie das aussehen könnte:

Das Wasserbaulichen Forschungslabors der TU Darmstadt ist eine riesige Halle. An mehreren Modellen simulieren die Wissenschaftler hier, wie Wassermassen auf Bauwerke einwirken oder wie Staudämme Flussbetten verändern.
Geht man hier eine schmale Treppe in den Keller hinunter, wird es etwas ruhiger. Und plötzlich steht man vor etwas, das an ein riesiges Aquarium erinnert. Doch hinter dem Glas befinden sich keine Fische, sondern der Querschnitt eines Deiches. Es ist die Tiefrinne des Labors, mit der Sirko Lehmann an der Zukunft des Hochwasserschutzes forscht.
"Die Tiefenrinne, die ist 30 Meter lang. Ist auf einer Länge von sieben Meter verglast. Da stehen wir jetzt gerade davor. Da konnten wir ein ungefähr zwei Meter hohen Deich-Querschnitt einbauen."
Und dieser Deich-Querschnitt ist gerade in Betrieb. Links von ihm steht das Wasser in der Tiefenrinne bis fast zu seiner Krone, rechts ist keines. Dieses Modell trotzt also – wie ein echter Deich – dem Wasserdruck. Doch anders als ein echter Deich besteht es nicht aus Sand, der mit Kleiboden – also getrocknetem Schlick –bedeckt und somit abgedichtet ist. Nein, dieses Modell ist aus einem so genannten zementstabilisierten Bodengemisch gebaut.
"In Prinzip funktioniert genauso wie der Beton, den man so kennt, wo man Wasser, Sand und Zement zusammen macht, nur, dass wir in diesem Fall jetzt hier einen alten Deich-Baustoff genommen haben. Und dem haben wir jetzt Kalk und Zement beigemengt und es entsteht ein Baustoff, den man auch fast als Beton bezeichnen könnte, der ähnliche Eigenschaften wie Beton hat, aber natürlich kein fester Beton ist."
Aus diesem Stoff könnte man stabilere Deiche bauen und sie dadurch steiler konstruieren als heute. Das hätte etwa dann Vorteile, wenn man Deiche aufstocken will. Heute muss man sie dafür auch breiter machen, was zu Problemen mit anliegenden Grundstücken führen kann – manchmal ist einfach kein Platz da. Mit dem neuen Material könnte man die Deiche also höher bauen, ohne ihre Basis zu verbreitern. Oder besser gesagt: Vielleicht könnte man das tun. Denn bevor es so weit ist, müssen die Forscher rausfinden, ob sich der zementverdichtete Boden überhaupt für den Deichbau eignet. Sirko Lehmann deutet auf das Modell hinter der Glasscheibe.
"Da, wo jetzt diese Markierungen durch diese Klebezettel sind, sind sogenannte Drucksensoren eingebaut, die uns einfach den Wasserdruck an der Stelle ausgeben, mit dem wir wieder einen Rückschluss ziehen können auf eine sogenannte Sickerlinie, die sich in unserem Erdreich immer ausbilden muss."
Material für den Deichbau etablieren
So können die Forscher genau erkennen, wo das Wasser, das durch den Deich sickert, entlangfließt. Eine andere Frage ist: Was passiert, wenn Wasser über den Deich strömt? Sirko Lehmann Leitet jetzt mehr Wasser in die Rinne.
"So. Jetzt haben wir 90 Liter pro Sekunde, die da lang fließen. Wenn wir das jetzt hier drüben angucken, dann sieht man, dass da der Wasserspiegel steigt. Und je weiter er nun steigt, dann fängt er natürlich irgendwann an, diesen Deich zu überströmen."
Die Forscher messen mit Infrarotsensoren, wie viel Wasser über den Deich fließt und können so die Kräfte ausrechnen, die auf das Modell wirken. Die Ergebnisse nach dem ersten Jahr dieser Forschung sind vielversprechend: Das Modell lässt sich längere Zeit mit Wasser überströmen und geht dabei nicht kaputt. Doch solche Versuche reichen nicht, um das Material im Deichbau zu etablieren.
"Zukünftig planen wir, auf dem Gelände der Deichmeisterei in Beibesheim eine bestehende Versuchseinrichtung zu reaktivieren. Wir wollen zumindest Teile dieses Querschnitts jetzt auch zementstabilisiert aufbauen, um prüfen zu können: Die Ergebnisse, lassen die sich denn im großen Maßstab auch umsetzen? Kann man das so bautechnisch herstellen? Wie verhalten Sie sich dann auch Wühltiere? Werden die diesen Bereich meiden oder werden Sie da bewusst jetzt gerade loslegen?"
Es werden noch einige Jahre vergehen, bis solche Fragen geklärt sind, und das zementstabilisierte Bodengemisch – vielleicht – im Hochwasserschutz zum Einsatz kommt.

Das sagt Piotr Heller. Und von der Zukunft werfen wir erneut einen Blick auf die Vergangenheit, auf das Jahr 2002.
"Wir können einschätzen, dass die Verbindungsstraße zu den Bayer-Werken sicher ist. Problem ist, dass wir derzeit noch Sandsäcke brauchen. Wir brauchen noch Sandsäcke. Sie sehen: Die Sandlieferung läuft reibungslos. Das Problem ist immer, genügend Sandsäcke zu bekommen."
"Ich sage, wenn es woanders war, dann hat man sich nicht ganz so den Kopf gemacht. Aber jetzt, wenn es einen selber hier betrifft…"
"Zur Zeit haben wir an zwei Stellen ein paar Sickerstellen. Aber die sind für uns nicht so gefährlich, da noch klares Wasser fließt."
Sandsäcke liegen am 27.07.2017 in Hildesheim (Niedersachsen) vor dem Fluss Innerste. Dauerregen hat im südlichen Niedersachsen in einigen Orten zu Überschwemmungen geführt. Foto: Swen Pförtner/dpa | Verwendung weltweit
Sandsäcke als Schutz vor Hochwasser (dpa/Swen Pförtner)
Es sind gewaltige Lasten, die im Falle eines Hochwassers auf die Deiche einwirken. Heißt das vielleicht einfach nur: Wir müssen die Deiche bloß fest genug, stabil genug, hoch genug errichten, damit sie ausreichende Sicherheit gewährleisten? Dazu noch einmal Prof. Jürgen Jensen von der Universität Siegen:
Unser Deich kann besser werden - Interview Jürgen Jensen, Universität Siegen

Das sagt Jürgen Jensen von der Universität Siegen zum ökologischen Hochwasserschutz.
Und wie das ganz konkret aussehen könnte, kann man sich an der Elbe anschauen. Im UNESCO-Biosphärenreservat Mittlere Elbe.Dort wurden Deiche rückverlegt. Und damit entstehen in der Nähe von Dessau nicht nur riesige Retentionsflächen, sondern auch Deutschlands größte Auenwälder. Unser Landeskorrespondent Christoph Richter mit den Hintergründen:

"…guckt mal, hier kann schon jemand mit Bindedraht und Kombizange, oben und unten einmal, das zusammen schnüren…."
Dutzende Freiwillige sind an der Elbe, im Auenwald bei Dessau – in der Nähe des Lödderitzer Forst - unterwegs. Deutschlands größtes Deichrückverlegungsprojekt. Unter Anleitung der WWF-Naturschutzreferentin Astrid Bräuer sollen heute die neugepflanzten Bäume im Überflutungsgebiet - einem sumpfig, dicht bewachsenen Auenwald - mit Maschendraht vor den Elbe-Bibern geschützt werden.
"Passt auf, ihr könnt auch auf Wurzeln stoßen. Wir wollten einen Wald anpflanzen, also wollen wir sicher gehen, das auch wieder ein Wald entsteht."
Seit dem frühen Mittelalter wurde die Elbe eingeengt, Deiche angelegt. Bereits mit dem Wiener Kongress wurden die Anrainerstaaten im Jahr 1815 verpflichtet, Hindernisse der Elbschifffahrt aus dem Weg zu schaffen. Also Sandbänke, Buhnen, flache Strände: Ein Landschaftsbild, von dem schon Goethe schwärmte. Lange war davon aber nichts mehr zu sehen, jetzt wird an der mittleren Elbe – das liegt in etwa zwischen Torgau und Magdeburg - Stück für Stück das alte Landschaftsbild wieder hergestellt. Großen Anteil daran hat Deutschlands größtes Deichrückverlegungsprojekt am Lödderitzer Forst. Astrid Eichhorn ist Projektleiterin bei der Umweltstiftung WWF, sie koordiniert das Projekt seit Anfang der 90er-Jahre.
"Zuerst ist eine 7,3 Kilometer neue Deichtrasse entstanden. Mit diesem Deich haben wir eine Überflutungsfläche bei Hochwasser von 900 Hektar zur Verfügung."
Planungen bereits seit Anfang der 1990er-Jahre
Damit ist am Lödderitzer Forst im UNESCO-Biosphärenreservat Mittlere Elbe sowas wie ein Riesentrog entstanden, eine Art Badewanne, in die im Notfall das Hochwasser fließen kann. Dazu wurde eine Million Kubikmeter Erdreich bewegt, der Deich zweieinhalb Kilometer ins Hinterland verlegt. Bei einer Hochwasserkatastrophe soll das eine Scheitelsenkung von etwa 28 Zentimetern ergeben.
"28 Zentimeter ist so hoch wie ein DIN A 4 Blatt. Aber 28 Zentimeter im Wohnzimmer oder außerhalb des Wohnzimmers ist schon eine Hausnummer."
Hinter dem neuen Elb-Deich ist ein ausgetüfteltes Grabensystem entstanden, so WWF Regionalleiterin Astrid Eichhorn. Durch die Deichverlegung seien die Ortschaften ja näher an den Deich gerückt. Um die Menschen im Hochwasserfall vor dem so genannten Qualmwasser – durch die Deiche sickerndes Wasser - zu schützen, hat man regulierende Schöpfwerke gebaut, die das Sickerwasser zurück in die Überflutungsauen pumpen.
Alles in allem ein langwieriges und teures Projekt. Erste Planungen wurden bereits Anfang der 1990er Jahre gemacht, dieses Frühjahr wurde der Alt-Deich eingerissen. Kosten insgesamt: 34 Millionen Euro. Zu 75 Prozent übernimmt sie der Bund, zu 15 Prozent das Land Sachsen-Anhalt. Den Rest bezahlt der WWF.
Küstenschutz am Wattenmeer
Küstenschutz am Wattenmeer: Deiche reichen in Zukunft nicht mehr (dpa / picture alliance / Hinrich Bäsemann)
Effektiver Hochwasser-Schutz ist nicht durch höhere Deiche gegeben, sondern nur durch mehr Retentions- also Überflutungsflächen, unterstreicht Astrid Eichhorn vom WWF:
"Die Frage, ist das 100 Prozent sicher, kann ich nicht beantworten. Aber nach den neuesten Erkenntnissen, und das Hochwasser 2002 ist ein Bemessungshochwasser und darauf ist noch eine Fläche draufgeschlagen. Und das haben wir alles berechnet, über eine 2-D-Modell-Berechnung. So sind die 28 Zentimeter entstanden."
Was bisher nur theoretisch errechnet wurde, konnte am Deichrückverlegungsprojekt in Lenzen bei Wittenberge – im Dreiländereck Brandenburg/Niedersachsen/Sachsen-Anhalt – empirisch belegt werden, so Auenökologe Mathias Scholz vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.
"Hier sind nicht nur Modelle von der Bundesanstalt für Wasserbau gelaufen, sondern es wurde in der Natur bei einem Winterhochwasser gemessen. Und so hat man am Pegel Schnakenburg in Niedersachsen eine Absenkung bei hohen Hochwasserereignissen von 38 Zentimetern messen können. Das ist schon eine Hausnummer, wenn man bedenkt, dass manchmal schon fünf Zentimeter entscheiden, ob das Wasser über den Deich geht oder unter dem Board bleibt."
Die Auenwälder brauchen Hochwasser
Effektiv werde der Hochwasserschutz für Anwohner aber nur, wenn in Zukunft sich diverse Retentionsflächen wie Perlen an einer Kette am Fluss entlangreihen, so Scholz weiter. Nur dann könne der Pegel im Katastrophenfall wirklich wirksam gesenkt werden.
Deutschlands größtes Deichrückverlegungsprojekt im Lödderitzer Forst bei Dessau ist aber mehr als Hochwasserschutz, nämlich auch ein immenses Naturschutzvorhaben. Mit einer einzigartigen Dynamik, wie Auenökologe Mathias Scholz unterstreicht. Denn zeitgleich revitalisiert man alte, bislang kaum noch vorhandene Hartholz-Auenwälder. Wo sich vorher Ackerflächen befanden, wurden beispielsweise 80.000 Eichen gepflanzt, die man extra aus Eicheln groß gezogen hat, die an das Hochwasser gewöhnt waren. Standortfremde Gehölze wie etwa die Hybridpappel oder die amerikanische Rot-Esche wurden entfernt.
"Die Hartholzauenwälder zählen zu den artenreichsten Waldökosystemen, die wir in Mitteleuropa haben. Sie sind auf der Roten Liste, sie sind europaweit über die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt. Und von daher haben wir in Deutschland eine besondere Verantwortung, neue Wälder zu entwickeln."
Damit sie aber auch als Hochwasserschutz wirken – das ist schon fast etwas paradox – brauchen die Auenwälder Hochwasser. Die Bäume müssen mindestens alle drei Jahre mal im Wasser stehen, damit sie richtig gedeihen. Weshalb man auch Rinnen in den Boden schlitzt, damit das Wasser bis in die entlegeneren Gebiete gelangt.
Dahinter steht ein radikales Umdenken. Wollte man früher bei Hochwasserkatastrophen die Fluten extrem eindämmen, will man nun das Wasser gar bis in die entlegeneren Gebiete der Überflutungsbereiche bekommen.
Amazonien in Deutschland
Astrid Eichhorn vom WWF spricht auch gern von Deutschlands einzigem Regenwald, der derzeit an der Elbe entsteht.
"Dieses Naturschutzprojekt Mittlere Elbe ist ein Modellprojekt: Wie kann man Naturschutz und Hochwasserschutz miteinander verbinden. Das ist ziemlich wichtig, dass man auch die Menschen am Fluss sieht. Wir wissen, dass von den Hochwassern 2002 und 2013. Der Fluss rächt sich doch, wenn er in so ein enges Korsett gezwungen wird. Und demzufolge muss man einfach überlegen, an welchen Stellen ist es möglich, wo man dem Fluss mehr Überflutungsfläche geben kann."
Die ersten Überlegungen zu Deichrückverlegungen hat man in den 1980er Jahren am Rhein gemacht. Doch ist man da nicht weit gekommen, auch weil der Fluss schon zu großflächig überbaut, mit zu vielen Staustufen – gerade zwischen Basel und Iffezheim – ausgestattet war. Weshalb heute die Mittlere Elbe deutschlandweit als Vorzeige-Projekt gilt.
Und wie man ein Bild von Matisse, Rembrandt oder Picasso schützt, genauso macht man es an der Mittleren Elbe mit den alten, jetzt renaturierten Auenwäldern.
"Man muss auch immer wieder sagen, die Wälder sind ein Kulturgut. Sie sind letztendlich auch ein Ergebnis der Arbeiten der Forstkollegen der letzten Jahrhunderte."
Und diese Schönheit wolle man wieder zum Strahlen bringen, sagt noch Mathias Scholz vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Damit auch unsere Nachfahren – ähnlich wie einst Goethe im Brief an Freifrau von Stein – über die anhaltische Elbe-Landschaft sagen können: "Hier ist’s unendlich schön."
Das geht auch den freiwilligen Helfern so, die mit daran arbeiten, dass aus den Auenwäldern wieder malerische, wild-romantische Elbe-Landschaften werden. Das Amazonien in Deutschland, wie es auch heißt.
"In Leipzig haben wir auch Auenwälder. Find ich wichtig, dass man so was erhalten sollte."
Nach Angaben des Magdeburger Umweltministeriums sollen in den nächsten Jahren an der Elbe in Sachsen-Anhalt weitere 17 Deiche geöffnet bzw. zurückverlegt werden, wobei Überflutungsflächen und Auenwälder von 2.300 Hektar entstehen sollen. Eine Fläche, dreimal so groß wie der Tegernsee.

Wasser braucht Raum, sagt Christoph Richter.

Und in seinem Beitrag wurde bereits ein zweites Projekt erwähnt in der Lenzener Elbtalaue. Auch dort wurde ein Deich vom Fluss weg verlegt und der alte Deich durchstochen, um Platz zu machen für natürliche Überschwemmungsflächen. Geleitet wurde die Maßnahme von Dr. Christian Damm vom Aueninstitut am Karlsruher Institut für Technologie. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen. Ich wollte wissen, ob auch bei seinem Projekt vor allem der Naturschutz im Vordergrund stand, und nicht so sehr der Hochwasserschutz.
Was bringt ökologischer Hochwasserschutz? Interview Christian Damm, KIT

Dr. Christian Damm vom Karlsruher Institut für Technologie über den Nutzen des ökologischen Hochwasserschutzes.

"Flutwelle haben wir noch nie hier gehabt."
"Und heute haben wir jetzt privat organisiert die Sandsäcke, und dass wir unsere Lüftungsschächte hier schützen wollen. Und das bedrückt hier, diese vielen Samariter zu hören, das ist schon etwas bedrückend und ungewöhnlich, ja. Und da weiß man eigentlich, dass was los ist, wenn man hier Sandsäcke schaufelt und hat strahlendes Wetter."
"Ich wünsche mir aber vor allem auch, dass jetzt noch klarer ist, dass wir hier nicht über Theorie sprechen, sondern über Zukunftsvorsorge, über Vorsorge für uns, für unsere Nachkommen und dass wir heute handeln müssen, weil der Bremsweg so verflucht lang ist der Natur. Wenn es passiert, dann ist es zu spät. Und die Gegenentwicklung einzuleiten, das bedarf großer Anstrengung, das bedarf langer Zeit."

Joschka Fischer war das im Jahr 2002, damals Bundesaußenminister. Neben dem technischen Hochwasserschutz mit seinen Deichen und dem ökologischen Hochwasserschutz durch Retentionsflächen darf natürlich auch nicht der Siedlungsbau aus dem Auge geraten. Deiche vermitteln ein Gefühl von Sicherheit; das kann sich aber auch als trügerisch erweisen. Führt ein Ausbau der Schutzanlagen nicht auch zwangsläufig dazu, dass die Bebauung zunimmt in Gebieten, wo das Risiko eigentlich zu groß dafür ist? Das habe ich den Wasserbau-Experten Jürgen Jensen gefragt.
Das trügerische Gefühl von Sicherheit - Interview Jürgen Jensen, Uni Siegen

Und damit geht unsere Sendung auch schon wieder zu Ende. Deiche oder Polder? Hochwasserschutz an deutschen Flüssen. Das war unser Thema heute. Die Redaktion der Sendung hatte Uli Blumenthal, in der Technik saß Julian Hilgert, und am Mikrofon verabschiedet sich Arndt Reuning.