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Höhere Strafen für Angriffe auf Polizisten
"Das wird ein deutliches Zeichen setzen"

CDU-Innenpolitiker Armin Schuster begrüßt die vom Kabinett beschlossene Erhöhung der Strafen für Tätlichkeiten gegen Polizisten. "Die Respektlosigkeiten und die Attacken werden immer grotesker," sagte er im DLF. Mindeststrafen von drei Monaten Freiheitsentzug würden ihre Wirkung zeigen.

Armin Schuster im Gespräch mit Christiane Kaess     | 08.02.2017
    Ausschussmitglied Armin Schuster (CDU) gibt am 05.02.2015 in Berlin in einer Pause der Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin ein Statement ab. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
    Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster. (picture alliance/dpa - Maurizio Gambarini)
    Christiane Kaess: Mehr Schutz für Polizisten, das mag sich erst einmal seltsam anhören, sind doch die Sicherheitskräfte diejenigen, die für eben diesen Schutz sorgen sollen. Aber mittlerweile werden sie selbst immer wieder Opfer von Attacken, und zwar nicht nur bei Großeinsätzen. Deshalb hat das Kabinett eine Gesetzesreform auf den Weg gebracht, nach der Täter in diesem Zusammenhang härter bestraft werden sollen. Außerdem will die Regierung beschließen, dass die elektronische Fußfessel in mehr Fällen zum Einsatz kommt als bisher. Über all dies sprechen möchte ich mit Armin Schuster. Er ist Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages und er war selbst Polizist. Guten Tag, Herr Schuster.
    Armin Schuster: Guten Tag, Frau Kaess.
    Kaess: Diese härteren Strafen für Gewalt gegen Polizisten, glauben Sie, die werden tatsächlich abschreckend wirken?
    Schuster: Ja, das ist schon eine spürbare Veränderung. Es ist gerade schon in dem Beitrag angeklungen, das kritisieren ja auch einige im politischen Raum: Die Tatsache, dass wir jetzt die Geldstrafe bei einem tätlichen Angriff gar nicht mehr als Möglichkeit anbieten, sondern der Richter im Mindestfall auf drei Monate gehen muss, das wird sich auswirken. Und ich sage mal, das quasi als Kavaliersdelikt schon eingepreiste Schubsen von Polizisten, das kann man kritisieren, dass man dafür jetzt unter Umständen eine dreimonatige Freiheitsstrafe kriegt. Wir halten es für angemessen, weil es kein Kavaliersdelikt ist und weil wir die Sorge haben, bei den stark steigenden Zahlen, dass die Hemmschwelle bei Angriffen gegen Polizeibeamte einfach zu sehr sinkt.
    "Wir haben eine völlig neue Situation"
    Kaess: Wir haben auch gerade gehört, die Kritik sagt auch, das ist heikel, denn das Ganze entsteht oft aus spontanen Situationen.
    Schuster: Ja, da muss man jetzt genau hinschauen. Es ist richtig, was die Kritiker sagen. Der 113 StGB, also Widerstand, kommt übrigens von vor Jahrzehnten und ist gemacht worden, um Bürger vor einem vielleicht übergriffigen Staat zu schützen, wie es ihn mal gab. Und dass man in einer solchen Situation, in einem solchen empfundenen Überunterordnungsverhältnis als Bürger dann unter Umständen agiert in einer Art und Weise, die nicht angemessen war, ist verständlich. Das ist aber nicht mehr die Bundesrepublik Deutschland. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir ja nicht mehr die Situation, dass die Polizei oder der Staat in einer starken Überunterordnung übergriffig wird. Es ist ja jetzt gerade anders herum das Problem, dass die Respektlosigkeiten, die Attacken auf Polizisten, Rettungskräfte immer grotesker werden, wenn ich jetzt nur das Beispiel sehe von Dortmund vom letzten Wochenende, und deswegen haben wir eine völlig neue Situation.
    Kaess: Die Ausschreitungen bei dem Fußballspiel meinen Sie.
    Schuster: Ja. Wir haben eine völlig neue Situation schon länger. Die Union ist jetzt, ich kann wirklich sagen, sehr, sehr froh, dass Justizminister Maas endlich jetzt bereit war, es zu tun. Wir fordern das ja schon sehr lange und er hat lange gezögert. Jetzt liegt es auf dem Tisch. Wir hätten es uns sogar noch ein bisschen besser vorstellen können, aber wir nehmen was wir kriegen. Ich halte das für einen guten Schritt.
    "Zehnprozentige Steigerung in zwei Jahren bei Straftaten gegen Polizisten"
    Kaess: Wenn Sie das so sehen, Herr Schuster - wir wissen auch, dass die Gewalt gegen alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zugenommen hat, zum Beispiel auch gegen Mitarbeiter von Jobcenter -, hätte man das Ganze weiter fassen müssen?
    Schuster: Ja, das war eine Unions-Forderung. Damit konnten wir uns gegenüber der SPD nicht durchsetzen. Wir hatten zum Beispiel Mitarbeiter in Jobcenter und Lehrer durchaus auch gesehen. Die Respektlosigkeiten und teilweise auch Angriffe, wirklich Angriffe, die nehmen zu auf Menschen, die den Staat repräsentieren. Das sind nicht nur Polizisten und Vollstreckungsbeamte. Aber so weit sind wir mit der SPD nicht gekommen. Wir hätten auch gerne die reine Drohung mit einem Übel - Sie kennen das vielleicht aus dem Fernsehen, den Satz; den gibt es aber auch in der Realität, wenn das Gegenüber zum Polizist sagt, wir wissen, wo Deine Frau wohnt oder wo Deine Kinder zur Schule gehen -, so eine Drohung mit einem empfindlichen Übel, also Nötigung quasi, hätten wir gerne drin gehabt. Das konnten wir auch nicht durchsetzen. Aber ich bin froh, dass wir das hinbekommen haben, was wir jetzt haben. Das wird ein deutliches Zeichen setzen und das erwarten die Polizisten auch. Wir haben eine zehnprozentige Steigerung in zwei Jahren bei den Straftaten gegen Polizisten.
    Angriff gegen den Staat
    Kaess: Da haben wir schon drüber gesprochen. - Sie schieben jetzt eine ganze Menge auf die SPD. Es steht aber noch eine andere Kritik im Raum, die besagt, eigentlich wäre die Verschärfung gar nicht nötig gewesen, wenn die Richter den bisherigen Rahmen richtig ausgeschöpft hätten.
    Schuster: Dem möchte ich nicht unbedingt widersprechen. Aber es ist als Gesetzgeber auch unsere Aufgabe, dann den Richtern das an die Hand zu geben, was sie scheinbar brauchen. Ich habe ja gerade gesagt: Wenn man die Mindeststrafe auf drei Monate setzt, dann geht es mit der Geldstrafe nicht mehr. Sie haben im Vorbeitrag ja einen Bundesrichter angesprochen. Da kann ich nur sagen, dem würde ich mal ein vierwöchiges Praktikum empfehlen in einem der Innenstadtbezirke von Duisburg, Berlin, Hamburg bei der Polizei, um einfach mal auch praktisch mitzunehmen, was ein Polizist heute erlebt. Dann kommt er vielleicht auch zu anderen Schlüssen. Der macht’s ja sehr öffentlich. Da muss ich sagen, dann bist Du eigentlich fassungslos, wenn Du so was von einem Richter hörst. Gott sei Dank machen das nicht alle Richter so, aber es darf nicht Schule machen, dass hier Polizeibeamte oder Vollstreckungsbeamte Dinge erleiden müssen, die keiner sonst erleiden muss, und hier wird ja doppelt angegriffen. Es wird ja nicht nur der Polizist als Mensch angegriffen; es wird ja der Staat angegriffen, und das ahnden wir stark.
    Kaess: Herr Schuster, es ist heute auch Thema im Kabinett die elektronische Fußfessel. Justizminister Maas, der sagt, terroristische Straftäter, auch wenn sie aus der Haft rauskommen, die sind eine mögliche Gefahr und deswegen sollen sie diese Fußfesseln tragen können. Was bringt das?
    Schuster: Das bringt alleine natürlich nicht viel. Aber im Kontext dessen, was Polizei mit solchen Gefährden machen kann, ist es sehr wirkungsvoll. Es ist immer diese Frage, ich werfe das Scheinwerferlicht auf eine einzige Maßnahme. Das könnten wir jetzt auch bei der Vorratsdatenspeicherung machen oder bei was auch immer.
    "Die Fußfessel unterstützt ganz stark die Observationen"
    Kaess: Es wird von der Politik immerhin verkauft als Anti-Terror-Maßnahme.
    Schuster: Ja natürlich! Aber wenn Sie unsere Gesetze lesen, dann lesen Sie, dass das ein Bestandteil ist. Thomas de Maizière hat einen Zehn-Punkte-Plan gemacht und wenn Sie alle zehn Punkte beleuchten, dann sehen Sie, dass es ein wirkungsvolles Mittel ist, und die Fußfessel unterstützt ganz stark die Observationen, die die Polizei sowieso machen muss.
    Kaess: Was kann sie denn verhindern?
    Schuster: Sie kann zum Beispiel verhindern, dass sich ein Gefährder unerkannt einem Verbotsbereich nähert. Sie können ja einem Gefährder sagen, dass ganz bestimmte Bereiche für ihn verboten sind. Da gibt es räumliche Beschränkungen, da darf er nicht rein.
    Kaess: Aber einen Terroranschlag, wenn es jetzt wirklich um den Kontext Terror geht, wird es nicht verhindern?
    Schuster: Das möchte ich bestreiten. Ob das nur die Fußfessel kann, da können wir gerne diskutieren. Aber selbst die könnte es. Dafür müssten Sie sich anschauen, wie die Alarmauslösung aussieht, wenn ein Gefährder mit einer Fußfessel in einen verbotenen Bereich geht, wie schnell dann diese Alarmauslösung in dem zuständigen Revier ist und man dann vor Ort sein kann. Das Auskundschaften eines Breitscheidplatzes, um eventuell sich auszusuchen, wo man eine Tat begeht, reicht ja schon, wenn er das als Verbotsraum hat. Wir dürfen das nicht unterschätzen, weil wir es ja auch schon bei Sexualstraftätern einsetzen. Es ist ja nicht so, dass wir keine Erfahrung damit hätten. Wir weiten es jetzt einfach aus über Sexual- und Gewaltstraftäter auch auf extremistische Straftäter. Mir ist nicht ganz klar, warum an dem Mittel elektronische Aufenthaltsüberwachung so heftig kritisiert wird. Wir haben keine schlechten Erfahrungen damit gesammelt.
    "Wir wären dankbar gewesen, hätte Anis Amri eine Fußfessel getragen"
    Kaess: Dann schauen wir doch noch mal auf eine ganz andere Kritik. Sie haben jetzt gerade über die Gefährder gesprochen. Der Deutsche Anwaltsverein, der sagt, das ist verfassungsrechtlich fraglich, ob Menschen, die überhaupt noch keine Gewalttat begangen haben, auf diese Art und Weise überwacht werden dürfen.
    Schuster: Ja. Diese Kritik wenden Sie bitte mal auf den Fall Anis Amri an, wo wir ja verzweifelt versucht haben herauszufinden über Observation und Telefonüberwachung, ob er Vorbereitungshandlungen begeht für eine staatsgefährdende Straftat. Der hat auch noch nichts begangen gehabt; wir wären aber dankbar gewesen, er hätte eine Fußfessel getragen.
    "Das ist eine Frage der politischen Haltung"
    Kaess: Warum denn?
    Schuster: Weil wir dann gewusst hätten, wo er sich aufhält, und weil wir erkannt hätten, dass er ganz bestimmte Orte aufsucht, die für die Polizei jedenfalls deutliche Hinweise geliefert hätte, solange sie ihn nicht 24 Stunden, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr überwachen kann durch eine Observation.
    Kaess: Um das Ganze überhaupt umzusetzen in der Praxis, müssten die Länder ihre Polizeigesetze ändern. Das haben wir gerade von unserer Korrespondentin gehört. Wie lange, glauben Sie, wird das dauern und wird das überhaupt passieren?
    Schuster: Man muss hier zwei Dinge unterscheiden.
    Kaess: Es geht jetzt um die Gefährder.
    Schuster: Ja, das ist das von letzter Woche. - Das ist eine Frage der politischen Haltung. Sie können davon ausgehen, dass Länder wie Hessen, Baden-Württemberg, Bayern das schnell tun. Ob das die SPD-regierten Länder schnell tun, weiß ich nicht. Ich glaube aber, dass der Fall Anis Amri vielen auf die Sprünge hilft.
    Kaess: … glaubt Armin Schuster, Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages. Danke für Ihre Zeit heute Mittag.
    Schuster: Ich danke Ihnen, Frau Kaess.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.