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Höhn: EEG "muss entfrachtet werden"

In der Diskussion über eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) plädiert Bärbel Höhn, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, für einen Rückbau "vieler unsinniger Ausnahmen" für die Wirtschaft. Dadurch ließen sich zwei Milliarden Euro einsparen.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Jasper Barenberg | 15.08.2012
    Jaspar Barenberg: Wie renovierungsbedürftig ist das Regelwerk des EEG inzwischen also? Das habe ich kurz vor dieser Sendung Bärbel Höhn von Bündnis90/Die Grünen gefragt. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion.

    Bärbel Höhn: Also auf jeden Fall muss das EEG entlastet werden von unnützen Kosten. In den letzten Jahren haben sich sehr viele zusätzliche Kosten angesammelt, weil hier Klientel bedient wurde, da Klientel, und wenn man das alles mal entstauben würde, dann würde man beim EEG auch die Umlage doch erheblich reduzieren können. Das heißt, es muss entfrachtet werden.

    Barenberg: Zum Beispiel?

    Höhn: Ja, das gibt es mehrere Punkte. Also, einer der Wesentlichen ist zum Beispiel der schöne Name, diese Marktprämie, Marktanreizprämie, die de facto gar nichts bringt, sondern einfach nur ein Mitnahmeeffekt ist. Aber es gibt eben auch andere Punkte. Zum Beispiel bei dem Anreiz, den man noch bringt, wenn alte Anlagen neue ersetzen sollen, bei Windkraft, da ist einfach der Effekt sowieso, alte Anlagen durch neue zu ersetzen, eigentlich auch schon da. Das wird auch zu viel, da wird zu viel gegeben. Also, alles zusammen, da kommen ja doch mehr als zwei Milliarden zusammen.

    Barenberg: Und was hieße das für den einzelnen Haushalt? Im Moment ist es ja so, dass jeder Haushalt etwa 125 Euro pro Jahr zahlt in diese Umlage. Wie viel weniger wäre das dann?

    Höhn: Na ja, der zweite wesentliche Punkt, der wirklich die Verbraucher entlasten würde, wenn die ungerechte Verteilung der EEG-Umlage, wenn die endlich geändert wird. Momentan ist es so, dass immer mehr und immer stärker Teile der Wirtschaft ausgenommen werden, die praktisch nichts mehr für die EEG-Umlage bezahlen, nur noch 0,05 Cent, also praktisch nichts. So, und das bedeutet natürlich für die anderen, dass sich die Umlage erheblich erhöht. Und diese unsinnigen, übermäßigen Ausnahmen, die muss man einfach wieder zurückschrauben, denn nicht jeder Betrieb ist energieintensiv, und in einem energieintensiven Betrieb ist es auch nicht jeder Bereich. Und es wird praktisch jeder Anreiz, Strom einzusparen, da auch genommen. Im Übrigen profitieren gerade die energieintensiven Betriebe momentan von den erneuerbaren Energien, denn die drücken den Preis an der Energiebörse. Damit ist der Preis auf dem Strommarkt momentan ungefähr nur noch halb so hoch wie 2008. Ein Teil davon sind eben auch der Effekt der erneuerbaren Energien. Das heißt, ein großer Teil der Wirtschaft ist Profiteur der Erneuerbaren, weil sie keine Kosten zahlen, aber diese positiven Effekte mitnehmen.

    Barenberg: Das heißt, die Befürchtung oder die Kritik der energieintensiven Branchen, sie würden ächzen und leiden unter zu hohen Energiekosten, und deswegen sei es keinesfalls möglich, diese Ausnahmen wieder rückgängig zu machen, die teilen Sie nicht, beziehungsweise die halten Sie für weit hergeholt?

    Höhn: Ja, die halte ich für weit hergeholt und auch deshalb, weil da auch sehr unterschiedliche Stimmen kommen. Einige sagen eben auch, die Ausnahmen sind jetzt schon zu stark, die sagen es natürlich nicht vor dem Fernseher oder am Radio, aber die sagen das hinter der Hand, weil sie das selber auch schon sehen, dass sie natürlich auch selber dann gefährdet sind mit ihren Ausnahmen. Das heißt, alleine, wenn Sie jetzt angucken, was der Bundeswirtschaftsminister noch an Entlastungen bei den Netzgebühren gemacht hat, da hat er diejenigen, die den meisten Strom durch die Netze führen, die hat er praktisch davon vollständig entlastet. Auch diese Gebühren tragen jetzt die Verbraucher. Und wenn Sie sich mal die Entwicklung der Energiekosten angucken, ich habe ja eben gesagt, gegenüber 2008 ungefähr eine Halbierung der Kosten am Energiemarkt, also für die Wirtschaft, aber eine erhebliche Erhöhung für die Verbraucher von ungefähr einem Drittel. Also momentan ist der Preis für die Wirtschaft an der Energiebörse so bei fünf bis sieben Cent, teilweise sogar erheblich drunter im Spotmarkt, bei 3,5 nur. Der Verbraucher zahlt aber mittlerweile über 27 Cent. Und diese Schere ist immer weiter auseinandergegangen.

    Barenberg: Nun sind wir ja längst in einem Stadium, Frau Höhn, wo erneuerbare Energien durchaus auf Massenprodukte zurückgreifen können, beispielsweise in der Photovoltaik. Wurde am Anfang vielleicht unterschätzt, wie schnell das geht, und entsprechend die Förderung zu hoch angesetzt?

    Höhn: Also, es ist sicher so, und das ist ja auch in der Branche selber diskutiert worden, dass wir einige Jahre lang eine Überförderung bei der Photovoltaik hatten und dass das auch die Branche etwas bequem gemacht hat, was die Entwicklung angeht. Und das wirkt sich jetzt zweifach negativ aus. Einmal, dass die EEG-Umlage einfach höher ist als sie, wenn man es restriktiver gemacht hätte, hätte sein müssen. Und der zweite Punkt ist, dass eben auch Konkurrenz aus dem Ausland, auch China, was die Qualität angeht, sich weiterentwickelt hat und hier ein bisschen – bestimmte Trends auch verschlafen worden sind.

    Barenberg: Also im Moment subventionieren wir sozusagen chinesische Modellhersteller in der Sonnenenergiebranche. Kann das so bleiben?

    Höhn: Das würde ich auch so nicht unbedingt stehen lassen. Erst mal ist es sehr wichtig, dass wir unsere Photovoltaikindustrie hier weiter haben. Denn der Weltmarkt, der wird unglaublich nach oben gehen, und wenn wir das vollkommen an die Chinesen übergeben, dann haben wir da ein großes Segment verloren. Momentan ist es so, dass China seine Photovoltaikindustrie subventioniert mit niedrigen Zinsen zum Beispiel bei Krediten und auch anderen Vergünstigungen, und versucht, die anderen aus dem Markt zu drängen. Also insofern müssen wir da auch aufpassen, dass wir dann eigentlich faire Marktbedingungen gegenüber China schaffen. Das hätte Angela Merkel mal auf der Hannover Messe mit ihrem Kollegen bewirken müssen. Das wäre notwendig gewesen. Also insofern absolut notwendig, dass wir hier unseren Markt behalten. Im Übrigen gilt: Auch bei Modulen aus China ist die deutsche Wertschöpfung – Handwerker und Teile werden dann auch wieder nach China geliefert – bei über 50 Prozent. Also auch an einem chinesischen Modul wird hier kräftig mitverdient.

    Barenberg: Unionsfraktionsvize Michael Fuchs hat heute morgen hier im Deutschlandfunk angeregt, die Förderung rascher abzusenken, beispielsweise künftig um zehn Prozent im Jahr. Was halten Sie davon?

    Höhn: Also die Photovoltaik ist im letzten Jahr um 40 Prozent in einem Jahr abgesenkt worden, weit mehr, als Herr Fuchs das jetzt fordert. Also insofern ist da einiges passiert. Das Teure wird ja in der Zukunft nicht mehr die Photovoltaik sein, sondern wird eher die Windkraft auf dem Meer sein. Da bin ich mal gespannt, wie plötzlich die großen Energiekonzerne, die da ja einsteigen wollen, dann plötzlich jammern, wie niedrig die Vergütung ist. Weil die nämlich noch mit ganz anderen Margen, Gewinnmargen da rechnen. Und da bin ich mal gespannt, was Herr Fuchs dann in dem Fall sagt, wenn es um die großen Energiekonzerne geht.

    Barenberg: Also Sie sind jedenfalls nicht dafür, die Förderung stärker abzusenken?

    Höhn: Also, wir haben im letzten Jahr die Solarförderung, die Photovoltaikförderung um 40 Prozent abgesenkt, weit mehr, als Herr Fuchs das jetzt fordert. Und es ist ja jetzt ein Mechanismus. Es ist ja nicht nur jetzt, sondern auch vorher schon ein Mechanismus eingebaut: Je stärker zugebaut wird, desto stärker wird abgesenkt. Also das, was Herr Fuchs fordert, ist doch in den ganzen Vorgaben, was die Photovoltaik zumindest angeht, schon lange drin. Vielleicht sollten wir uns mal überlegen, bei der Biomasse, da haben wir nämlich viel mehr Probleme zum Beispiel mit dem Mais. Da bin ich mal gespannt, was Herr Fuchs dazu sagt. Denn die Biomasse ist ja mittlerweile teurer als die Photovoltaik.

    Barenberg: Sagt Bärbel Höhn von Bündnis90/Die Grünen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Danke, Frau Höhn, für das Gespräch heute Mittag!

    Höhn: Bitte!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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