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Höhn: Schwarz-Gelb ist "eine bittere Pille"

Bärbel Höhn, NRW-Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, ist enttäuscht über die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit. Es sei zu befürchten, dass die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert, der Gentechnik Tür und Tor geöffnet und Steuererleichterungen zugunsten von Besserverdienenden durchgesetzt würden..

Bärbel Höhn im Gespräch mit Friedbert Meurer | 28.09.2009
    Friedbert Meurer: Die Bundestagswahlen haben einen recht klaren Wahlsieg für schwarz/gelb gebracht. Gerade zum Schluss gab es doch noch Zweifel bei Union und FDP, ob sie nicht wieder wie vor vier Jahren auf der Zielgeraden abgefangen würden. Es kam anders. Nach elf Jahren in der Opposition wird die FDP wieder Teil der Bundesregierung. Ein Triumph für Guido Westerwelle, er wird wohl Bundesaußenminister werden.

    Im Mittelpunkt der Wahl standen Union, SPD und die FDP, weniger die beiden anderen kleinen Parteien, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, weil man fast sicher davon ausgehen konnte, dass beide nicht an einer Regierung beteiligt werden können. Die Linke bekam über 12 Prozent und auch die Grünen sind zweistellig geworden, 10,1 Prozent, so viel wie nie. Aber zum zweiten Mal hintereinander müssen die Grünen in die Opposition. – Am Telefon die nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Bärbel Höhn. Guten Morgen, Frau Höhn!

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Die Grünen so stark wie nie, aber weit und breit keine Regierungsbeteiligung. Mindert das den Wahlerfolg?

    Höhn: Der entscheidende Punkt ist, dass wir Schwarz-Gelb nicht haben verhindern können. Das ist auch das, was richtig schmerzt. Da ist schon eine große Freude da, dass wir wirklich auch mit unseren Themen bei der Bevölkerung viel besser ankommen, dass wir viel mehr auf Resonanz stoßen. Das sind ganz andere Wahlkämpfe, die man jetzt machen kann. Das hat natürlich schon Spaß gemacht, aber dass wir jetzt Schwarz-Gelb haben, das ist eine bittere Pille.

    Meurer: Zu Zeiten einer gemeinsamen Landesregierung mit der SPD galten Sie als ich will nicht sagen ein Feindbild der SPD, aber Sie haben sich erheblich an dieser Partei (damals als Umweltministerin) gerieben. Haben Sie jetzt Mitleid mit der SPD?

    Höhn: Na ja, wir haben uns mit einem Teil der SPD gerieben. Es ist ja so, dass Clement schon auch für einen besonderen Teil in der SPD gestanden hat. Man merkt ja jetzt auch dadurch, dass er ausgetreten ist, jetzt sogar Wahlkampf für Westerwelle gemacht hat, dass er eigentlich eher in die FDP gehört hätte. Insofern muss man da schon auch ein bisschen differenzieren. Die SPD auf Bundesebene ist da schon ein ganz anderes Kalieber. Die Bundestagsfraktion hat auch zu Recht ja Clement damals Kontra gegeben. Insofern muss man jetzt schon mal gucken, wie man jetzt auch in der Opposition gemeinsam eben auch Schwarz-Gelb da jagt.

    Meurer: Was wollen die Grünen aus der Opposition heraus erreichen in Berlin?

    Höhn: Der entscheidende Punkt ist ja, dass wir Schwarz-Gelb aus bestimmten inhaltlichen Gründen nicht wollten, und das werden auch die entscheidenden Punkte sein jetzt in den nächsten vier Jahren. Wir wollen auf jeden Fall, dass der Atomausstieg bleibt, und da werden wir auch alle Kräfte auch mit den Umweltverbänden versuchen zu mobilisieren, um es da Schwarz-Gelb so schwer wie möglich zu machen. Wir wollen auf jeden Fall, dass nicht die Tür geöffnet wird für die Gentechnik, die ja gerade auch in Bayern und Baden-Württemberg eine besondere Rolle spielt, aber eigentlich für ganz Deutschland wichtig ist, dass sie nicht kommt. Und wir wollen natürlich auch die sozialen Einschnitte, die jetzt zu erwarten sind, denn die werden ja irgendwann mal ihre Steuererleichterungen machen und das heißt, dass die Besserverdienenden wieder besser dastehen, aber dass bei den sozial Schwachen gekürzt wird, dass wir da gemeinsam auch mit den Gewerkschaften versuchen müssen, das zu verhindern.

    Meurer: Wenn die Union und die FDP die Laufzeiten für Kernkraftwerke verlängern, werden Sie dann wieder auf die Straße gehen und sich an Schienen anketten?

    Höhn: Ich zumindest werde mich nicht an Schienen anketten, aber wir werden auf jeden Fall mit auf die Straße gehen. Das haben wir ja schon gezeigt. Ich war auch im letzten Jahr im November in Gorleben, wir haben die große Demonstration in Berlin gehabt. Insofern: Das wird viel mehr zunehmen. Es wird auch viel mehr Polarisierung in diesen Fragen geben und das wird sich viel mehr auf der Straße abspielen. Das ist jetzt sozusagen die Konsequenz aus Schwarz-Gelb.

    Meurer: Nur glauben Sie, dass die Bevölkerung sich bei diesem Thema noch mal wegen ein paar Jahren längerer Laufzeit emotionalisieren lassen wird?

    Höhn: Das habe ich schon gemerkt im Wahlkampf. Ein paar Jahre längere Laufzeit heißt doppelt so viel zusätzlichen Atommüll. Wir haben bis heute kein entsprechendes Lager. Die Asse macht einen Skandal nach der anderen, ist übrigens auch extrem teuer für die Bevölkerung, weil das am Ende immer der Staat trägt und nicht die Atomkonzerne. Insofern: Die Atomkraft ist schon ein ganz, ganz wichtiges Thema, das war es auch schon im Wahlkampf.

    Meurer: Gestern Abend 18 Uhr, sagen viele, hat der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen begonnen. Da wird im Mai 2010 ein neuer Landtag gewählt. Jetzt mal um die Ecke gedacht: Hat das Wahlergebnis Ihre Chancen beflügelt für Rot-Rot-Rrün an Rhein und Ruhr?

    Höhn: Auf jeden Fall – das weiß auch Rüttgers – hat das seine Chancen, wiedergewählt zu werden, vermindert. Das weiß er auch. Das war ja schon in der Staatskanzlei, dass immer alle gesagt haben, wenn es in Berlin Schwarz-Gelb gibt, dann haben die in Düsseldorf mehr zu befürchten. Insofern haben Sie Recht, der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen ist eröffnet und wir haben gute Chancen, Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen jetzt zu verhindern. Da müssen wir uns allerdings auch ordentlich anstrengen. Hinzu kommt natürlich, dass Rüttgers auch noch eine sehr schlechte Schulpolitik macht, was natürlich auf Landesebene immer ein wichtiges Thema ist, und er jetzt mit der Spitzelaffäre, der Bespitzelung von Hannelore Kraft, seiner politischen Gegnerin von der SPD, oder jetzt auch der Beschimpfung der Rumänen hat er einfach auch ein Image-Problem. Das heißt, Sie haben Recht: Der Wahlkampf ist eröffnet.

    Meurer: Aber die CDU ist stärkste Partei in Nordrhein-Westfalen geworden und wenn in Berlin die Koalition ein bisschen mit den Reformen wartet, könnte es für Rüttgers doch nächstes Jahr reichen.

    Höhn: Ich glaube, dass die Bundesebene einiges tun muss, denn die Schulden werden ja jetzt für alle Leute sichtbar werden und damit auch Einschnitte notwendig werden. Die wollen unbedingt ihre Steuererleichterungen machen. Das heißt, auch da wird es einfach noch viel härter, was auch soziale Einschnitte angeht, und das wird man auch schon vor Mai nächsten Jahres wissen. Deshalb: Wir werden auf jeden Fall einen sehr, sehr engagierten Wahlkampf machen in Nordrhein-Westfalen, weil wir genau wissen, das ist das erste Land, wo wir auch die Bundesratsmehrheit wieder brechen können, und deshalb ist es natürlich total wichtig und gerade in Deutschland ist es ja so, dass in der Regel in den Ländern gegen den Trend gewählt wird, dass man da auch ein Korrektiv zu Berlin haben will. Deshalb ist der NRW-Wahlkampf extrem interessant.

    Meurer: Es gibt keine einzige rot-grüne Landesregierung mehr in Deutschland, keine rot-grüne Regierung im Bund in Sicht. Heißt Ihr Projekt jetzt rot-rot-grün?

    Höhn: Es gibt schon eine rot-grüne Landesregierung in Bremen, auch wenn es ein kleines Land ist, und es gibt schwarz-grün halt in Hamburg. Aber Sie haben natürlich Recht: Mit der SPD zusammen wird es auf Bundesebene schwerlich wieder zu einer Mehrheit reichen, weil die SPD momentan eben auch sehr, sehr schwach ist. Das heißt anders herum, dass wir uns natürlich auch nach anderen Konstellationen umgucken müssen.

    Meurer: Werden Sie damit die bürgerlichen Wähler verprellen, die Sie ja doch stark haben?

    Höhn: Wir haben ja jetzt noch keine Koalitionsaussage für die nächste Bundestagswahl gemacht und insofern werden wir sehen. Aber eines habe ich gelernt, auch jetzt im Wahlkampf - ich habe ja viel auch Straßenwahlkampf gemacht, viel mich mit den Leuten unterhalten -, dass eher Jamaika-Diskussionen im Saarland die Leute irritiert hat, unsere Wähler irritiert hat. Das war auch ein Grund, warum wir in den letzten Wochen noch ein bisschen Probleme hatten bei den Umfragen, weil nämlich ganz viele der klassischen Grünen-Wähler jetzt plötzlich gesagt haben, wir sind ja gar nicht mehr sicher, was ihr da macht. Von daher wäre, glaube ich, sich alles offen zu halten, ganz, ganz falsch und es war auch richtig, auf Bundesebene ein Nein zu Jamaika zu sagen.

    Meurer: Schönen Dank! – Das war Bärbel Höhn, die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.