Hörspiel des Monats

Lutherland

800 farbige Luther-Figuren stehen auf Markplatz von Lutherstadt Wittenberg am Donnerstag, den 12.08.2010. Die Figuren dienen zum einen der Überbrückung der Restaurierungsarbeiten am Luther- und Melanchthondenkmal und als Vorbereitung des 500-jährigen Reformationsjubiläums (2017). Die Installation "Martin Luther: Hier stehe ich..." von Ottmar Hörl wurde vom 14.08.-12.09.2010 auf dem Marktplatz von Wittenberg präsentiert. Zum Abschluss der Kunstaktion wurden die Figuren für 250 Euro verkauft.
800 Luther-Figuren auf Markplatz von Wittenberg © dpa/Peter Endig
Hörspiel von Lorenz Hoffmann · 05.08.2017
"Incarneted Message Concept" heißt das Zauberwort, mit dem die Agentur Merschwitz & Friends der Evangelischen Kirche Deutschlands die erhoffte Medien-Präsenz sichern will. Im Jubeljahr 2017 soll die Luther-Beauftragte der EKD bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten den wuchtigen Reformator nicht bloß zitieren, sondern sich de facto an seiner Seite zeigen: "Das Wort wird Fleisch!" Winfried Schaller, noch vor kurzem ein populärer Volksschauspieler, soll ihn verkörpern - da passt nicht nur Maske und Habitus, da fehlt es auch nicht an Querköpfigkeit, nicht einmal an Cholerik.
Der allerdings hat sich sein Comeback keinesfalls als Talkshow-Maskottchen von Margot Käßmann vorgestellt. Je mehr er freilich die Luther-Schriften durchforstet, desto mehr kann er dem kirchen- und gesellschaftskritischen Donnerer abgewinnen. Bald macht es ihm Spaß, als Geist von Luthers Gnaden in die Gegenwart zu fahren und sie - wie seine Auftrittskonzepte - gehörig durcheinander zu wirbeln. Als Blogger DER LUTHER schart er Follower um sich, die "Kirchenland in Bauernhand"-Aktivisten finden in ihm einen prominenten Fürsprecher. Und bald fürchtet die EKD nichts so sehr, wie seinen Auftritt beim Festgottesdienst auf den Wittenberger Elbwiesen - völlig zu Recht, wie sich zeigt.
Komposition: Michael Hinze
Regie: Stefan Kanis
Mit Stephan Grossmann, Hedi Kriegeskotte, Bernhard Schütz, Walter Renneisen, Ellen Hellwig, Barbara Trommer u.v.a.
Produktion: MDR
Länge: 57‘78‘‘
Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zeichnet jeden Monat ein Hörspiel aus den Produktionen der ARD-Anstalten aus. Die Entscheidung über das HÖRSPIEL DES MONATS trifft eine Jury, die jeweils für ein Jahr unter der Schirmherrschaft einer ARD-Anstalt arbeitet. Am Ende des Jahres wählt die Jury aus den 12 Hörspielen des Monats das HÖRSPIEL DES JAHRES.
In der Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste heißt es:
"Lutherland" ist eine Serie von zehn Kurzhörspielen, die sich insgesamt als dramatische Szenenfolge hören lässt. Um die Medienpräsenz der EKD während des Lutherjahres 2017 zu stärken, engagiert die beratende PR Agentur einen Schauspieler, den sie zu verschiedenen Veranstaltungen im Lutherkostüm auftreten lässt. Der aber nimmt seine Aufgabe ernst und setzt predigend das lutherische Schrifttum passgenau zur vorgefundenen Situation ein - zunehmend gegen das Selbstverständnis der Kirchenleitung. Aber auch Luther erweist sich dabei nicht als Lichtgestalt, sondern wird als widersprüchlicher, drohender und bedrohter, bisweilen den obrigkeitlichen Machtinteressen nachgebender Rebell in die Gegenwart gespiegelt. „Das Wort sie sollen lassen stahn“ wird auf diese Weise zum Kreuz für die Evangelische Kirche. Das Leben des Augustiner-Mönchs aktualisiert sich. Der berühmte Blitz führt zu einem Autounfall mit Totalschaden, der Reichstag wird zum Kirchentag, die Wartburg zur „Datsche eines Freundes im Thüringer Wald“. Der biografische Transfer des Reformators zu seiner gegenwärtigen Inkarnation und die damit verbundenen Umdeutungen sind gewitzt, spielerisch und intelligent erdacht und inszeniert.

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