Hörspiel des Monats

The Unknown

Von Matthew Herbert · 02.01.2016
Die deutsche Teilung beginnt und endet im Äther. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Alliierten die Rundfunkhoheit in ihren jeweiligen Machtbereichen. Aber Radiowellen machen an keiner Grenze halt! Zum 25. Jubiläum der Wiedervereinigung lässt der britische Elektronikproduzent Matthew Herbert den letzten Tag der Teilung akustisch Revue passieren.
Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste: Deutsch-deutscher Rundfunk am 2. Oktober 1990, fast real time reagieren die Sender hüben wie (noch) drüben auf die Ereignisse. Näher ist man nur, wenn man inmitten dabei ist. Wenn heute über die deutsche Wiedervereinigung nachgedacht wird, dann erfolgt das aus der Diskurssicherheit historischer Distanz. Matthew Herbert collagiert nicht, er komponiert die O-Töne jener Tage. Meinungen, Kommentare, Äußerungen, die noch keine Erfahrung korrigiert hat. Was die Debatten vergangener Jahrzehnte unter Meta-Ebenen begraben, frischt sein Hörstück für uns auf: So redeten und dachten wir damals tatsächlich, so klug oder dumm hörten wir uns an. Electronica Produzent Herbert bindet die Stimmen der Zeit in die Stimmen zweier Chöre, er schafft und nutzt alle Hör- und Rezeptions-Räume, die das Medium bietet. Stegreif-Kommentar trifft auf Komposition, Dokumentarisches wird artifiziell, und umgekehrt. So gelingt ein zeitdokumentarisches Hörstück, dass durch die spektakuläre Begegnung von RIAS Kammerchor und Rundfunkchor Berlin selbst wieder zu einem Zeitdokument wird. Ein Meisterwerk.

Komposition: Matthew Herbert
Chorleitung: Sabine Wüsthoff
Recherche: Clarisse Cossais
Produktion: Deutschlandradio Kultur /BR/ ROC
Länge: 30'07''
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