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Freie Fahrt mit Fuzzy-Logik

Wer auf der Startrampe zur Autobahn steht, tritt bislang wohl meist das rechte Pedal kräftig durch, um sich den dortigen, hektischen Verhältnissen anzupassen und sich möglichst noch vor einem stoischen Schwerlaster in den Verkehr einzuordnen. Doch das könnte sich bald ändern: "Mobinet" setzt den Autobahn-Neuzugängen eine Ampel vor die Nase und möchte so den Verkehrsfluss optimieren.

Evdoxia Tsakiridou | 25.05.2002
    "Sie werden durch Mobinet ganz sachte in den Verkehrsstrom hinein getröpfelt", erklärt Klaus Bogenberger. Eine solche Ampel könne den Zufluss so dosieren, dass sich beide Fahrzeugströme optimal verschränken, meint der Forscher in Diensten von BMW. Bogenberger wies nach, dass eine intelligente Steuerung den Verkehrsfluss deutlich verbessert. Seine Arbeit ist Teil von Mobinet, einem der Leitprojekte des Bundesforschungsministeriums. Rund 25 Partner aus Forschung und Industrie erarbeiten dabei Methoden, um den Verkehr im Ballungsraum München zu optimieren. Im Teilprojekt, das Klaus Bogenberger bearbeitet, spielt eine Ampel an der Rampe die Hauptrolle. Sie begrenzt die Zahl der zufahrenden Autos auf die Autobahn auf ein verträgliches Maß.

    Gesteuert wird dieser "Pförtner" mit Hilfe der so genannten "Fuzzy-Logik". Im Gegensatz zur klassischen Logik legt diese Rechenmethode einen Wert nicht nur mit "richtig" oder "falsch" fest. Abweichungen von der mathematischen Ideallösung werden also bewusst in Kauf genommen, um so komplexe Vorgänge wie den Verkehrsfluss zu regeln. "Damit können beispielsweise Geschwindigkeiten beschrieben werden, etwa schnell, mittel und langsam. Ist der Verkehrsfluss etwa langsam, dann darf das System nur wenige Fahrzeuge einfahren lassen, während bei einer allgemein hohen Geschwindigkeit der Zugang zur Autobahn uneingeschränkt ermöglicht wird." Der Fuzzy-Regler selbst sitzt in einem Schalt-Schrank an der Autobahn. Er ist Teil eines Videosystems, zu dem ein Rechner sowie fünf Kameras gehören. Letztere erfassen den Verkehr auf der Hauptfahrbahn und auf den Zufahrten. Eine Bildverarbeitungssoftware ermittelt die Anzahl der Fahrzeuge pro Stunde, die Geschwindigkeit sowie die Verkehrsdichte. "Diese Messgrößen werden von einem Fuzzy-System verarbeitet, das aus Regeln pro Minute eine Stellgröße über die Rotphase der Ampel ermittelt", so Klaus Bogenberger.

    Im Unterschied zu ähnlichen Systemen etwa aus den USA berücksichtigt Bogenbergers Ansatz sämtliche Auffahrten in einem bestimmten Autobahnabschnitt. Außerdem reguliert sich das System selbst: Ähnlich wie in der Natur werden die berechneten Lösungen einer Selektion unterworfen. Dabei geht es aber nicht nur darum, dass die beste Lösung überlebt. Vielmehr sollen positive Eigenschaften an die nachfolgenden Generationen weiter gegeben werden. Als Modell diente die Autobahn A 9 zwischen München und Nürnberg. Der Verkehrsforscher kam dabei auf ein stolzes Ergebnis: "Wir konnten die Reisezeit um bis zu 25 Prozent für jede Person verringern, weil hier quasi Freiflussbedingungen herrschen." Kurze Wartezeiten an den Ampeln würden dabei schnell wieder durch die höhere allgemeine Geschwindigkeit auf der Autobahn kompensiert.