Hörspiel

James Joyce: Ulysses 9 + 10

Von James Joyce · 25.12.2012
Kapitel 9: Skylla und Charybdis. Szene: Bibliothek - Uhrzeit: 14.00 Uhr - Organ: Hirn - Kunst: Literatur - Symbol: Stratford / London - Technik: Dialektik
Es ist 14 Uhr. In der Nationalbibliothek diskutiert eine Gruppe etablierter Dubliner Intellektueller mit Stephen über Literatur. Sie ist diesem Kapitel der anspielungsreiche Bezugspunkt. Joyce versucht dabei erzähltechnisch die Personenkonflikte und Motive dialektisch, über das Aufeinanderprallen von These und Antithese, zu entwickeln.


Stephen sieht sich selbst in Shakespeare gespiegelt: Wie dieser sich zwischen der Metropole London und dem kleinstädtischen Stratford entscheiden musste, so sieht Stephen sein Leben zerrissen zwischen Paris als Zentrum der Kunst und dem provinziellen Dublin. Und soll er überhaupt hier um Anerkennung ringen?

Dieser ambivalente Konflikt bedroht ihn - wie Odysseus die Meerenge von Skylla und Charbydis. Stephen will ihn überwinden, indem er seine Zuhörer eloquent provoziert. Er leitet in theatralischem Gestus und wie ein dialektisch argumentierender Sophist Shakespeares "Hamlet" aus der Biografie des Dramatikers ab.

Die Runde, zu der sich später Mulligan gesellt, ist beeindruckt, wenn auch nicht überzeugt. Beiläufig räumt Stephen am Ende ein, seine Theorie selber nicht zu glauben. Als er und Mulligan die Bibliothek verlassen, kommt ihnen Bloom auf der Treppe entgegen. Erstmalig begegnen sich flüchtig Stephen und Bloom. Mulligan hatte Bloom zuvor beim Studium von Aphrodites Hintern beobachtet und lästert nun über diesen Po-fixierten Juden. Dadurch weckt er Stephens Interesse an ihm - denn beide sind Außenseiter.

Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Hörspielbearbeitung, Musik und Regie: Klaus Buhlert
Mit Manfred Zapatka , Jens Harzer, Werner Wölbern, Jaqueline Macaulay, Hans-Werner Meyer, Felix von Manteuffel, Lars Rudolph
SWR/DLF 2012

anschließend:

Kapitel 10: Irrfelsen


Szene: Straßen - Uhrzeit: 15.00 Uhr - Organ: Blut - Kunst: Mechanik - Symbol: Bürger - Technik: Labyrinth

Die Meerenge der Irrfelsen, die nur der Argonaut Jason durchquerte und die bei Homer nur Erwähnung finden, nutzt Joyce als mythologische Vorlage für 18 Episoden und eine Coda. In diesem Kapitel sind alle Dubliner die Protagonisten. Sie "irren" gleich wandernden Felsen und wie von einer geheimen Mechanik gezogen durch das Stadtlabyrinth.

Joyce verknüpft über eine Montagetechnik ihre Wege, Handlungen und Bewusstseinsströme: Da ist Pater Conmee, der Dignams Sohn im Waisenhaus anmelden will und von der Christianisierung der heidnischen Seelen Afrikas träumt; da ist ein betrunkener Seemann, er grölt ein Lied wider England und ihm wirft Molly eine Münze aus dem Fenster zu; da sind die Schwestern Stephens, sie versuchen in Geldnot seine Bücher zu versetzen und holen ihren, dem Trunk ergebenen Vater aus dem Pub; und da ist Boylan, der für das Rendezvous um 16 Uhr vorab Molly einen Früchtekorb schickt; oder Stephen, er trifft seinen früheren Italienisch-Lehrer Artifoni und hat Gewissenbisse angesichts der armselige Existenz seiner Schwestern; M'Coy und Lenehan verabreden sich im Ormond Hotel mit Boylan und reden über Lyons Wette; Bloom ist auf der Suche nach einem erotischen Buch für Molly; Martin Cunningham sammelt Geld für die Familie Dignam; Mulligan und Haines reden über Stephens beeindruckenden Intellekt, aber doch mangelnde künstlerische Begabung; und Dignams Sohn kann nur schwer Trauer über seinen toten Vater empfinden. Sie alle streift am Ende die Stadtfahrt der vizeköniglichen Kavalkade mit dem Repräsentanten Englands.

Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Hörspielbearbeitung, Musik und Regie: Klaus Buhlert
Mit Manfred Zapatka, Stefan Wilkening , Hendrik Arnst, Dietmar Bär, Bibiana Beglau, Alberto Fortuzzi, Jens Harzer, Jürgen Holtz, Wolfram Koch, Peter Kurth, Michael Lucke, Hans Werner Meyer, Mira Partecke, Milan Peschel, Maximilian von Pufendorf, Lars Rudolph, Mandy Rudski, Ernst Stötzner und Werner Wölbern
SWR/DLF 2012

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