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Hörspiel "The King is Gone"
Aus Zeitgeschichte wird Popkultur

Andreas Ammer ist einer der aufregendsten Hörspiel-Autoren unserer Zeit. Bekannt ist er auch als Kameramann und Regisseur des Literaturmagazins "Druckfrisch" mit Denis Scheck. Nun hat er das dokumentarische Hörspiel "The King is Gone" über König Ludwig III. veröffentlicht, in dem er Weltgeschichte als Roadmovie schildert.

Von Andi Hörmann | 14.10.2015
    Die Moderatoren Denis Scheck (r) und Andreas Ammer freuen sich am Sonntag (02.10.2011) in Köln bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises über die Auszeichnung in der Kategorie "Besondere Leistung Information" für "Druckfrisch - Neue Bücher von Denis Scheck".
    Andreas Ammer 2011 bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    "Der König bin ich. Ich bin der König. Ich bin der III. Ich bin der Bart. Der König bin ich..."
    "Kein Mensch kennt König Ludwig III. - inklusive mir nicht. Das ist eine welthistorisch völlig unerhebliche Gestalt. Aber er ist sozusagen wirklich der letzte deutsche König, den es gab."
    Andreas Ammer inszeniert diesen letzten König, den Cousin des berühmten König Ludwig II., in seinem Hörspiel "The King is Gone" als einsame, ja fast wehleidige Herrscherfigur.
    "Hab ich denn gar niemand? Niemand? Niemand?"
    Mit der Revolution verabschiedet sich das Volk. Es ist der 7. November 1918, an dem die Monarchie ein Ende nimmt und damit auch die mehr als 700 Jahre währende Wittelsbacher Herrschaft. Der sozialistische Revolutionär Kurt Eisner proklamiert den Freistaat Bayern.
    "Eisner ist Herr von München, wenige Stunden darauf Herr von ganz Bayern. Ich war der König."
    "Das schöne ist, wie banal und furchtbar idiotisch das zu Ende geht. Das ist wie ein missglückter Familienausflug am Sonntag."
    Der König flieht aus München, verfolgt von Pleiten, Pech und Pannen: ein Hörspiel-Roadmovie beginnt.
    "Einige Kilometer vor Rosenheim kam ich mit dem Wagen im undurchdringlichen Nebel von der Straße ab... Und fuhr... In einen... Kartoffelacker... Hinein."
    Schützenkeller statt Studio
    Grundlage für das Hörspiel "The King Is Gone" von Andreas Ammer ist das 1919 erschienen Heftchen "Des Bayernkönigs Revolutionstage" von Josef Benno Sailer.
    "Das ist ein echtes Dokument, 1919 erschienen, um der Bevölkerung klarzumachen, wie der König abgedankt ist. Wir haben eigentlich nichts mehr gemacht, außer den Text etwas zu kürzen, manchmal ein bisschen zu rhythmisiere, und mit dem ein oder anderen Gewächs auszustatten."
    Mit Gewächs meint Andreas Ammer die Musik, die in diesem Hörspiel keine blumigen Akzente setzt, sondern wuchert und wabbelt und ganz herrlich nach Kraut und Rüben klingt. Komponiert hat sie die "Hochzeitskapelle", ein Nebenprojekt der Brüder Markus und Micha Acher von der experimentierfreudigen Popband "The Notwist".
    "Leise Sachen können auch eine extreme Spannung oder Energie haben und auf ihre Art dann quasi laut sein, sodass man zuhören muss."
    "Die Idee war: Wir setzen uns in ein Wirtshaus in den Keller und spielen das Stück live ein. Also wir waren nicht im Studio, sondern im Schützenkeller einer bayerischen Wirtschaft, haben uns da eine Woche eingesperrt und dieses Stück eingespielt: Es sollte ja nicht nach Studio klingen, sondern schon ein bisschen nach Travelling Band in einem Wirtshaus, die jetzt so Moritaten-mäßig die Geschichte erzählt."
    König Ludwig III. als ungelenke Herrscherfigur
    Für dieses Hörspiel hat die "Hochzeitskapelle" der Acher-Brüder den politischen Umsturz als scheppernden musikalischen Schwebezustand komponiert: Die Tuba von Micha Acher klingt nach in die Höhe schnellendem Pulsschlag, die Posaune von Mathias Götz nach taumelndem Gemüt, und im Schlagzeug von Markus Acher steckt das ganze Rumpeln der Revolution.
    "Dieses Rumpeln gehört dann wiederum auch zu so einem Text und zu so einem Hörspiel dazu. Also rumpeln ist gut."
    Auch in der Stimme des Krimiautors Friedrich Ani rumpelt es. Er verkörpert König Ludwig III. als ungelenke Herrscherfigur - inklusive Neil-Young-Coverversion von "Hey hey my my":
    "Er hat wirklich den Jonny-Cash-Gedächtnispreis damit verdient: mit einer solchen Wurschtigkeit, er ist nicht daneben, er ist schon auf den Tönen. Man hat immer so Angst: den nächsten Ton trifft er jetzt sicher nicht mehr. Das bekommt ein Profi nicht hin. Das bekommt nur jemand hin, der wirklich beim Singen unsicher ist. Und wenn man dieser Unsicherheit dann noch spürt, dann ist das eigentlich mein liebster Moment bei so etwas."
    Zur Veröffentlichung der CD ist dann gestern Abend im bestuhlten Foyer des Münchner Volkstheaters aus dem Hörspiel eine erst mal einmalige "musikalische Lesung" geworden: Vier Sprecher, fünf Musiker, aber leider keine Wirtshausstimmung. Aber egal: Dafür rumpelt und scheppert es in diesem Hörspiel ganz wundervoll. Aus Zeitgeschichte wird Popkultur - oder umgekehrt.