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Hoffen auf den Euro in Lettland

Trotz schlechter Wirtschaftswerte gibt es in Lettland kaum Proteste gegen die geplante Einführung des Euros. Ein Blick zum Nachbarn Estland nimmt den wenigen Eurokritikern den Wind aus dem Segel: Das baltische Land erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Haushaltsüberschuss.

Von Doris Simon | 28.03.2012
    "Es gab nie öffentliche Proteste gegen die Sparmaßnahmen. Warum? Weil alle verstanden haben, dass wir keine große Wahl haben."

    Der lettische Europaabgeordnete Krisjanis Karins hat wenig Verständnis für die Demonstrationen und Streiks in Griechenland in den letzten zwei Jahren: Als seine Heimat Lettland vor vier Jahren mit Milliarden von EU und Internationalem Währungsfonds vor der Pleite gerettet wurde, griff die Regierung in Riga zu ähnlich drastischen Maßnahmen wie zuletzt in Athen: So wurden die Gehälter im öffentlichen Dienst Lettlands um 35 Prozent gekürzt. Die Wirtschaft schrumpfte um beinah ein Fünftel, und die Arbeitslosigkeit schoss hoch auf 17,8 Prozent. Die Letten hätten in der Krise sehr gelitten, räumt der lettische Europaabgeordnete ein, der auch mal Wirtschaftsminister seines Landes war. Aber zugleich hätten sie sofort angefangen, sich nach dem Absturz wieder hochzuarbeiten:

    "Ja, das war schmerzhaft, aber wir sind heute wieder auf dem Weg zum Wachstum. Die internationalen Märkte haben Vertrauen. Die Regierung hat kein Problem, das immer geringer werdende Defizit zu finanzieren."

    Vier Jahre später sind immer noch 15 Prozent der Letten arbeitslos, aber es werden weniger. Und die ersten Letten kommen wieder zurück aus dem Ausland, nachdem in den letzten zehn Jahren zehn Prozent der lettischen Bevölkerung ihre Heimat verlassen hatten, zunehmend auch hoch qualifizierte, was das Land besonders trifft. Und die lettische Wirtschaft trotzt in diesem Jahr dem allgemeinen Stagnation- und Rezessionstrend in Europa und wächst weiter. Für Lettland gehöre Sparen und Wachsen unbedingt zusammen, sagt der Krisjanis Karins, der im Europaparlament der Volkspartei angehört:

    "Es wird viel im EU-Parlament darüber gesprochen, dass Sparmaßnahmen schlecht für die Wirtschaft sind. Ja, wenn man nur spart. Aber ohne Haushaltssanierung bekommt man nicht den festen Boden, von dem aus man weiter springen kann."

    Viele Bürger würden nicht verstehen, warum die Menschen in Griechenland immer wieder protestierten und nicht die Ärmel aufkrempelten, damit das Land aus der Krise herauskommt, berichtet die estnische Europaabgeordnete Kristina Ojuland. Estland hat vor einem Jahr den Euro eingeführt, beteiligt sich an allen Euro-Rettungsmaßnahmen und hält sich an Defizitkriterien und andere Vorgaben. Im letzten Jahr gab es sogar einen nationalen Haushaltsüberschuss - die Ausnahme unter den Euroländern. Doch die Krise um die gemeinsame Währung und das Verhalten mancher Mitgliedsländer verunsichere viele Esten, hat die Liberale Ojuland erfahren. Sie fragten sich, ob ihr Land im europäischen Konzert vielleicht einfach zu dumm oder zu naiv auftrete:

    "Wir versuchen, alle Vorschriften zu erfüllen, alle Anforderungen, korrekt im deutschen Sinne. Estland strengt sich im Euro an, wir wollen zu den Besten gehören, und dazugehört auch die Solidarität in der Eurogruppe. Aber zugleich erwarten unsere Bürger auch, dass die anderen ihre Zusagen einhalten."

    Immer wieder hört Kristina Ojuland von Wählern auch Kritik: Estland hätte doch besser die estnische Krone behalten und gar nicht erst den Euro eingeführt. Das allerdings sieht die estnische Europaabgeordnete ganz anders: Die Einführung habe das Vertrauen der Investoren in Estland noch einmal zusätzlich gesteigert, die Wirtschaft ihres Landes und damit die Bürger profitierten davon.

    "Wir sind jetzt auch politisch ein Teil der Familie. Wir entscheiden jetzt selber mit. Wir müssen nicht mehr hinter geschlossenen Türen warten, und uns von anderen sagen lassen, was sie entschieden haben. Wir gehören jetzt zu denen, die die Entscheidungen treffen."

    In Lettland werden die Menschen noch länger mit der Währung Lat zahlen, die an den Euro gekoppelt ist. Der Euro werde kommen, ist sich der lettische Europaabgeordnete Krisjanis Karins sicher. Aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen brauche Lettland noch etwas Zeit:

    "50 Jahre war unser Geld Rubel, als wir unser Geld Lat zurückbekamen, war das mehr als Geldschein - das ist ein Identitätssymbol."