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Hoffen auf neues Vertrauen

Seit fast 19 Jahren führt der gewiefte Taktiker Jean-Claude Juncker die Geschicke Luxemburgs, doch eine Geheimdienstaffäre hat den früheren Chef der Eurogruppe im Sommer den Koalitionspartner gekostet. Bei den Neuwahlen am Sonntag tritt er wieder an - Ausgang ungewiss.

Von Tonia Koch | 18.10.2013
    Jean-Claude Juncker, der dienstälteste Premierminister Europas geht angeschlagen in diese Wahl. Seine Glaubwürdigkeit hat durch die Geheimdienstaffären, die Luxemburg über Monate beschäftigt haben, gelitten. Juncker spricht von einer Vertrauenskrise der Politik.

    "Das hat partiell zu einem Vertrauensverlust in die politischen Amtsträger geführt, an der Herstellung dieses Vertrauens muss man intensiv arbeiten."

    Juncker musste Fehler einräumen. Er ist der oberste Dienstherr des Nachrichtendienstes, hatte jedoch keinen blassen Schimmer davon, was dieser hinter den Kulissen veranstaltete. Die Liste der Verfehlungen ist lang. Sie reicht von der Bespitzelung unbescholtener Bürger bis hin zu gefälschten Dossiers über hochrangige Juristen des Landes.

    Dafür hätte er die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten müssen, sagen die Sozialisten, die mit Junckers christlich-sozialer Volkspartei eine Große Koalition gebildet hatten. Doch der gewiefte Taktiker Juncker hat dem Regierungspartner diesen Gefallen nicht getan. Den Sozialisten blieb daher nicht viel anderes übrig, als die Zusammenarbeit aufzukündigen. Etienne Schneider.

    "Deshalb hat die sozialdemokratische Partei in Luxemburg gesagt, so können wir nicht weitermachen, das Land ist blockiert, wir kommen nicht mehr vom Fleck, deshalb müssen wir diese Neuwahlen abhalten."

    Schneider ist der Spitzenkandidat der Sozialisten. In den beiden Jahren, in denen er das Wirtschaftsministerium geführt hat, hat er sich Respekt im Land verschafft. Er sei viel näher dran an den Problemen seiner Landsleute als der unermüdlich in Diensten Europas tätige Premierminister.

    "Jean-Claude Juncker hat sehr viel Engagement in Europa eingebracht. Allerdings hat das dazu geführt, dass er in Luxemburg nicht präsent war, und dass wir jetzt im fünften Jahr der Krise sind - und zwar ohne einen wirklichen Premierminister, der sich hier um die Geschäfte wirklich gekümmert hätte."

    Eine latente Unzufriedenheit ist spürbar im Land. Das reiche Luxemburg, das über Jahre damit beschäftigt war, den Überfluss zu verwalten, sorgt sich um das Wachstum. Es reicht nicht mehr aus, um den Wohlfahrtsstaat zu sichern. Die bedeutendste staatliche Einnahmequelle, die Banken, schwächeln, das Bankgeheimnis hat nur noch ein Jahr Bestand und neue sprudelnde Steuerquellen müssen erst geschaffen werden. Zukunftsangst hat die 530.000 Luxemburger befallen und die Frage, wie sie damit umgehen, wird diese Wahl entscheiden.

    "Ich wähle nicht die Partei, die schon 30 Jahre regiert, aber ich glaube, es bleibt alles beim Alten. Viele wollen Sicherheit und die meisten empfinden, dass es jetzt sicher ist, ich empfinde es nicht so, ich bin nicht zufrieden. Es hat jetzt gereicht, mit allem, was war. Und vorher, jeder war immer ruhig, alles ist gut, wenn Juncker da ist und jetzt hat man es ja gesehen. Wir wollen Juncker behalten. Wenn die Luxemburger einen anderen Premier an der Spitze des Landes sehen wollen, dann stelle ich den Verstand der Luxemburger infrage."

    Die Wirtschaft mahnt einen Reformprozess an, sie hält tiefe Einschnitte ins soziale Netz für unvermeidbar. Ernst Wilhelm Contzen, Präsident des luxemburgischen Bankenverbandes.

    "Es muss ein Mentalitätswechsel eintreten, es kann nicht mehr so einfach das Geld mit der Gießkanne verteilt werden, dass diejenigen, die ein niedriges Einkommen haben und wirklich Hilfe brauchen, durch einen gezielten Sozialtransfer gestützt werden."

    Visionen, wie der Wohlfahrtsstaat umgebaut werden kann oder welche Richtung die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nehmen soll, sind rar im Großherzogtum. Mit dem Aufbau einer Universität will das Land den Weg in die Wissensgesellschaft bestreiten. Aber bis an dieser Stelle Erträge entstehen, wird es dauern. Reformen müssen stets behutsam auf die Schiene Gesetz werden, alles andere goutiert der Wähler nicht. Denn die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler stellen in Luxemburg Rentner und Staatsbedienstete. Als besonders innovativ ist diese Gruppe bislang nicht aufgefallen.