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Hoffnung auf Energiewende auch in Brandenburg

In Brandenburg liegen Braunkohleflöze unter Dörfern, die deshalb dem Tagebau zum Opfer fallen könnten. Zum dritten Mal beging deshalb der kleine Ort Atterwasch ein Dorffest, um gegen diese Pläne zu protestieren.

Von Axel Flemming | 01.11.2013
    Schon zum "Gottesdienst für die Erhaltung der Schöpfung" war die evangelische Dorfkirche zu Atterwasch gut gefüllt. Alle verstanden die Worte der Bibel als Argumentation zur Bewahrung des Ortes, wie auch der Gemeinden Kerkwitz, Proschim und Grabko; alle bedroht von den Plänen des Energiekonzerns Vattenfall, der den Tagebau Jänschwalde Nord in der Zukunft dorthin gerne ausweiten möchte. Monika Schulz-Höpfner wohnt seit 1982 in Atterwasch:

    "Und natürlich, wir leben von der Braunkohle schon über viele Jahrzehnte, man kann sagen Jahrhunderte, aber ich denke, es wärt nichts ewig!"

    Dass im Zuge der Verhandlungen um eine Große Koalition in Berlin auch über die Ausgestaltung der Energiewende geredet wird, hält die Abgeordnete der CDU im Landtag Brandenburg für eine Chance:

    "Ich glaube, umso besser ist es, dass wir auch heute bundesweit hier zusammenkommen, um ein Signal nach Berlin zu senden: Vergesst uns bitte nicht. Wir sind auch noch da und wir möchten bitte hier in unserer Region a), dass die Region erhalten bleibt und b), dass die Menschen wieder in Ruhe ihr Leben leben können. Und gestaltet die Energiewende so, dass es tatsächlich Zukunft hat."

    Etwas skeptischer ist Stephan Pütz, der den weiten Weg aus Nordrhein-Westfalen nach Atterwasch gereist ist:

    "Ich befürchte, dass wir schlimmstenfalls eine Energiewende bekommen, wo noch Energiewende draufsteht, aber wo nicht mehr Energiewende drin ist. Das wäre die schlimmste Befürchtung, dass man jetzt versucht, das Rad zurückzudrehen beziehungsweise den Ausbau der Regenerativen zurückzufahren. Ich hoffe, dass man an den einmal gefassten Zielen festhält, um dann auch entsprechend konsequent weiter die regenerativen Energien zulasten der konventionellen zurückfährt."

    Pütz kommt aus Immerath und wurde dadurch bekannt, dass er gegen die Pläne für den Braunkohltagebau Garzweiler 2 bis vor das Bundesverfassungsgericht zog:

    "Ja, ich denke, es wäre ein Fehler, wenn sich die von der Braunkohle Betroffenen auseinanderdividieren lassen würden, so nach dem Motto, wenn wir verschont werden, dann muss eben woanders mehr abgebaut werden. Nein – die Probleme sind die gleichen und die Unmenschlichkeit, die die Umsiedlung mit sich bringt, ist die Gleiche. Und da kann man nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip verfahren, sondern da muss man untereinander Solidarität zeigen."

    Die Veranstalter des Dorffestes für Heimat und Zukunft blickten diesmal über den Tellerrand der Lausitz hinaus und luden neben dem Nordrhein-Westfalen auch Gäste aus Sachsen ein. Dazu gehört Thilo Kraneis, Schlossermeister aus Pödelwitz, der dort seit 31 Jahren wohnt und mit seinen Freunden vereinbarte, das Dorf unter keinen Umständen verlassen zu wollen, denn er weiß, was Verlust der Heimat heißt:

    "Ich habe im Nachbarort gewohnt, der also vor 31 Jahren weggebaggert wurde, bin in einem anderen Nachbarort zur Schule gegangen, der inzwischen auch weggebaggert ist. Meine Frau stammt aus Heuersdorf, ist vielleicht dem einen oder andern ein Begriff durch die Umsiedlung dieser Kirche. In dieser Kirche habe ich geheiratet, diesen Ort gibt's auch nicht mehr."

    Bauernbund, Vertreter verschiedener Parteien und Bürgerinitiativen treffen sich jedes Jahr am Reformationstag in Atterwasch. Vernetzung ist wichtig, sagt Axel Kruschat, Landesgeschäftsführer des BUND:

    "Also ich denke, der Tag hat eine große Bedeutung, schlicht und ergreifend, weil man mal deutlich macht, wie viele Leute eigentlich ein gemeinsames Interesse daran haben, dass diese Tagebaupolitik, so wie sie jetzt ist, beendet wird."

    Vor der Dorfkirche in Atterwasch hängt etwas trotzig ein Transparent, das auf das Jahr 2044 hinweist: Dann würde der Ort 750 Jahre alt.