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Hoffnung im Kampf gegen Plötzlichen Kindstod

Medizin. - Der Plötzliche Säuglingstod ist immer noch die häufigste Todesursache bei Kindern im ersten Lebensjahr. Mehrere Hundert Kinder sterben pro Jahr allein in Deutschland. Dabei sind die Ursachen für den Plötzlichen Säuglingstod noch immer nicht klar. Eine Statistik aus den Niederlanden macht jetzt Mut: Hier konnte die Zahl der Todesfälle in den letzten Jahren um 90 Prozent gesenkt werden. Was können Eltern tun?

07.09.2004
    Es ist frühmorgens. Das Baby in der Wiege schreit nach Milch. Ein beruhigendes Signal. Denn hat das Kind Hunger, ist es meistens gesund. Aber in mehreren hundert Fällen pro Jahr stirbt in Deutschland das Baby über Nacht einen plötzlichen Tod. Ein Alptraum, dessen genaue Ursachen noch immer nicht klar sind. Jan Sperhake, Rechtsmediziner an der Uni-Klinik in Hamburg-Eppendorf:

    Es ist wahrscheinlich so, dass bestimmte Regelkreise im Gehirn verstellt sind. Dass das Kind nicht bemerkt, wenn der Sauerstoffgehalt des Blutes absinkt, dass es nicht genügend Luft bekommt, dass vielleicht auch die Körpertemperatur zu hoch ist.

    Es scheint so, als vergäßen die Säuglinge zu leben. Warum das Gehirn Informationen wie zu niedriger Sauerstoffgehalt der Atemluft nicht verarbeitet, darüber können die Forscher nur spekulieren. Viele vermuten einen Gendefekt. Aber jetzt gibt es wirksame Hilfe gegen den Tod im Bettchen: In den Niederlanden sank die Zahl der Fälle von Plötzlichem Säuglingstod zwischen 1984 und heute um stolze 90 Prozent. Im vergangenen Jahr starb hier nur eines von 1000 Babys. Für ganz Deutschland gibt es keine so genauen Zahlen. In Hamburg war die Rate im vergangenen Jahr aber sieben Mal so hoch wie in den Niederlanden. Monique L'Hoir, Expertin für Plötzlichen Kindstod an der niederländischen Universität Utrecht:

    Wir haben früher als unsere Nachbarländer damit angefangen, den Eltern zu empfehlen, ihr Kind zum Schlafen nicht auf den Bauch zu legen. Schon 1987 haben wir das gemacht. Der beste Start, den wir haben konnten.

    Die Statistik in den Niederlanden ist eindeutig: Die Bauchlage ist ein Hauptrisikofaktor für den Plötzlichen Säuglingstod. Auf dem Bauch schlafen die Kinder tiefer. Und damit sind sie anfälliger für plötzliche Aussetzer der Hirnfunktion. Ein zweiter Risikofaktor ist das Rauchen. Kinder rauchender Eltern kommen manchmal sogar schon geschädigt zur Welt. Jan Sperhake von der Uni Hamburg:

    Davon müssen wir ausgehen. Es ist durchaus so, dass die Kinder nicht nur zu leicht zur Welt kommen. Sondern es ist auch so dass der Kopfumfang geringer ist bei Kindern die schon vor der Geburt stark beraucht wurden. Und der Kopfumfang wird entscheidend durch das Gehirnwachstum bestimmt. Wenn das Gehirn im Wachstum hinterherhinkt, dann ist auch der Kopf etwas kleiner.

    Auch nach der Geburt kann das Rauchen für den Säugling eine tödliche Gefahr sein. Trudy Prins, Leiter des Niederländischen Zentrums für Tabakkontrolle:

    Kindern wird es dann immer schwerer, aufzuwachen. Wenn das Kind schwerer atmen kann, würde ein gesundes Kind durch einen Hirnimpuls aufwachen. Wenn aber Rauch im Zimmer ist, wird dieser Impuls unterdrückt. Das Kind atmet dann immer mehr Kohlendioxid ein und kann am Ende sogar sterben.

    Trudy Prins und ihre Mitarbeiter haben 1998 in den Niederlanden ein Hilfsprogramm gestartet. Für Eltern, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen. Mit großem Erfolg: Zwischen 1998 und 2004 sank die Zahl rauchender Eltern von fast 50 auf nur noch 32 Prozent. Der starke Rückgang des Plötzlichen Kindstods in den Niederlanden ist also das Ergebnis intensiver Aufklärung. Von der These, ein Gendefekt wäre die Hauptursache für den Säuglingstod, hält Monique L'Hoir nichts:

    Wenn das wahr wäre, würde die Wirkung unseres Aufklärungsprogramms längst nicht so groß sein. Bestimmt gibt es auch Babys mit einem Gendefekt. Aber das ist bestimmt nicht die größte Gruppe.

    Die Statistik spricht für die Expertin aus Utrecht eine deutliche Sprache. Wer die Hauptrisiken ausschaltet, der schützt sein Kind am wirksamsten gegen den plötzlichen Tod. Selbst, wenn es genetisch vorbelastet ist:

    Man sollte sein Kind unter keinen Umständen in Bauchlage legen. Auch nicht, wenn es schreit. Dazu sollten sie das Kind in einen leichten Schlafsack legen, nicht unter ein Oberbett. Stillen sie es wen möglich, lassen sie immer frische Luft ins Zimmer. Alles einfache Maßnahmen, die aber das Risiko enorm senken!